Traditionelle Strukturen in Unternehmen, wie die klassische autoritäre Führung, sind längst netzwerkartigen Formen und flachen Hierarchien gewichen. Innerhalb dieses Wandels existiert auch schon seit einer Weile die laterale Führung. Sie ist besonders vorteilhaft, weil sie sich in jede Struktur, die ein Unternehmen hat, implementieren lässt und eine Form des Mikroführens darstellt. Dabei kommt sie ohne Weisungsbefugnis aus und wird somit durch keine klassische Führungskraft im traditionellen Sinne repräsentiert.
Doch wie funktioniert das und wo wird diese Form eingesetzt? Das alles klären wir im folgenden Artikel.
Key Facts
- Laterale Führung bedeutet, Einfluss ohne formale Weisungsbefugnis auszuüben, indem Kooperation, Vertrauen und Expertise im Vordergrund stehen.
- Es handelt sich hierbei um eine Form des Führens innerhalb eines übergeordneten Führungskonzepts.
- Die laterale Führung eignet sich insbesondere bei Projektarbeit in Teams, bei Sackgassen in der Entscheidungsfindung in Gremien oder bei der Zusammenarbeit zwischen Abteilungen oder Unternehmen.
- Laterale Führung – Definition
- Kernelemente der lateralen Führung
- Beispiele für laterale Führung
- Herausforderungen und Vorteile der lateralen Führung
Laterale Führung – Definition
Laterale Führung ist in diesem Sinne keine klassische, neue Führungsmethode an sich, sondern eher ein Führungsinstrument innerhalb des Unternehmens selbst.
Die laterale Führung beschreibt eine Führungsmethode, bei der Führungskräfte oder auch Mitarbeitende ohne direkte Weisungsbefugnis oder eine höhergestellte Hierarchiestufe Einfluss auf Kolleg*innen, Teams oder andere Mitarbeitende ausüben. Dabei stehen Kooperation, Überzeugungskraft und die Fähigkeit, Beziehungen zu gestalten, im Vordergrund.
Das laterale Führen kann also eher als eine Form des Mikroführens innerhalb eines bestimmten anderen Führungskonzepts beschrieben werden. Selbst in Unternehmen mit ausgeprägten Hierarchien kann es innerhalb der Organisation Abteilungen mit lateraler Führung geben.
Ursprung der lateralen Führung
Mitarbeiterführung im Wandel
Etwa seit den 1960er-Jahren gab es in vielen Organisationen und Unternehmen Bestrebungen, innerhalb der klassischen hierarchischen Strukturen auch informelle Formen des Führens zu etablieren. Dies ging einher mit der Erkenntnis, wie wichtig Kooperationen und gute zwischenmenschliche Beziehungen am Arbeitsplatz sind – nicht nur für das Wohlbefinden der Beschäftigten, sondern auch für den Erfolg des Unternehmens.
Moderne Führungsinstrumente
Mit der Zeit gewann die laterale Führung zunehmend an Bedeutung, insbesondere durch den Wandel der Arbeitswelt, der Arbeitsformen und der Unternehmensstrukturen. Die klassische, hierarchisch geprägte Organisation wurde mehr und mehr durch flexiblere Modelle ersetzt. Typische Beispiele für solche neuen Führungsansätze sind die agile Führung oder die Holokratie, bei der es im strengen Sinne überhaupt keine formale Führung gibt.
Etymologie – Was heißt laterale Führung?
Der Begriff „lateral“ leitet sich vom lateinischen Wort „latus“ ab, was „Seite“ bedeutet. Damit wird bereits angedeutet, worum es bei diesem Führungskonzept geht: Führungskräfte agieren nicht von einer oberen Hierarchiestufe aus, sondern auf Augenhöhe mit den Mitarbeitenden. Es geht darum, dass eine Person innerhalb des Teams eine führende und einflussnehmende Rolle übernimmt, ohne auf formale Hierarchie zurückzugreifen.
Kernelemente der lateralen Führung
Um zu verstehen, wann diese Form der Führung am besten zum Einsatz kommt, gilt es zunächst, die Charakteristika dieses Konzepts genauer zu betrachten.
Wodurch zeichnet sich die laterale Führung also konkret aus?
Keine Weisungsbefugnis
Grundsätzlich haben Führungskräfte eine bestimmte Weisungsbefugnis inne. Das bedeutet, dass sie in der Regel mit bestimmten Rechten ausgestattet sind, die es ihnen erlauben, Mitarbeitenden verbindliche Anweisungen zu geben.
Das ist bei der lateralen Führung allerdings nicht der Fall. Hier entsteht die Macht, die eine Person – die laterale Führungskraft – auf andere ausübt, durch andere Faktoren wie eine hohe intrinsische Autorität, besondere Expertise, Fachwissen oder die Fähigkeit, Beziehungen und Vertrauen aufzubauen.
Statt um Macht geht es bei der lateralen Führung eher um Einflussnahme.
Vertrauen
Laterale Führung kommt nicht ohne Vertrauen aus. Das heißt, Teammitglieder müssen aufeinander bauen können. Die Kommunikation zeichnet sich durch Transparenz, Offenheit und Ehrlichkeit aus.
Alle Beteiligten müssen also immer auf den gleichen Stand gebracht und Informationen für alle zugänglich gemacht werden.
Geteilte Verantwortung
In der lateralen Führung übernehmen alle Teammitglieder eigenverantwortlich Aufgaben. Die Verantwortung für ein Projekt oder Ähnliches wird von allen Beteiligten gleichermaßen getragen. Entscheidungen werden oft gemeinsam getroffen.
Kooperation
Da die laterale Führungskraft keine höhere hierarchische Stufe innehat, gestaltet sich die Zusammenarbeit anders. Es geht weniger um Anweisungen, sondern vor allem um Kooperation und Zusammenarbeit.
Was macht die laterale „Führungskraft“ konkret und wer bestimmt sie?
Die laterale Führungskraft wird nicht einfach so von der Chefin oder dem Chef ernannt, sondern weist in der Regel besondere Qualitäten auf, welche Sie für diese Rolle qualifizieren. Dazu zählen:
- Expertise/Fachwissen
- Persönliche Eigenschaften wie natürliche Autorität, besonders Empathie, Kommunikationsfähigkeit und Überzeugungskraft
- Erfahrungen und Respekt im Team (langjährige Zugehörigkeit im Unternehmen, Status im Kollegium)
Es handelt sich also um eine Person, die Vertrauen genießt und oft auch viel Erfahrung im Job aufweist.
Die laterale Führungskraft fungiert dabei fast wie ein*e Mentor*in, der bzw. die ihren Teammitgliedern unterstützend zur Seite steht. Sie gibt Fachwissen und internes Wissen aus dem Unternehmen weiter. Zudem übernimmt sie die Rolle der Vermittlung, sorgt dafür, dass die Zusammenarbeit reibungslos klappt, die Ziele eingehalten werden und dass die Teamdynamik aufrechterhalten bleibt.
Außerdem fungiert sie als Vorbild, indem sie die gewünschten Werte und Verhaltensweisen vorlebt.
Beispiele für laterale Führung
Projektteams in Unternehmen
Typischerweise findet sich laterale Führung in Projektteams. Obwohl es hier keine hierarchische Struktur gibt, übernimmt ein Teammitglied die Führung, ohne dass es disziplinarische Befugnisse hat und ist beispielsweise für die Koordination und den Austausch verantwortlich.
Beispiel: Eine Softwareentwicklerin führt ein Projektteam, weil sie mehr Kenntnisse in einem bestimmten Bereich der Softwareentwicklung hat als alle anderen. Dadurch kann sie Tipps geben und das Projekt in gewisser Weise inhaltlich leiten.
Tipp: Gerade bei netzwerkartigen Teams, wie sie in der lateralen Führung typisch sind, ist es umso wichtiger, den Fortschritt von Projekten im Überblick zu behalten – besonders wenn mehrere verantwortliche Personen beteiligt sind und nicht eine Person die gesamte Entscheidung trifft.
Projektmanagement-Tools wie das von Factorial können dabei eine enorme Unterstützungs ein. Die Software hilft beispielsweise, den gesamten Projektmanagementprozess zu rationalisieren, indem es einen zentralen Bereich für die Verwaltung von Projekten, Aufgaben und deren Status bietet. Das Tool ermöglicht zudem das Erstellen von Unterprojekten für eine bessere Nachverfolgung sowie die flexible Erfassung von Arbeitsstunden, um eine präzise Kosten- und Ressourcenzuweisung zu gewährleisten.
Abteilungsübergreifende Arbeit
Insbesondere dort, wo es um die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Abteilungen geht, die hierarchisch auf einer Stufe sind, kann laterale Führung sinnvoll sein.
Beispiel: Die Marketingabteilung soll eine neue Kampagne für das Unternehmen entwickeln. Sie möchte dabei gerne den Social-Media-Account ausbauen, um am Puls der Zeit zu bleiben. Das Budget lässt dies jedoch nicht zu. In den Verhandlungen zwischen den Abteilungen übernimmt eine laterale Führungskraft die Rolle der Vermittlung und sorgt dafür, dass beide Seiten – Marketing und Finanzen – Verständnis füreinander entwickeln und gemeinsam eine Lösung finden, die sowohl den kreativen Anforderungen des Marketings als auch den finanziellen Vorgaben gerecht wird.
Moderation von Entscheidungen
Auch in Entscheidungen von Gremien und Vorständen kann es mitunter zu echten Sackgassen kommen, in denen beide Seiten nicht mehr von ihrer Position abrücken wollen, eine Entscheidung jedoch zwangsläufig getroffen werden muss. Hier kann die laterale Führung eine Moderations- oder Vermittlungsrolle übernehmen.
Herausforderungen und Vorteile der lateralen Führung
Was für Vorteile bringt die laterale Führung?
Die bereits erwähnten Charakteristiken geben bereits Hinweise darauf, warum laterale Führung hilfreich und vorteilhaft sein kann. Gehen wir nun konkret auf die einzelnen Punkte ein.
- Förderung von Kooperation: Ein ganz klarer Vorteil. Laterale Führung fördert die Zusammenarbeit auf Augenhöhe. Das Arbeiten basiert auf Vertrauen und Verständnis, statt auf disziplinarischen Maßnahmen und Kontrolle. Ein solches Arbeiten führt zu einem positiven Betriebsklima – ein Faktor, der für zufriedene Mitarbeitende sehr wichtig ist. Eine Studie der Hochschule Niederrhein zeigte beispielsweise, dass ein gutes Betriebsklima der wichtigste Faktor für die Beschäftigte im Job ist.
- Effektivere Nutzung von Fachwissen: Bei der lateralen Führung übernehmen oft Expert*innen die Führungsrolle, ohne dass ihnen eine formale Rolle zugewiesen wurde. Im Prozess kristallisiert sich beispielsweise heraus, dass jemand in einem bestimmten Projekt besondere Expertise hat und daher die Führung übernehmen kann, um so die besten Ergebnisse zu erzielen.
- Stärkung von Motivation und Eigenverantwortung: Mitarbeitende, die das Gefühl haben, sich mehr einbringen zu können und dadurch Selbstwirksamkeit erleben, sind oft zufriedener am Arbeitsplatz, weil sie das Gefühl haben, Einfluss nehmen und etwas voranbringen zu können. Dies wirkt sich insgesamt positiv auf die Ergebnisse und vor allem auch auf die Kreativität und Innovationskraft im Unternehmen aus.
- Anforderungen der modernen Arbeitswelt: Insbesondere beim Projektmanagement ist die laterale Führung eine ideale Reaktion auf die veränderten Anforderungen der modernen Arbeitswelt, um weiterhin flexibel und konkurrenzfähig in der Branche zu bleiben.
Herausforderungen beim lateralen Führen
- Fehlende formale Befugnis: Der Vorteil der lateralen Führung kann natürlich auch ihr Nachteil sein. Einer Person mit viel Fachwissen fehlen möglicherweise Eigenschaften wie Autorität und Durchsetzungsvermögen. Führungskräfte sind hier gefragt, eine solche Situation zu erkennen und nach einer Lösung zu suchen.
Dieses Dilemma zeigt eindrücklich, dass nicht jede*r Führungskompetenz hat. Doch keine Sorge, bestimmte Kompetenzen lassen sich erlernen. Wie das geht und welche Führungskompetenzen besonders wichtig sind, erfahren Sie in unserem Blog zu diesem Thema.
- Überlastung: Das Teammitglied oder die Person, die die laterale Führung übernimmt, kann mitunter überlastet und überfordert sein – aufgrund der Rolle, die sie plötzlich innehat oder die ihnen vom Team wie von selbst zugewiesen wurde. Nicht immer führt die laterale Führung dazu, dass die anderen Teammitglieder gleichermaßen Verantwortung übernehmen. Stattdessen kann es dazu kommen, dass diese auf die laterale Führungskraft abgewälzt wird. Hier kommt es auf eine klare Abgrenzung an. Mitunter müssen Vorgesetzte einschreiten, einen Bonus zahlen oder die Mehrarbeit durch Benefits ausgleichen.
Die laterale Führung stellt hohe Anforderungen an soziale Kompetenzen, Kommunikationsfähigkeit und die Balance zwischen kollegialer Zusammenarbeit und Führung. Dennoch ist sie ein effektives Führungsinstrument, mit dem die Herausforderungen und Anforderungen unserer Zeit viel besser erfüllt werden als durch traditionelle Strukturen und Arbeitsformen.