Ein Moment der Unachtsamkeit, plötzlich ist das Malheur passiert und der Schaden potenziell groß. Schnell stellt sich dann auch am Arbeitsplatz die Frage: Wer zahlt dafür? Pauschal lässt sich das erst einmal nicht beantworten, aber sowohl Arbeitgebende als auch Arbeitnehmende sollten wissen, dass ein innerbetrieblicher Schadenausgleich existiert und in spezifischen Fällen genutzt werden könnte. Hier erfahren Sie mehr darüber, wie Gerichte und der Gesetzgeber während der Arbeitszeit entstandene Schäden behandeln.
Das Wichtigste in Kürze
- Ein innerbetrieblicher Schadensausgleich steht im Raum, sobald Arbeitnehmende während der Arbeitszeit Schäden verursachen. Er kann sowohl bei Sach- als auch Vermögensschäden greifen.
- Allen voran soll der Schadensausgleich Gerechtigkeit schaffen: Denn zwar stehen Arbeitnehmende generell für verursachte Schäden in Haftung, häufig sieht die Rechtsprechung aber eine gerechte Teilung zwischen Arbeitnehmenden und Unternehmen vor.
Gesetzliche Grundlage
Es gibt kein direktes Gesetz, das den innerbetrieblichen Schadensausgleich behandelt. Stattdessen ergibt sich dieser unter anderem aus dem deutschen Arbeitsrecht. Die gesetzlichen Regelungen zur Mitschuld im § 254 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), die festgeschriebene Haftung bei Vorsatz und Fahrlässigkeit vom § 276 BGB sowie Schadensersatzansprüche bei Pflichtverletzung im § 280 BGB spielen eine Schlüsselrolle. Für die praktische Interpretation dieser dienen bisher gefällte Gerichtsurteile.
Was versteht man unter innerbetrieblichem Schadensausgleich?
Ob in der Industrie auf der Produktionsstraße oder im Büro am Schreibtisch: Während der Arbeitszeit kann es selbstverständlich jederzeit zu Schäden kommen, für die eine Ausgleichspflicht besteht. Die betrifft sowohl Arbeitgebende als auch Arbeitnehmende. Verursacht einer dem anderen einen Schaden, greift diese Ausgleichspflicht.
Mit der Ausgleichspflicht geht automatisch die Haftung für den während der Arbeitszeit verursachten Sach- oder Vermögensschaden einher. Der innerbetriebliche Schadensausgleich sieht nun vor, dass Arbeitnehmende und Arbeitgebende die Haftung fair zwischen beiden Parteien teilen. Wie fair, ist wiederum vom Grad der Fahrlässigkeit abhängig.
In welchen Fällen haftet der Arbeitnehmer für einen Schaden, den er verursacht?
So viel vorweg: Ein innerbetrieblicher Schadensausgleich ist immer ein Rechtsfall, daher lässt sich ohne die konkreten Rahmenbedingungen nie pauschalisierend sagen, ob Mitarbeitende in die Arbeitnehmerhaftung genommen werden. Ebenso wenig lässt sich pauschalisieren, wie der Ausgleich zwischen beiden Parteien (Arbeitnehmende & Arbeitgebende) ausgestaltet wird. Letztlich ist jeder Fall einzeln zu prüfen – und das letzte Wort sprechen jeweils die Arbeitsgerichte.
Eine grundlegende Orientierung geben die Haftungsstufen entsprechend der bisherigen BAG-Urteile:
- Leichte Fahrlässigkeit: Arbeitnehmende haften nicht.
- Mittlere Fahrlässigkeit: Es erfolgt eine quotenmäßige Haftungsteilung zwischen Arbeitgebenden und Arbeitnehmenden. Die Quote ist nicht festgelegt, stattdessen wird sie individuell anhand dieser Kriterien gebildet:
- Schadenshöhe
- Gefahrengeneigtheit der Tätigkeit
- Gehaltshöhe
- Betriebszugehörigkeit
- Grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz: Arbeitnehmende werden vollständig in Haftung genommen.
Innerbetrieblicher Schadensausgleich: Beispiele & praktische Anwendung der Haftungsstufen
Wer haftet also, wenn Mitarbeitende Fehler machen? Die nachfolgende Tabelle macht die Haftungsstufen entsprechend einzelner Beispiele greifbar.
Haftungsstufe | Beispiel 1 | Beispiel 2 |
Leichte Fahrlässigkeit | Kollege*in stolpert und stößt versehentlich die Kaffeemaschine um | Lagermitarbeiter*in rutscht ein gefüllter Karton aus der Hand |
Mittlere Fahrlässigkeit | Vertriebler*in übersieht ein Verkehrsschild | Mitarbeiter*in vergisst eine Bestellung rechtzeitig in den Versand zu geben |
Grobe Fahrlässigkeit | Gabelstaplerfahrer*in fährt mit stark überhöhter Geschwindigkeit gegen ein Regal und zerstört Waren | IT-Mitarbeiter*in löscht Daten, ohne essenzielle Datensätze vorab zu sichern |
Parallel dazu gibt es noch Fälle, in denen ein schädlicher Vorsatz existiert. Bei diesen fällt die Haftung natürlich den Arbeitnehmenden zu. Ein klassisches Beispiel dafür wäre, wenn ein frustrierter Mitarbeitender mit Mutwillen gegen den Monitor schlägt und diesen zerstört.
Außerdem wichtig: Die Fahrlässigkeit wird durch die Art der Tätigkeit und ein etwaiges Mitverschulden beeinflusst. Arbeitnehmende, die im Lager beispielsweise Gefahren geneigten Tätigkeiten nachgehen, haben oftmals geringere Haftungen. Sofern der Arbeitgebende schlechte Einweisungen gab oder keine ausreichenden Schutzmaßnahmen vorliegen, kann das die Haftung und Fahrlässigkeitsstufe weiter absenken.
Innerbetrieblicher Schadensausgleich Schema & Ablauf
Sofern ein innerbetrieblicher Schadensausgleich von Arbeitnehmenden gegenüber dem Unternehmen im Raum steht, können Sie sich an dem nachfolgenden Schema und skizzierten Ablauf orientieren. Beides ersetzt aber selbstverständlich keine Rechtsberatung.
- Liegt ein haftungsbegründender Tatbestand vor?
- Liegt die Verantwortung für den Schaden beim Arbeitnehmenden?
- War die Handlung, die zu dem Schaden führte, rechtswidrig?
- Entstand ein Personen-, Vermögen- und/oder Sachschaden?
- Ist die Haftung vom Arbeitnehmenden zu erbringen?
- Liegt ein messbarer und klar zu beziffernder Schaden vor?
- Ist der entstandene Schaden als direkte Folge zur vorherigen Handlung entstanden?
- Hat der Arbeitnehmende gegen eine vertragliche Pflicht verstoßen?
- War die Tätigkeit betrieblich veranlasst und bestand zu dieser Zeit ein aktives Arbeitsverhältnis
Innerbetrieblicher Schadensausgleich Fall & Gerichtsurteile
Regelmäßig wird vor den jeweiligen Arbeitsgerichten darüber gestritten, welche Haftungsstufe vorliegt und wie die Haftung zwischen Arbeitnehmenden und Arbeitgebenden adäquat zu verteilen ist. Vor Gericht ist eben doch jeder Fall einzigartig.
Als beispielhafte Urteile gelten unter anderem:
- Ein Fall, bei dem ein Kraftfahrer einen gefüllten LKW ungesichert außerhalb des Betriebshofes abstellte. Die Waren wurden später von Dritten gestohlen. Vor dem LAG Düsseldorf erfolgte ein Vergleich: Der Mitarbeitende zahlte 2.000 Euro, der zuvor noch ausstehende Schaden bezifferte sich auf 14.502 Euro.
- Das Bundesarbeitsgericht entschied im September 2018, dass der beklagte Arbeitnehmer haftet, nachdem er während der Dienstreise einen Verkehrsunfall verursachte.
Welche Schadensersatzansprüche hat ein Arbeitgeber gegenüber seinem Arbeitnehmer?
Generell bestehen Schadensersatzansprüche für beschädigtes Firmeneigentum, zum Beispiel ein während der Dienstreise beschädigtes Firmenfahrzeug. Außerdem haben Arbeitgebende Anspruch auf einen Ersatz bei Vermögensschäden – zum Beispiel, wenn Arbeitnehmende etwas vermasselten und dem Unternehmen dadurch ein finanzieller Schaden entstand. Kamen Dritte zu Schaden, könnten deren Schadensansprüche weitergereicht werden.
In allen Fällen müssen aber mindestens eine mittlere Fahrlässigkeit sowie eine Pflichtverletzung vorliegen. Zudem ist klar vom Arbeitgebenden zu beweisen, dass der Schaden explizit durch diese Fahrlässigkeit und Pflichtverletzung entstanden ist – und keine anderen Umstände indirekt dazu führten.