Obwohl die Mitgliederzahlen seit Jahren rückläufig sind, sind die Gewerkschaften aus der Arbeitswelt nicht wegzudenken. Sie vertreten die Interessen der Arbeitnehmer*innen und spielen eine entscheidende Rolle bei der Verbesserung der Arbeitsbedingungen. Als Arbeitgeber kann es daher vorkommen, dass Sie mit Gewerkschaften verhandeln und Mitarbeiter*innen in Ihrem Unternehmen in Gewerkschaften organisiert sind. Daher ist es wichtig, sich mit dem Grundaufbau von und den Regelungen in Bezug auf Gewerkschaften vertraut zu machen.
Im Folgenden finden Sie die wichtigsten Grundinformationen über Gewerkschaften, wie sie organisiert sind und welche Aufgaben sie haben.
Key Facts
- Gewerkschaften vertreten die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Interessen der Arbeitnehmer*innen gegenüber den Arbeitgebern.
- Das Recht zur Bildung von Gewerkschaften ist im Grundgesetz verankert.
- Trotz ihrer wichtigen sozialpolitischen Rolle sinken die Mitgliederzahlen der Gewerkschaften aufgrund des Rückgangs traditioneller Industriezweige und veränderter Beschäftigungsformen.
- Definition: Was ist eine Gewerkschaft?
- Arbeitgeberverband
- Merkmale und Anforderungen an eine Gewerkschaft
- Was sind die Aufgaben von Gewerkschaften
- Welche Gewerkschaften gibt es in Deutschland?
- Was ist der Unterschied zwischen einem Betriebsrat und einer Gewerkschaft?
- Arbeitgeber und Gewerkschaften
Definition: Was ist eine Gewerkschaft?
Gewerkschaft: Vertretung der Interessen der Arbeitnehmer*innen
Eine Gewerkschaft ist eine Vereinigung, die die Interessen von abhängig beschäftigten Arbeitnehmer*innen gegenüber Arbeitgebern vertritt. In der Regel sind die einzelnen Gewerkschaften branchen- oder berufsspezifisch organisiert. Das bedeutet, dass eine Gewerkschaft die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Interessen eines bestimmten Berufs oder einer bestimmten Branche vertritt.
Gewerkschaft: Gesetzliche Grundlagen
Die Bedeutung von Gewerkschaften wird bereits in ihrer gesetzlichen Verankerung deutlich. Denn das Recht auf Bildung einer Gewerkschaft ist bereits im Grundgesetz, hier in Artikel 9 GG, verankert.
Entstehung von Gewerkschaften
Doch wie genau sind Gewerkschaften überhaupt entstanden? Wir geben im Folgenden einen kurzen historischen Überblick.
Industrialisierung und schlechte Arbeitsbedingungen
Die Entstehung der Gewerkschaften reicht bis in die Zeit der industriellen Revolution vor mehr als 150 Jahren zurück. Im 19. Jahrhunderts begann die Industrialisierung in Deutschland. Die Industrialisierung ging einher mit einem dramatischen Anstieg der Arbeitszeiten, schlechten Arbeitsbedingungen, fehlender sozialer Absicherung, prekären Wohnsituationen und niedrigen Löhnen.
Die Unzufriedenheit der Arbeiter*innen mit den Arbeitsbedingungen und ihrer Lebenssituation wuchs, daraufhin gründeten sich die ersten Arbeitervereine, die ersten Vorläufer der Gewerkschaften. Daraufhin forderten die Arbeitervereine Lohnerhöhungen und führten die ersten Streiks durch.
Nach vielen Rückschlägen, Erfolgen und Neugründungen entstand nach dem Zweiten Weltkrieg in Westdeutschland der Dachverband aller Gewerkschaften in Deutschland, der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB). Nach dem Mauerfall dehnte er seine Aktivitäten auch auf Ostdeutschland aus, dessen Gewerkschaftsbund aufgelöst wurde.
In ihrer Geschichte erreichten die Gewerkschaften zahlreiche Verbesserungen für die Arbeiter*innen, z.B:
- Einführung des Acht-Stunden-Tages
- Arbeitsschutzgesetze
- Kündigungsschutz (näheres zum Thema Kündigung erhalten Sie auf unserem Blog, so bspw. zu den Themen Kündigungsfrist, betriebsbedingte Kündigung oder ordentliche Kündigung)
- Sozialversicherungen
- Tarifverträge
Sinkende Mitgliedszahlen
Gewerkschaften sind nach wie vor wichtige Akteure in der Sozialpolitik. Allerdings ist die Zahl der Gewerkschaftsmitglieder in den letzten Jahren stark zurückgegangen, was vor allem auf den Niedergang der Industriezweige zurückzuführen ist, in denen die meisten Gewerkschaftsmitglieder tätig waren, wie z.B. Bergbau, Eisen- und Stahlindustrie oder auch die Textilindustrie. Ein großer Teil des produzierenden Gewerbes wurde darüber ins Ausland verlagert.
Der Dienstleistungssektor in Deutschland, in dem die Beschäftigten traditionell nicht gewerkschaftlich organisiert waren, expandierte dagegen sehr stark. Gleichzeitig ist der starke Anstieg von Leiharbeiter*innen, Teilzeitbeschäftigten, Minijobber*innen, Plattformbeschäftigten und die Vereinzelung der Arbeiter*innen ein weiterer Grund für die Abnahme der Mitgliederzahlen.
Hinzu kommt, dass viele Menschen nicht mehr ihr ganzes Leben lang in einer einzigen Berufssparte beschäftigt sind. Der Arbeitsplatzwechsel ist häufig geworden und damit auch die Bereitschaft, für seine Rechte zu kämpfen.
Statistik zur Mitgliedschaft im Deutschen Gewerkschaftsbund
Hatte der DGB im Jahr 1994 noch fast 10 Millionen Mitglieder, ist diese Zahl mittlerweile auf etwa 5,7 Millionen Mitglieder im Jahr 2023 gesunken.
Arbeitgeberverband
Der Gegenpol zu einer Gewerkschaft ist ein Arbeitgeberverband. Hier schließen sich die Arbeitgeber verschiedener Unternehmen (oftmals aus gleicher oder ähnlicher Branche) zum Zwecke der gemeinsamen Interessenvertretung gegenüber Gewerkschaften und Staat zusammen.
Merkmale und Anforderungen an eine Gewerkschaft
Wie genau ist die Organisation einer Gewerkschaft nun aufgebaut? Welche Anforderungen an die Bildung einer Gewerkschaft gibt es? Im Folgenden gehen wir die wichtigsten Merkmale Schritt für Schritt durch:
Wer darf eine Gewerkschaft gründen?
Alle deutschen Bürger*innen haben in Deutschland laut Grundgesetz das Recht, Vereine und Gewerkschaften zu bilden. Allerdings sind Organisationen verboten, die „den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richten“.
Wer kann Gewerkschaftsmitglied sein?
In Deutschland kann grundsätzlich jede*r Arbeitnehmer*in Mitglied einer Gewerkschaft werden.
Dazu gehören: Beschäftigte aller Branchen, Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigte, Auszubildende und Studierende, Beamte, Pensionär*innen und Rentner*innen und auch Erwerbslose.
Selbstständige und Unternehmer*innen können nicht Gewerkschaftsmitglieder werden.
Wie finanzieren sich Gewerkschaften?
Gewerkschaften finanzieren sich in Deutschland über Mitgliedsbeiträge.
Welche Anforderungen gibt es an Gewerkschaften?
Die Anforderungen an Gewerkschaften ergeben sich nicht aus einem Gesetz, sondern aus mehreren Gesetzen, hier vor allem dem Grundgesetz und dem Tarifvertragsgesetz (TVG).
- Gewerkschaften sind demokratisch organisiert und der Zusammenschluss erfolgt auf freiwilliger Basis.
- Sie sind auf eine bestimmte Dauer ausgelegt.
- Eine Gewerkschaft vertritt die Interessen von Arbeitnehmern*Arbeitnehmerinnen. Das sind Angestellte, Arbeiter*innen und auch Beamte.
- Das Ziel von Gewerkschaften muss die Förderung von guten Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen sein.
- Gewerkschaften müssen gegnerfrei sein. Arbeitgeber bspw. dürfen nicht Mitglied in der Gewerkschaft sein.
- Gewerkschaften müssen darüber hinaus tariffähig sein. Was bedeutet das?
- Mächtigkeitsprinzip: Die Gewerkschaft muss eine ausreichende Zahl von Mitgliedern in der betreffenden Branche oder dem betreffenden Betrieb haben. Je mehr Mitglieder eine Gewerkschaft hat, desto größer ist ihre Verhandlungsmacht.
- Tariffähigkeit: Die Gewerkschaft muss bereit sein, Tarifverträge abzuschließen. Dazu gehört auch die Bereitschaft, mit dem Arbeitgeber in einen Konflikt zu gehen, wenn es zu keiner Einigung kommt. Zudem muss eine Gewerkschaft sämtliche Interessen der Arbeitnehmer*innen vertreten. Das bedeutet, dass sie sich nicht nur auf wirtschaftliche Interessen wie Löhne oder Gehälter beschränken dürfen.
- Durchsetzungsbereitschaft: Die Gewerkschaft muss willens und in der Lage sein, ihre Forderungen durchzusetzen. Dazu gehört z.B. die Bereitschaft, Streiks zu organisieren.
Abgrenzung zu anderen Ländern – Beispiel Frankreich
Die Gewerkschaften sind nicht überall gleich organisiert. Während in Deutschland die Gewerkschaften nach Branchen oder Berufen organisiert sind, sind sie in Frankreich politisch. Das heißt, es gibt eine sozialistische, eine christdemokratische oder auch eine sozialdemokratische Gewerkschaft.
Ein weiterer großer Unterschied zwischen Frankreich und Deutschland ist das Streikrecht. In Frankreich darf jeder streiken. In Deutschland muss ein Streik zwingend von einer Gewerkschaft ausgerufen werden, sonst würde dieser ein wilder Streik und damit unzulässig sein. Darüber hinaus sind Streiks in Deutschland nur zulässig, wenn es um tarifvertraglich regelbare Forderungen geht. In Frankreich hingegen ist auch ein politischer Streik zulässig.
Was sind die Aufgaben von Gewerkschaften?
Hauptziel von Gewerkschaften ist die Förderung von besseren Arbeitsbedingungen für Arbeitnehmer*innen, also Angestellten, Arbeiter*innen und Beamt*innen. Um das zu erreichen, haben Gewerkschafter*innen folgende Aufgaben:
Tarifverträge: Tarifverträge aushandeln, die Löhne, Gehälter, Arbeitszeiten und andere Arbeitsbedingungen festlegen.
Arbeitsschutz: Gewerkschaften setzen sich für sichere und gesunde Arbeitsbedingungen ein.
Rechtsberatung, Rechtsschutz und Rechtsvertretung: Gewerkschaften unterstützen ihre Mitglieder in arbeitsrechtlichen Fragen. Sie vertreten sie darüber hinaus auch vor Arbeits- und Sozialgerichten.
Mitbestimmung: Gewerkschaften fördern die Mitbestimmungsrechte der Arbeitnehmer*innen in Betriebsräten und Aufsichtsräten.
Politische Einflussnahme: Gewerkschaften nehmen darüber hinaus Einfluss auf arbeitsmarktpolitische Entscheidungen, Gesetze und die Politik. Sie leisten Lobbyarbeit für die arbeitnehmende Bevölkerung.
Streiks: Zum Erreichen der gewerkschaftlichen Ziele rufen Gewerkschaften zu Streiks auf.
Welche Gewerkschaften gibt es in Deutschland?
Gewerkschaften sind in Deutschland in Dachverbände und Einzelverbände organisiert. Was ist der Unterschied?
Im Gegensatz zu einem Einzelverband ist ein Dachverband ein Zusammenschluss mehrerer Einzelgewerkschaften, die in der Regel in verwandten Branchen oder Berufsfeldern tätig sind. Er übernimmt eher übergeordnete Aufgaben und keine direkten tarifpolitischen Verhandlungen mit den Arbeitgebern wie ein Einzelverband.
Dachverbände und Einzelverbände
In Deutschland gibt es 3 Dachverbände.
Der mit Abstand größte Dachverband für Gewerkschaft ist der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB). Hier sind etwa 5,7 Millionen Mitglieder organisiert.
Dem Deutschen Gewerkschaftsbund gehören acht Einzelverbände an. Diese sind:
- IG Metall (IGM)
- Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di)
- Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE)
- Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU)
- Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten (NGG)
- Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG)
- Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW)
- Gewerkschaft der Polizei (GdP)
Den mit Abstand größten Anteil machen ver.di und IG Metall mit jeweils etwa 2 Millionen Mitglieder aus.
Was macht der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB)?
Der DGB vertritt die Interessen seiner Mitglieder gegenüber Politik, Arbeitgebern und Öffentlichkeit. Darüber hinaus engagiert sich der DGB in der internationalen Zusammenarbeit mit anderen Gewerkschaften weltweit.
Weitere Dachverbände
Darüber hinaus gibt es noch
- den Deutschen Beamtenbund (DBB) (etwa 1,3 Millionen Mitglieder)
- den Christlichen Gewerkschaftsbund Deutschland (CGD) (über 280.000 Mitglieder)
Was ist der Unterschied zwischen einem Betriebsrat und einer Gewerkschaft?
Obwohl Betriebsrat und Gewerkschaft die Interessen der Arbeitnehmer*innen vertreten, sind sie nicht identisch.
Ein Betriebsrat ist eine Vertretung der Arbeitnehmer*innen innerhalb eines bestimmten Unternehmens, die sich um innerbetriebliche Belange und Mitbestimmungsrechte kümmert. Eine Gewerkschaft hingegen ist nicht auf ein bestimmtes Unternehmen beschränkt. Sie ist eine überbetriebliche Organisation, die die Interessen der Arbeitnehmer*innen branchenweit vertritt und Tarifverhandlungen führt.
Arbeitgeber und Gewerkschaften
Sind Arbeitgeber verpflichtet mit Gewerkschaften zusammenzuarbeiten?
Grundsätzlich sind Arbeitgeber nicht verpflichtet, mit Gewerkschaften zu verhandeln. Die Verhandlungspflicht hängt davon ab, ob der Arbeitgeber tarifgebunden ist oder nicht.
Was bedeutet Tarifbindung?
Ist ein Arbeitgeber Mitglied in einem Arbeitgeberverband, der mit Gewerkschaften Tarifverträge abschließt, ist er tarifgebunden und muss die Tarifverträge anwenden.
In diesem Fall ist der Arbeitgeber zumindest mittelbar über den Arbeitgeberverband faktisch verpflichtet, mit der Gewerkschaft zu verhandeln.
Arbeitgeber können auch freiwillig Haus- oder Firmentarifverträge direkt mit Gewerkschaften abschließen.
Haben Arbeitgeber Einsicht, welche Beschäftigten in einer Gewerkschaft organisiert sind?
Nein. Arbeitgeber erfahren nicht, welche Beschäftigten im Unternehmen Gewerkschaftsmitglieder sind und welche nicht.