Läuft es wirtschaftlich nicht mehr rund, müssen Unternehmen zwangsläufig gegensteuern. Massenentlassungen sind dafür selten die erste Wahl und präferierte Option, aber schlimmstenfalls lassen sie sich schlicht nicht verhindern. In Deutschland, wo Arbeitnehmende traditionell weitreichende Schutzrechte genießen, sind Massenentlassungen zudem noch an eine Reihe von Pflichten und Auflagen geknüpft.
Hier erfahren Sie, wie Sie dabei korrekt vorgehen und was es zu beachten gibt, damit auf die schon existente nicht direkt die nächste (rechtliche) Krise folgt.
Das Wichtigste in Kürze
- Massenentlassungen finden in Deutschland regelmäßig statt: Gemeint ist damit ein größerer Stellenabbau in Relation zur Gesamtzahl der Mitarbeitenden – dann ist auch eine Massenentlassungsanzeige verpflichtend.
- Massenentlassungen hebeln geltende Kündigungsschutzgesetze nicht pauschal aus. Des Weiteren genießen einzelne Personengruppen, beispielsweise Schwangere, Schwerbehinderte und Personen in Elternzeit, weiterführende Schutzrechte.
Gesetzliche Grundlage
Die notwendigen rechtlichen Rahmenbedingungen regelt das Kündigungsschutzgesetz mit seinem § 17 zur Anzeigepflicht: Hier finden sich Schwellenwerte, die bei tiefgreifenden Kündigungen zu einer Massenentlassungsanzeige führen müssen. Existiert im Unternehmen ein Betriebsrat, muss dieser nach § 111 Betriebsverfassungsgesetz zwangsläufig vorab konsultiert werden.
Wann spricht man von einer Massenentlassung?
Der Begriff „Massenentlassungen“ ist in Deutschland klar definiert, da eine verpflichtende Massenentlassungsanzeige erfolgen muss, sobald bestimmte Schwellenwerte überschritten werden. Diese Schwellenwerte setzen die Anzahl der Kündigungen in Relation zur Gesamtzahl der Mitarbeitenden im Unternehmen.
Etwaige auslaufende und Aufhebungsverträge, die in den jeweiligen Zeitraum fallen, zählen ebenso dazu. Der Zeitraum selbst, in dem Kündigungen für eine rechtliche Massenentlassung aufaddiert werden, beträgt immer 30 Kalendertage.
Wann muss eine Massenentlassungsanzeige erfolgen?
Mit der nachfolgenden Tabelle können Sie selbst herausfinden, wann in Ihrem Unternehmen eine solche Massenentlassungsanzeige erforderlich wäre.
Anzahl der Mitarbeitenden | Anzahl an Kündigungen bei denen eine Massenentlassungsanzeige gestellt werden muss |
21 bis 59 Beschäftigte | wenigstens 5 Personen/Kündigungen |
60 bis 499 Beschäftigte | wenigstens 25 Personen/Kündigungen oder 10 % der Belegschaft |
500+ Beschäftigte | wenigstens 30 Personen/Kündigungen |
Wichtig: Durch die Massenentlassungsanzeige soll sich die Agentur für Arbeit auf einen großen Zulauf nun arbeitsloser Menschen einstellen können. Daher muss diese Anzeige erfolgen, bevor die Kündigung ausgesprochen wird. Erfolgt keine Massenentlassungsanzeige, obwohl die genannten Schwellenwerte erreicht sind, ist die Kündigung unwirksam.
Was enthält eine Massenentlassungsanzeige?
- die Anzahl der Kündigungen
- Informationen zu den Berufsgruppen der gekündigten Beschäftigten
- Gründe für die Entlassung
- der Zeitraum der Entlassung
- angewandte Kriterien bei der Auswahl der zu kündigenden Beschäftigten
- Informationen zur Anhörung des Betriebsrates (sofern vorhanden)
Das müssen Sie bedenken: Sobald Sie Ihre Massenentlassungsanzeige einreichen, tritt nach § 18 Kündigungsschutzgesetz automatisch eine Entlassungssperre in Kraft. Sie gilt normalerweise für 30 Tage, kann aber auch auf 60 Tage verlängert werden. Erst nach Ablauf dieser Sperrfrist sind die Kündigungen rechtswirksam.
Welche Rolle spielt der Betriebsrat bei Massenentlassungen?
Mit dem bereits eingangs erwähnten § 17 zur Anzeigepflicht verpflichtet der Gesetzgeber Unternehmen außerdem zur Anhörung und Konsultation ihres Betriebsrates. Die Mitglieder des Betriebsrates erfahren von der geplanten Massenentlassung noch vor der Agentur für Arbeit – denn sie müssen diesen wenigstens zwei Wochen vor dem Einreichen der Massenentlassungsanzeige informieren.
Der Betriebsrat selbst kann derartige Massenentlassungen nicht pauschal blockieren. Aber Unternehmensvertreter müssen sich dessen Bedenken anhören. Außerdem soll zumindest eine theoretische Möglichkeit bestehen, um durch Einbeziehung des Betriebsrates eine verträglichere Lösung zu finden.
Wie ist der Kündigungsschutz bei der Massenentlassung geregelt?
Für Beschäftigte des Betriebs sind anvisierte Massenentlassungen aus offensichtlichem Grund eine Belastung. Für Mitarbeitende, die dann tatsächlich ihre Kündigung erhalten, umso mehr. HR-Mitarbeitende, die mitunter an der Auswahl der zu kündigenden Personen mitwirken und später die Hiobsbotschaft überbringen müssen, haben ebenfalls keine leichte Aufgabe.
Trotzdem gilt: Der Kündigungsschutz wird selbst bei Massenentlassungen nicht überschrieben oder außer Kraft gesetzt. Wurden Sie als HR-Mitarbeitende*r mit dieser Aufgabe betraut, haben wir eine kleine Checkliste vorbereitet. Stellen Sie sicher, dass Sie die einzelnen Schritte prüfen und einhalten.
- Wurde der Betriebsrat informiert?
- Wurde eine Massenentlassungsanzeige übermittelt?
- Liegt ein sozial gerechtfertigter Kündigungsgrund vor? Dieser kann personen-, verhaltens– oder betriebsbedingt sein.
- Haben Sie berücksichtigt, dass Mitarbeitende den Betrieb aller frühestens 30 Tage nach Übermittlung der Anzeige verlassen dürfen?
- Wurde die Sozialauswahl korrekt durchgeführt?
- Haben Sie bedacht, dass Schwangere, Schwerbehinderte, Betriebsratsmitglieder und Personen in Elternzeit einem weiterführenden Sonderkündigungsschutz unterliegen?
Mit einer Abfindung müssen Sie und das Unternehmen nicht zwangsläufig kalkulieren. Wie bei jeder anderen Kündigung ebenso, kann dies aber individuell vereinbart beziehungsweise gewährt werden. Häufiger werden Abfindungen geboten, wenn der Betriebsrat einen Sozialplan für eine Betriebsänderung entwickelt oder beispielsweise ein Abwicklungsvertrag genutzt wird.
Wie viele Mitarbeiter dürfen gleichzeitig gekündigt werden?
Leider haben wir da schlechte Nachrichten für Mitarbeitende, denn eine Höchstgrenze gibt es nicht. Ein Betrieb, der 200 Mitarbeitende hat, kann durchaus beispielhaft 180 davon entlassen. Das jeweils unter der Bedingung, dass alle bisher genannten Voraussetzungen und Meldepflichten korrekt eingehalten wurden.
Der Stand der Dinge: Massenentlassungen 2024 und 2025
Massenentlassungen gab es in Deutschland zuletzt nicht wenige. Bedingt durch die seit Jahren kriselnde Konjunktur, wurden in der Industrie laut dem Wirtschaftsberater EY im Jahr 2024 mehr als 100.000 Stellen abgebaut. Im laufenden Jahr 2025 dürfte der Trend anhalten: Das Institut der deutschen Wirtschaft ermittelte Anfang des Jahres in einer Befragung von rund 2.000 Unternehmen, dass mehr als ein Drittel davon Stellen abbauen wollen. Insbesondere in Sektoren wie der Industrie und bei Deutschlands Autobauern ist demnach mit Massenentlassungen zu rechnen.
Massenentlassungen in den USA kündigen sich ebenso an, selbst bei hochprofitablen und weltweit agierenden Unternehmen: Jüngst kündigte unter anderem Softwareriese Microsoft einen Stellenabbau von mehr als 8.000 Stellen an – nachdem im Mai schon mehr als 5.000 Mitarbeitende gehen mussten.