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Erste Tätigkeitsstätte: Definition und Zuordnung

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7 Minuten Lesezeit
Erste Tätigkeitsstätte: Definition und Zuordnung

Die erste Tätigkeitsstätte ist ein zentraler Begriff im deutschen Steuer- und Arbeitsrecht und hat für Arbeitnehmende zahlreiche finanzielle Auswirkungen. Manchmal ist die Bestimmung aber gar nicht so einfach. Im folgenden Beitrag klären wir daher, was Arbeitgebende über die Zuordnung, das Homeoffice und die Handhabe bei mehreren Tätigkeitsstätten wissen müssen.

Key Facts

  1. Die erste Tätigkeitsstätte ist eine ortsfeste betriebliche Einrichtung, die Arbeitnehmenden dauerhaft zugeordnet ist.
  2. Die steuerliche Behandlung der Fahrtkosten und Verpflegungsmehraufwendungen bei Dienstreisen werden von der ersten Tätigkeitsstätte beeinflusst.
  3. Das Homeoffice kann nicht die erste Tätigkeitsstätte sein.

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Definition: Was ist die erste Tätigkeitsstätte?

Was unter einer ersten Tätigkeitsstätte zu verstehen ist, ist gesetzlich genau geregelt. Es handelt sich um einen zentralen Begriff des deutschen Arbeitsrechts, der erhebliche Auswirkungen auf das Steuerrecht hat. Es verwundert daher nicht, dass der Begriff der ersten Tätigkeitsstätte auch im Einkommensteuergesetz definiert ist.

§ 9 Abs. 4 EStG – Das Einkommenssteuergesetz

In § 9 Abs. 4 EStG ist diese definiert als ortsfeste, betriebliche Einrichtung

  • der Arbeitgebenden
  • eines verbundenen Unternehmens
  • oder eines von der arbeitgebenden Person bestimmten Dritten.

Darüber hinaus ist die erste Tätigkeitsstätte eine solche, die den Arbeitnehmenden dauerhaft zugeordnet ist.

Die Tätigkeitsstätte kann als dauerhaft angesehen werden, wenn

  • Arbeitnehmende unbefristet
  • für die Dauer eines Dienstverhältnisses
  • oder über einen Zeitraum von über 48 Monaten

dort tätig werden sollen.

Kurz & knapp:

Die erste Tätigkeitsstätte ist also ein ortsfester, betrieblicher und den Arbeitnehmenden dauerhaft zugeordneter Arbeitsort, an dem letztere ihre Arbeit verrichten.

Hinweis: Oft wird in diesem Zusammenhang auch von erster Arbeitsstätte gesprochen. Der Begriff wird aber seit 2014 in den Gesetzen nicht mehr verwendet.

Bestimmung und Zuordnung der ersten Tätigkeitsstätte bei mehreren Arbeitsorten

Zuordnung durch Arbeitgebende

Häufig gibt es nicht nur einen Ort, an dem Arbeitnehmende regelmäßig ihre Arbeit verrichten. Arbeitnehmerin A arbeitet z. B. für ein Bekleidungsunternehmen, das mehrere Filialen in der Stadt hat. An manchen Tagen arbeitet sie in der Filiale im Stadtzentrum, an anderen Tagen in der Filiale im Einkaufszentrum.

Bei mehreren Arbeitsorten müssen Arbeitgebende durch ihr Weisungsrecht die erste Tätigkeitsstätte bestimmen.

Zeitliche Zuordnung

Es kommt vor, dass die Bestimmung durch Arbeitgebende nicht eindeutig ist oder gar nicht existiert. In diesem Fall gibt die Zeit Auskunft darüber, was als erste Tätigkeitsstätte gilt. In diesem Fall ist die erste Tätigkeitsstätte definiert als der Ort, an dem sich die Beschäftigten am häufigsten zur Ausübung ihrer Tätigkeiten aufhalten. Das Gesetz gibt hier genauere Auskunft über die Zuordnung:

In einem solchen Fall gilt als erste Tätigkeitsstätte der Ort, an dem die Arbeitnehmenden

  • täglich (an Arbeitstagen)
  • an zwei vollen Tagen pro Arbeitswoche
  • mindestens 33 % der normalen Arbeitszeit

tätig sind.

Bleibt auch diese Zuordnung uneindeutig, wird der Arbeitsort, der am nächsten zum Wohnort ist, als erste Tätigkeitsstätte gewählt.

Keine erste Tätigkeitsstätte

Wann hat man keine erste Tätigkeitsstätte?

Kann es vorkommen, dass es überhaupt keine erste Tätigkeitsstätte gibt?

Ja, das kann vorkommen. Dies ist z. B. der Fall, wenn die oben genannte Definition einer ersten Tätigkeitsstätte nicht erfüllt ist, z. B. bei Arbeitnehmenden in Flugzeugen, Bussen, Zügen oder Schiffen.

In diesem Fall gilt ein Sammelpunkt, z. B. ein Busdepot oder ein Flughafen, als erster Tätigkeitsort.

Weiträumiges Tätigkeitsgebiet

Steuerlich sinnvoll ist es jedoch, wenn kein Sammelpunkt als erste Tätigkeitsstätte angegeben ist. Dies ist etwa bei Außendienstmitarbeitenden der Fall. Hier spricht man von einem weiträumigen Tätigkeitsgebiet.

Steuer – keine erste Tätigkeitsstätte

Als steuerlicher Bezugspunkt für die Pauschalen gilt der Zugangspunkt zum weiträumigen Tätigkeitsgebiet bzw. der Sammelpunkt. Der Zugang zum weiträumigen Tätigkeitsgebiet kann bei Handwerker*innen beispielsweise der Weg von ihrem Wohnort zur Kundschaft sein.

Erste Tätigkeitsstätte – Homeoffice

Homeoffice ist in Deutschland spätestens seit Corona gang und gäbe und wird sich wohl auch in der Arbeitswelt nicht so schnell ändern. Wie sieht es also mit dem ersten Arbeitsplatz aus, wenn Beschäftigte zu Hause arbeiten?

Grundsätzlich gilt: Das Homeoffice ist keine betriebliche Einrichtung von Arbeitgebenden und kann somit auch nicht als erste Tätigkeitsstätte zählen.

Auswirkungen der ersten Tätigkeitsstätte

Warum ist die erste Tätigkeitsstätte so wichtig?

Warum ist die Bestimmung der ersten Tätigkeitsstätte so wichtig? Sie hat erhebliche Auswirkungen auf die steuerliche Behandlung von Fahrtkosten, aber auch von Verpflegungsmehraufwendungen und anderen beruflich veranlassten Kosten. Für Arbeitnehmende beeinflusst die Bestimmung der ersten Tätigkeitsstätte direkt ihre finanzielle Situation. Im Folgenden geben wir einen Überblick über die konkreten Effekte, die sich aus der Bestimmung der ersten Tätigkeitsstätte ergeben.

Die Entfernungspauschale – Steuer

Die Entfernungspauschale ist vermutlich das bekannteste Beispiel im Zusammenhang mit der ersten Tätigkeitsstätte. Viele Arbeitnehmende in Deutschland müssen täglich mit dem Auto oder einem anderen Transportmittel zur Arbeit fahren. Laut Statistischem Bundesamt trifft dies auf etwa 40 Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Deutschland zu. Um die arbeitende Bevölkerung bei diesen Kosten finanziell zu unterstützen, kann ein Teil der Fahrtkosten von der Steuer abgesetzt werden.

Wichtig: Die Entfernungspauschale wird auch Pendlerpauschale genannt. Nicht verwechselt werden darf diese mit der Kilometerpauschale bzw. Wegstreckenentschädigung (auch Reisekostenpauschale genannt). Diese wird bei Dienstreisen und den in diesem Zusammenhang anfallenden Reisekosten angewendet.

Die Entfernungspauschale darf auch nicht mit der Fahrtkostenpauschale verwechselt werden, bei der es sich um einen Fahrtkostenzuschuss des Arbeitgebers handelt.

Höhe Entfernungspauschale

Die Pendlerpauschale richtet sich nach der Entfernung zur ersten Tätigkeitsstätte. Die Pendlerpauschale gilt allerdings nur für die einfache Strecke zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte. Hin- und Rückfahrt werden nicht doppelt berücksichtigt. Erfolgt die Rückfahrt an einem anderen Tag, kann pro Tag nur die halbe Pauschale angesetzt werden.

Wichtig: Maßgebend ist bei der Berechnung die kürzeste Wegstrecke zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte, wobei nur ganze Kilometer berücksichtigt werden. Außerdem gilt die Pauschale nur für tatsächliche Arbeitstage. Wochenenden, Feiertage, Urlaubs- und Krankheitstage sowie Home-Office-Tage werden nicht berücksichtigt.

Die Höhe der Pendlerpauschale für das Jahr 2024 beträgt:

  • 0,30 Euro pro Kilometer bis zum 20. Kilometer
  • 0,38 Euro ab dem 21. Kilometer (bis 2026).
  • Höchstbetrag: 4.500 Euro pro Jahr.

Entfernungspauschale Berechnung und Beispiel

Pendler Y wohnt 35 km von seinem Arbeitsplatz entfernt und fährt an 5 Tagen pro Woche mit dem eigenen Pkw zur Arbeit.

  • Tägliche einfache Fahrtstrecke: 35 km
  • Zahl der Arbeitstage pro Woche: 5 Tage
  • Anzahl der Arbeitstage im Jahr: 20 Arbeitstage/Monat * 12 Monate/Jahr = 240 Tage
  • Gesamtkilometer pro Jahr (einfache Strecke) 35 km/Tag * 240 Tage/Jahr = 8.400 km/Jahr
  • Die ersten 20 km: 0,30 € pro Kilometer
  • Ab dem 21. Kilometer: 0,38 € pro Kilometer

Berechnung

Kilometer innerhalb der ersten 20 km: 20 km/Tag* 5 Tage/Woche * 240 Tage/Jahr = 5.200 km

Kilometer im Bereich über 20 km: 8.400 km (gesamt) – 5.200 km (erste 20 km) = 3.200 km

Für die ersten 5.200 km: 5.200 km * 0,30 €/km = 1.560 €.

Für die weiteren 3.200 km: 3.200 km * 0,38 €/km = 1.216 €.

Pendlerpauschale insgesamt: 1.560 € + 1.216 € = 2.776 €.

Ergebnis

Pendler Y kann für das Jahr eine Pendlerpauschale von 2.776 € in seiner Steuererklärung geltend machen.

Wenn Pendler Y nun mehrere Tätigkeitsstätten hat und die eine weitere Tätigkeitsstätte beispielsweise nur 25 Kilometer von seinem ersten Wohnort entfernt liegt, würde er entsprechend weniger Fahrtkosten absetzen können.

Steuerliche Auswirkungen – die Kilometerpauschale

Auch die Kilometerpauschale bestimmt sich in Abhängigkeit von der ersten Tätigkeitsstätte. Sie gilt vor allem für Dienstreisen, aber auch für Fahrten von der ersten Tätigkeitsstätte zu einer anderen Arbeitsstätte.

Höhe Kilometerpauschale

Für gefahrene Kilometer im Zusammenhang mit Dienstreisen oder sonstigen Auswärtstätigkeiten werden stets 0,30 € berechnet. Diese Pauschale gilt sowohl für die Hin- als auch für die Rückfahrt. Die steuerliche Absetzbarkeit der Kilometerpauschale ist etwas komplizierter, da Arbeitnehmende hier mehrere Möglichkeiten haben. Weitere Informationen finden Sie in unserem ausführlichen Artikel zu diesem Thema.

Beispiel und Berechnung Kilometerpauschale und Pendlerpauschale

Der Arbeitgeber X von Pendler Y hat das Unternehmen kürzlich expandiert. Es gibt ab sofort mehrere Arbeitsorte für die Belegschaft. An zwei Tagen die Woche muss Pendler Y neben seiner ersten Tätigkeitsstätte A nun auch eine zweite Tätigkeitsstätte B zweimal wöchentlich aufsuchen. Für die Fahrten zur zweiten Tätigkeitsstätte kann er das Kilometergeld für Dienstreisen (Pendlerpauschale) geltend machen, da diese Fahrten nicht zur ersten Tätigkeitsstätte führen.

Daraus ergibt sich folgende Berechnung:

  • Erste Tätigkeitsstätte A: 35 km von der Wohnung entfernt, 3 Tage pro Woche.
  • Zweite Tätigkeitsstätte B: 10 km von der Wohnung entfernt, 2 Tage pro Woche.
  • Anzahl der Arbeitstage pro Jahr: 240 Tage (5 Tage/Woche * 48 Wochen/Jahr).

Berechnung der Pendlerpauschale für Tätigkeitsstätte A (erste Tätigkeitsstätte)

  • Arbeitstage an Tätigkeitsstätte A: 3 Tage/Woche * 48 Wochen/Jahr = 144 Tage/Jahr
  • Gesamtkilometer pro Jahr zur Tätigkeitsstätte A (einfache Wegstrecke)
  • 35 km/Tag * 144 Tage/Jahr = 5.040 km/Jahr

Pendlerpauschale A:

Bis zum 20. Kilometer

  • 20 km * 0,30 Euro/km = 6,00 Euro/Tag
  • 6,00 Euro/Tag * 144 Tage/Jahr = 864 Euro/Jahr

Ab dem 21. Kilometer (15 km)

  • 15 km * 0,38 Euro/km = 5,70 Euro/Tag
  • 5,70 Euro/Tag * 144 Tage/Jahr = 820,80 Euro/Jahr

Jahrespauschale für erste Tätigkeitsstätte A:

  • 864 Euro + 820,80 Euro = 1.684,80 Euro

Berechnung der Reisekostenpauschale (Kilometerpauschale) für Tätigkeitsstätte B (zweite Tätigkeitsstätte)

  • Arbeitstage an Tätigkeitsstätte B: 2 Tage/Woche * 48 Wochen/Jahr = 96 Tage/Jahr
  • Entfernung zur Tätigkeitsstätte B (einfache Wegstrecke): 10 km
  • Häufigkeit der Fahrten: 2x pro Woche
  • Reisekostenpauschale: 0,30 €/km

Berechnung der Reisekostenpauschale

  • 10 km/Tag * 2 Tage/Woche * 48 Wochen/Jahr * 2 (Hin- und Rückfahrt) = 1.920 km/Jahr
  • 2.080 km/Jahr * 0,30 €/km = 576,00 €.

Für die Fahrten zur Tätigkeitsstätte B kann Arbeitnehmer Y eine Reisekostenpauschale von 576,00 € pro Jahr geltend machen.

Wenn der Arbeitgeber X die Tätigkeitsstätte B als erste Tätigkeitsstätte festlegen würde, würde dies dazu führen, dass der Arbeitnehmer Y einen Teil seines Steuerabzugs verliert.

Steuerliche Auswirkungen – die Verpflegungspauschale

Die erste Tätigkeitsstätte spielt auch für die Berechnung und den Anspruch auf die Verpflegungspauschale eine Rolle. Bei Dienstreisen entstehen den Mitarbeitenden höhere Verpflegungskosten als im Alltag, da sie häufig in Restaurants essen müssen. Diese Mehrkosten werden durch die Verpflegungspauschale ausgeglichen, die je nach Dauer und Ort der Dienstreise unterschiedlich hoch ist. Erstattet werden nur die tatsächlichen Kosten.

Entscheidend für die Anwendung der Verpflegungspauschale ist somit, ob sich die Mitarbeitenden aus dienstlichen Gründen von der ersten Tätigkeitsstätte entfernen, sich also auf einer Dienstreise befinden.

Laut Gesetz müssen außerdem folgende Voraussetzungen erfüllt sein:

  • Die Mitarbeitenden müssen mehr als 8 Stunden aus beruflichen Gründen unterwegs sein.
  • Die Beschäftigten müssen selbst für die Verpflegungskosten auskommen. Sobald Vorgesetzte die Kosten für die Verpflegung während der Reise bzw. am Zielort übernimmt, wird die Pauschale entsprechend reduziert.

Julia Lehmann ist Schriftstellerin, Philosophin, Künstlerin und Übersetzerin und schreibt seit 3 Jahren über HR- und arbeitsbezogene Themen und Nachrichten.

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