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Mitarbeitergesundheit

Gleichstellungsantrag stellen: Voraussetzungen, Vor- & Nachteile

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4 Minuten Lesezeit
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Selbst wenn kein anerkannter Schwerbehinderungsgrad vorliegt, kann dieser mithilfe von einem Gleichstellungsantrag erwirkt werden – zumindest im beruflichen Kontext. Warum das für Betroffene eine durchaus sinnvolle Option ist, worauf zu achten ist und weshalb die Gleichstellung keinesfalls nur Vorteile mit sich bringt – all das erfahren Sie nachfolgend in kompakter Form.

Das Wichtigste in Kürze

  1. Mit einem Gleichstellungsantrag werden Menschen mit einem Grad der Behinderung von 30 oder 40 im berufsrechtlichen Sinne Menschen mit Schwerbehinderung gleichgestellt.
  2. Der Antrag wird bei der Agentur für Arbeit gestellt und dient allen voran dem Ausgleich von bereits existenten Nachteilen, die die vorliegende Behinderung mit sich bringt.

Gesetzliche Grundlage

Sowohl die Voraussetzungen für den Gleichstellungsantrag als auch die Vorgehensweise sind im Neunten Sozialgesetzbuch (SGB IX) in § 2 geregelt. Die Entscheidung darüber, ob dem Antrag stattgegeben wird, obliegt der Agentur für Arbeit.

Was ist ein Gleichstellungsantrag?

Der Gleichstellungsantrag dient Menschen mit einem Grad der Behinderung (kurz: GdB) von 30 oder 40. Betroffene erwirken damit nahezu die gleichen berufsrechtlichen Vorteile, die Menschen mit anerkannter Schwerbehinderung erhalten – auch wenn keine medizinische Schwerbehinderteneinstufung vorliegt.

Der Erwerb der Schwerbehinderteneigenschaft soll Menschen mit Behinderung eine einfachere Teilhabe am Arbeitsleben ermöglichen. Im Fokus stehen dabei vor allem zwei Szenarien: Betroffene würden ohne die Gleichstellung ihren Arbeitsplatz verlieren und/oder keinen neuen Arbeitsplatz finden.

Wie die Arbeitsagentur informiert, waren im Jahr 2023 etwa 202.000 Menschen „gleichgestellt“. Sie hatten also keine medizinische Schwerbehinderung, konnten ihren Grad der Behinderung von 30 oder 40 aber der Schwerbehinderung gleichsetzen lassen.

Welche Voraussetzungen braucht man für Gleichstellung?

Um den Gleichstellungsantrag zur Schwerbehinderung stellen zu dürfen, müssen alle drei nachfolgenden Voraussetzungen erfüllt sein:

  1. Es muss ein anerkannter Grad der Behinderung von mindestens 30, aber niedriger als 50 vorliegen.
  2. Wohnsitz, Aufenthalt oder Arbeitsplatz müssen sich rechtmäßig in Deutschland befinden.
  3. Es ist ein Nachweis beziehungsweise eine nachvollziehbare Begründung zu erbringen, warum ohne die Gleichstellung der eigene Arbeitsplatz gefährdet wäre.

Während die ersten beiden Voraussetzungen relativ eindeutig zu beurteilen sind, ist Punkt 3 etwas individueller. Die „Gefährdung“ des Arbeitsplatzes kann in vielfältiger Weise vorliegen:

  • durch die vorliegende Behinderung entstehen häufiger Fehlzeiten
  • Arbeitnehmende mit Behinderung sind weniger belastbar als vom Arbeitgebenden vorausgesetzt
  • Betroffenen fehlt es an Mobilität, was die Arbeitsleistung oder Übertragung einzelner Aufgaben gefährdet
  • es ist eine kontinuierliche Unterstützung durch Kolleg*innen notwendig

Was bringt mir der Gleichstellungsantrag?

Im Fokus der Gleichstellung steht der Erwerb zusätzlicher Rechte. Diese genießen Schwerbehinderte im Arbeitsleben, aber nicht Menschen mit einem Grad der Behinderung zwischen 30 und 50. Folglich ist das Ziel immer, diese zusätzlichen Rechte zu erhalten, um im Gegenzug den eigenen Arbeitsplatz zu sichern. Ebenso, um beispielsweise über das Schwerbehindertengesetz Zugang zu potenziellen neuen Arbeitsplätzen zu erhalten.

Sofern Sie mehr über das Schwerbehindertengesetz wissen möchten, können Sie einen Blick auf unseren separaten Blog dazu werfen.

Gleichstellungsantrag: Vorteile auf einen Blick

  • Nach erfolgter Gleichstellung erhalten Betroffene einen besonderen, verbesserten Kündigungsschutz nach dem § 168 vom Neunten Sozialgesetzbuch.
  • Unternehmen erhalten Zuschüsse für die Anstellung von Schwerbehinderten. Nach einer Gleichstellung kann das die Chancen betroffener Arbeitnehmender auf eine Anstellung steigern.
  • Gleichgestellte erhalten Zugriff auf eine Betreuungsmöglichkeit durch spezialisierte Fachdienste und Hilfsmittel zur Arbeitsplatzausstattung.
  • Auf eigenen Wunsch können sie sich von Mehrarbeit freistellen lassen.

Wichtig: Die Gleichstellung erfolgt nur im beruflichen Kontext. Betroffene erhalten also keinen Schwerbehindertenausweis oder andere erweiterte Rechte, die Menschen mit medizinischem Schwerbehindertengrad genießen. Das bringt uns zu den Nachteilen beziehungsweise Einschränkungen.

Gleichstellungsantrag: Nachteile, die Sie kennen müssen

Grundlegend bringt die Gleichstellung natürlich Vorteile mit sich. Die „Nachteile“ sind mehr als Einschränkungen gegenüber Menschen mit anerkannter medizinischer Schwerbehinderung zu verstehen – da nicht alle Rechte auf die gleichgestellten Personen übertragen werden.

Diese Ansprüche gelten selbst nach erfolgreicher Gleichstellung nicht:

  • es gibt keinen Zusatzurlaub (Schwerbehinderte haben fünf Urlaubstage zusätzlich)
  • es gibt keine Steuererleichterungen (Schwerbehinderte haben höhere Freibeträge)
  • es ist keine unentgeltliche Nutzung des ÖPNV möglich (diese ist an den Schwerbehindertenausweis gekoppelt)

Die Gleichstellung kann also die Chancen auf eine Anstellung oder den Erhalt des Arbeitsplatzes steigern. Sie kann aber nicht die indirekten Vorteile und Benefits sichern, die an den medizinisch begründeten Schwerbehindertenausweis gebunden sind.

Des Weiteren ist zumindest indirekt als Nachteil die notwendige Mehrarbeit in Form der Antragstellung zu nennen. Außerdem könnten Betroffene, durch die Gleichstellung gegenüber Schwerbehinderten im beruflichen Rahmen, eine Stigmatisierung fürchten. Das ist aber sehr subjektiv und längst nicht die Norm.

FAQ – Häufige Fragen und Antworten

Welche Gründe gibt es für Gleichstellung?

Die Gründe sind immer in den nach der Gleichstellung verbesserten beruflichen Möglichkeiten zu finden: Da Unternehmen Unterstützung für Schwerbehinderte und selbige Zugriff auf berufliche Fördermittel erhalten.

Was bedeutet Gleichstellung bei 30 % Schwerbehinderung?

Bei einem Grad der Behinderung von 30 ist es möglich, einen Gleichstellungsantrag zu stellen. Wird er bewilligt, gelten diese Personen berufsrechtlich fortan im weitesten Sinne als schwerbehindert.

Welche Mustersätze für Gleichstellungsantrag nutzen?

„Hiermit beantrage ich die Gleichstellung mit schwerbehinderten Menschen. Ohne eine Gleichstellung sehe ich meinen Arbeitsplatz aufgrund vorliegender gesundheitlicher Einschränkungen gefährdet.“

Eine derartige Formulierung ist typischerweise bereits ausreichend. Die Agentur für Arbeit verlangt immer eine kurze, individuelle und nachvollziehbare Begründung, warum eine Gleichstellung erforderlich ist.

Als Content Managerin bei Factorial verbindet Antonia Grübl fundiertes Know-how in HR-Kommunikation mit einem Gespür für aktuelle Entwicklungen in der Arbeitswelt. Sie übersetzt komplexe Zusammenhänge in Inhalte, die wirken – für HR-Teams, Führungskräfte und Entscheider*innen. Ihr Ziel: Orientierung geben, die Digitalisierung begleiten und New Work greifbar machen.