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On-und Offboarding

Sozialauswahl bei Kündigung: Infos für Arbeitgeber

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6 Minuten Lesezeit
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Betriebsbedingte Kündigungen sind aus nachvollziehbaren Gründen für alle Beteiligten eine Herausforderung. Um in solchen Fällen speziell die Auswirkungen auf schutzbedürftige Arbeitnehmende abzumildern, gibt es die rechtlich vorgeschriebene Sozialauswahl bei Kündigung. Wir zeigen Ihnen auf, was es dabei zu beachten gibt und welche Punkte bei der Sozialauswahl und Evaluierung eingehalten werden müssen.

Das Wichtigste in Kürze

  1. Durch die Sozialauswahl bei Kündigung gibt der Gesetzgeber vor, welche Angestellten von betriebsbedingten Kündigungen vorrangig betroffen sind. Arbeitgeber müssen diese nach vier festgelegten Kriterien identifizieren.
  2. Durch die Sozialauswahl soll sichergestellt werden, dass den sozial am wenigsten schutzwürdigen Arbeitnehmenden zuerst gekündigt wird, um besonders schutzbedürftige Angestellte weiter im Unternehmen und damit in Arbeit zu halten.

Gesetzliche Grundlage

Das Fundament für die Sozialauswahl bei Kündigung schafft das Kündigungsschutzgesetz im § 1 Absatz 3. Darin wird spezifiziert, wann die Sozialauswahl vorzunehmen ist, welche Unternehmen davon betroffen sind und wie bei der Auswahl der zu kündigenden Angestellten vorzugehen ist. Dafür definiert das Kündigungsschutzgesetz vier rechtlich verbindliche Kriterien.

Was ist mit Sozialauswahl bei Kündigung gemeint?

Gemeint ist damit ein rechtlich bindendes Verfahren, das für die betriebsbedingte Kündigung mit Sozialauswahl angewandt wird. Ziel dessen ist, schutzbedürftige Arbeitnehmende weiter in Arbeit und im Unternehmen zu halten, während weniger schutzwürdige Angestellte zuerst die Kündigung erhalten.

Anwendung findet der Sozialplan, sofern das Unternehmen vom Kündigungsschutz betroffen ist. Dafür müssen sich im Betrieb wenigstens zehn oder mehr Angestellte befinden.

Was muss bei einer Sozialauswahl beachtet werden?

Welche vier Gründe werden bei der Sozialauswahl berücksichtigt? Die nachfolgende Tabelle gibt einen Überblick:

Kriterium Erklärung Beispiel
Betriebszugehörigkeit Dauer der Beschäftigung Arbeitnehmende mit längerer Betriebszugehörigkeit haben einen höheren Schutz als solche mit weniger Jahren Betriebszugehörigkeit.
Lebensalter Vermittelbarkeit von gekündigten Arbeitnehmenden Ein Angestellter im Alter von 55 Jahren hat einen höheren Schutz als ein 24-jähriger Angestellter, da die ältere Person fortan schwieriger am Arbeitsmarkt zu vermitteln wäre.
Unterhaltspflichten Auswirkungen der Kündigung gegenüber Familienangehörigen Eine alleinerziehende Mitarbeiterin mit 2 Kindern genießt einen höheren Schutz als ein kinderloser Single. Je mehr Unterhaltspflichten, desto höher der Kündigungsschutz.
Schwerbehinderung Personen mit Grad der Behinderung über oder gleich 50 Menschen mit Schwerbehinderung genießen eine besondere Schutzstellung bei Kündigungen.

Beachten Sie: Jedes Kriterium ist gleichwertig. Bei Ihrer Evaluierung muss jeder Aspekt also eine Gewichtung von 25 % erhalten und ist unabhängig von den drei anderen Kriterien zu bewerten.

Wer ist von der Sozialauswahl ausgenommen?

Selbst wenn eine betriebsbedingte Kündigung mit Sozialauswahl rechtlich verpflichtend ist, sind Ausnahmen zu bedenken. Diese bedeuten nicht, dass die Sozialauswahl dann gar nicht mehr stattfinden muss. Die Ausnahmen reduzieren lediglich die Anzahl der Personen, die durch die vier Kriterien evaluiert und später eventuell gekündigt werden.

Die nachfolgenden Personen und Personengruppen sind zumindest theoretisch von der Sozialauswahl auszuklammern:

  • besonders wichtige Leistungsträger*innen in Schlüsselpositionen, deren Kündigung den Fortbestand des Unternehmens gefährden würde
  • Geschäftsführer*innen und leitende Angestellte, die auch aufgrund ihres laufenden Vertrages mitunter eine Sonderstellung genießen
  • Beschäftigte mit befristetem Vertrag, deren Vertrag dann schlicht nicht verlängert wird

Aber: Ausnahmen müssen immer genau das sein: Ausnahmen. Das Bundesarbeitsgericht hat dazu bereits im Jahr 2008 geurteilt, dass jegliche Ausnahmen nur sehr engmaschig festgelegt werden dürfen. Die Einbeziehung aller Angestellten muss immer die Regel sein.

Wer wird beim Sozialplan als erstes gekündigt? Praktische Beispiele

Anhand unserer vorherigen Tabelle können Sie leicht ableiten, welche Personen im Unternehmen besonders schutzbedürftig sind – und welche im Gegenzug nicht. Das wären auch die Personen, die zuerst eine Kündigung erhalten würden.

Wir haben dafür einige Beispiele zur Orientierung ausgearbeitet:

  1. Eine 22-jährige Person mit einem Jahr Betriebszugehörigkeit, ohne Kinder und ohne Schwerbehindertenstatus, würde nach der Sozialauswahl zu den ersten Kündigungen gehören.
  2. Eine hoch qualifizierte Mitarbeiterin im Alter von 35 Jahren, Single ohne Kinder, würde ebenfalls relativ weit vorne in der Rangliste stehen – da sie am Arbeitsmarkt wahrscheinlich schnell eine neue Anstellung finden würde.
  3. Ein 40-jähriger verheirateter Top-Mitarbeiter, mit öffentlicher Präsenz und anerkanntem Expertenstatus, wäre ebenfalls unter den ersten Kündigungen. Durch die öffentlichkeitswirksame Stellung als Experte würde dieser zeitnah bei einem neuen Unternehmen unterkommen.

Eine allgemeine Faustregel zur Orientierung: Überlegen Sie sich, wie einfach bestimmte Angestellte wohl einen neuen Job finden würden und wie gravierend die Auswirkungen der Kündigung auf deren künftigen sozialen Status wären. Je geringer die Auswirkungen und, desto leichter die Jobsuche, umso früher werden diese Mitarbeitenden nach Sozialauswahl gekündigt.

Hier finden Sie eine Vorlage, um ein Arbeitszeugnis zu erstellen:👇

Betriebsbedingte Kündigung ohne Sozialauswahl – geht das?

Praktisch könnten Unternehmen das natürlich machen, doch wären die ausgesprochenen Kündigungen grundsätzlich rechtlich unwirksam. Sofern das Kündigungsschutzgesetz greift, ist bei betriebsbedingten Kündigungen eine Sozialauswahl verpflichtend.

Denkbar wäre die betriebsbedingte Kündigung ohne Sozialauswahl nur in diesen Sonderfällen:

  • Es handelt sich um einen Kleinbetrieb mit weniger als zehn Mitarbeitenden. Diese fallen nicht unter das Kündigungsschutzgesetz.
  • Einige wenige Schlüsselkräfte könnten von der Sozialauswahl ausgenommen sein. Das ist aber fundiert, sachlich und nachvollziehbar zu begründen.

Übrigens: Bei einer notwendigen, aber fehlenden oder falschen Sozialauswahl drohen Unternehmen rechtliche Konsequenzen. Diese reichen von Kündigungsschutzklagen bis hin zu gerichtlich angeordneten Abfindungen oder Wiedereinstellungen.

Wie steht es um die Abfindung bei betriebsbedingter Kündigung?

Ein gesetzlicher Anspruch darauf besteht generell erst einmal nicht. Es können aber Sonderfälle greifen, die sich zum Beispiel aus dem Sozialplan, Tarif- oder Aufhebungsverträgen ergeben.

In der Praxis bieten Unternehmen häufig Abfindungen an, sofern Kündigungen betriebsbedingt erfolgen und Arbeitnehmende im Gegenzug von einer Kündigungsschutzklage absehen. So vermeidet das Unternehmen potenzielle Rechtsstreitigkeiten.

Die Höhe der Abfindung ist gesetzlich im § 1a vom Kündigungsschutzgesetz festgelegt und beziffert sich auf 0,5 Bruttomonatsgehälter pro vollem Beschäftigungsjahr.



Als Content Managerin bei Factorial verbindet Antonia Grübl fundiertes Know-how in HR-Kommunikation mit einem Gespür für aktuelle Entwicklungen in der Arbeitswelt. Sie übersetzt komplexe Zusammenhänge in Inhalte, die wirken – für HR-Teams, Führungskräfte und Entscheider*innen. Ihr Ziel: Orientierung geben, die Digitalisierung begleiten und New Work greifbar machen.