Die Coronavirus-Krise hat sich auf Unternehmen in der ganzen Welt ausgewirkt und die Arbeit von HR-Managern deutlich verändert. Allerdings gibt es kaum eine Branche, die so stark davon betroffen ist, wie das Gastronomiegewerbe.
In unserer Serie von Interviews mit Experten und Expertinnen aus der Personalbranche teilen wir heute die Einblicke von Yvonne Kalthöfer von BRLO. Sie zeigt uns, dass Unternehmen, unabhängig von der Größe und Branche, es auch in den schwierigsten Situationen schaffen können, durch kreative Maßnahmen neue Chancen zu nutzen, das Wir-Gefühl im Team zu stärken und dadurch eine hohe Mitarbeitermotivation zu erreichen.
Bitte stelle dich und euer Unternehmen kurz vor. Was bietet Ihr euren Kunden und was ist deine Position?
Hi! Ich bin Yvonne Kalthöfer, habe in Bonn, Madrid und Berlin Psychologie mit einem Fokus auf Arbeits- und Organisationspsychologie studiert. Meinen Berufseinstieg habe ich 2016 bei VICE, einem Jugendmagazin mit Online-Redaktion, Werbeagentur und Filmproduktion, als Junior HR Manager gemacht. Seit 2018 bin ich hauptverantwortlich für HR bei BRLO, einem schnell wachsenden Craft Beer Start-up aus Berlin.
Wir brauen mit viel Kreativität und Leidenschaft handwerkliche Biere und betreiben mitten am Gleisdreieck in Berlin unsere 20 Hektoliter Brauerei mit Restaurant, Bar und Biergarten in einem Gebäude aus 38 gebrauchten Überseecontainern. 2018 kam mit dem BRLO Craft Zentrum in Spandau eine moderne Produktionsbrauerei dazu, wo wir in Flaschen und Dosen abfüllen, und seit diesem Jahr produzieren wir auch HEQUA, eine Apfelessig-Limo von BRLO. Nebenbei blogge ich gemeinsam mit Jannis Tsalikis und Ralf Junge zu aktuellen HR-Themen bei „Mein Freund, die Arbeitgebermarke“
Wie habt ihr den Wechsel auf die aktuelle Situation und die Umstellung zur Digitalisierung gemeistert?
Eine vollständige Digitalisierung ist in einer kleineren Brauerei und einem Restaurant leider nicht möglich. Allerdings sind alle Mitarbeiter*innen, die nicht ortsgebunden arbeiten, im Home Office, um die Infektionsgefahr für alle Mitarbeiter*innen zu senken, die noch vor Ort sein müssen. Außerdem haben wir die Hygiene- und Sicherheitsmaßnahmen erhöht. Das Brauteam wurde in zwei Teams aufgeteilt, die in unterschiedlichen Schichten arbeiten, um die Infektionsgefahr weiter zu minimieren. Das Restaurant und unser Biergarten mussten leider schließen.
Wir haben mit unserem tollen Team einen Lieferservice und einen To-Go-Verkauf auf die Beine gestellt und unseren Onlineshop überarbeitet. Wir haben Live-Beertastings organisiert: Man kann sich eine Auswahl an Bieren nach Hause bestellen und diese dann via Instagram Live gemeinsam mit Brauern und Bierkennern verkosten.
Was hat sich für dich als HR-Managerin wesentlich in deinen täglichen Aufgaben geändert?
Für mich persönlich hat sich der Fokus meiner täglichen Aufgaben stark verändert: Anfang März waren wir mitten im Saison-Recruiting für unseren Biergarten. Ab Mitte März habe ich mich dann ausführlich mit dem Thema Kurzarbeit beschäftigt.
Letztendlich konnten wir leider keine neuen Mitarbeiter*innen einstellen, aber konnten unser komplettes Team durch die Möglichkeit der Kurzarbeit halten. Das ist wirklich toll! Wir sind mit allen Kandidat*innen für den Sommer weiterhin in Kontakt und ich hoffe sehr, dass wir sie einstellen können, sobald es wieder weiter geht.
Wie schaffst du es das Zusammengehörigkeitsgefühl und die Nähe zum Team zu bewahren?
Das ist immer eine Herausforderung bei uns, da wir sehr viele unterschiedliche Aufgabenprofile in unserem Unternehmen vereinen: Buchhalter*in, Brauer*in, Vertriebler*in, Koch*Köchin und viele mehr. Wir haben auf viel Kommunikation und Transparenz gesetzt: Wir verschicken wöchentliche Updates mit allen wichtigen Informationen, haben regelmäßige digitale Meetings, um alle wichtigen Fragen zu besprechen. In den letzten Wochen habe ich viel mit unseren Mitarbeiter*innen telefoniert und Fragen auf Slack beantwortet.
Natürlich darf aber auch der Spaß nicht zu kurz kommen. Wir veranstalten auch mal ein digitales Feierabendbier mit PubQuiz. Unsere Brauer*innen schalten sich dann teilweise aus der Brauerei dazu. In der letzten Woche haben wir auf Initiative unserer Geschäftsführung für alle Mitarbeiter*innen „Care-Pakete“ mit leckerem Essen, HEQUA und natürlich Bier gepackt. Unsere Geschäftsführer haben diese dann eigenhändig ausgeliefert und ich bin jetzt Profi für effiziente Routenplanung!
Nutzt ihr bestimmte Tools und Werkzeuge im Team, um weiter verknüpft und produktiv zu bleiben?
Sicherlich die üblichen Tools: Zoom, Google Hangout, Slack, aber ich greife auch einfach mal zum Telefon.
Was sind für dich die wichtigsten Initiativen, die Manager ergreifen können, um Mitarbeiter in diesem heiklen Moment zu ermutigen?
Aus meiner Sicht ist es wichtig, die aktuelle Situation der Mitarbeiter*innen anzuerkennen, die für jeden sehr individuell ist: Kinderbetreuung, finanzielle Sorgen, aber auch Entschleunigung und neue gewonnene Ruhe im Home Office. Viel Kommunikation ist da sicher essentiell.
Ich glaube auch, dass es wichtig ist, trotz aller Sorgen die Chancen in der Situation zu erkennen, gemeinsam mit dem Team kreativ zu werden und so auch wieder Perspektiven zu eröffnen.
Es ist zudem wichtig, mit eigenen Sorgen und Bedenken offen umzugehen. Auch als Manager darf man zugeben: „Ich weiß ebensowenig, wie es weitergeht und bin überfordert.” Das ist ehrlich und ich denke, dass die Mitarbeiter*innen damit besser umgehen können, als mit leeren Versprechen, die man in dieser fragilen Situation nicht einhalten kann.
Welches sind deiner Meinung nach die größten Herausforderungen und nächsten Schritte für deutsche Unternehmen nach dieser Phase?
Sicherlich wird uns dieses Thema noch eine Weile beschäftigen. Der Virus verschwindet schließlich nicht über Nacht. Und auch die wirtschaftlichen Auswirkungen werden Unternehmen noch lange prägen. Viele haben gemerkt, wie schnell Veränderungen implementiert werden können, wenn es wirklich nötig ist.
Und ich glaube, dass nicht nur Teams und Unternehmen in dieser Zeit zusammenwachsen, auch in unserer Branche herrscht so viel Solidarität wie noch nie. Das macht Hoffnung! Ich hoffe sehr, dass wir dieses Miteinander auch noch nach der Krise erhalten.
Gibt es sonst noch etwas, das du den Leser*innen mit auf den Weg geben möchten?
Bleibt gesund, passt auf euch auf und seid solidarisch!