Rund 28 Überstunden hat jeder Arbeitnehmer bzw. jede Arbeitnehmerin 2024 in Deutschland geleistet. Mehr als die Hälfte davon unbezahlt. Das ergab die Arbeitszeitberechnung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Insgesamt fallen 638 Millionen Überstunden jährlich an. Damit Überstunden, die vom Arbeitgebenden angeordnet werden, als durch das Gehalt abgegolten gelten können, ist eine klare rechtliche Grundlage erforderlich. Was man bei der Vertragsgestaltung beachten muss und wie Arbeitgebende sicherstellen können, eine gerechte Regelung für Überstunden zu erreichen, erklären wir in diesem Artikel.
Das Wichtigste in Kürze
- Pauschale Überstundenregelungen im Arbeitsvertrag sind oft unwirksam, wenn sie nicht klar angeben, wie viele Überstunden vom Mitarbeitenden erwartet werden dürfen – das verstößt gegen das Transparenzgebot des BGB.
- Ein Arbeitsvertrag darf Überstunden nur dann mit dem Gehalt abgelten, wenn deren Umfang eindeutig definiert ist – unklare Formulierungen wie „üblicher Rahmen“ reichen nicht aus und sind rechtlich angreifbar.
Gesetzliche Grundlage
- Eine lückenlose Arbeitszeiterfassung ist Pflicht, um gesetzliche Höchstarbeitszeiten und Pausenregelungen nachweislich einzuhalten – das hat das Bundesarbeitsgericht 2022 entschieden (Az. 1 ABR 22/21).
- Regelungen von Überstunden: mit Gehalt abgegolten?
- Rechtliche Vorgaben zur Abgeltung von Überstunden
- Rechte und Pflichten: keine pauschale Abgeltung von Überstunden
- Überstundenmanagement
- Lösungsansätze für Überstunden
- Fazit
Regelungen von Überstunden: mit Gehalt abgegolten?
Häufig sind Vereinbarungen zur Abgeltung von Überstunden mit dem Gehalt Bestandteil von Arbeitsverträgen. Darin wird dann pauschal festgelegt, dass alle anfallenden Überstunden bereits durch das Gehalt abgegolten sind, egal wie viele anfallen. Mit solchen Klauseln will der Arbeitgebende einen zusätzlichen Verwaltungsaufwand vermeiden – und Geld sparen. Das Bundesarbeitsgericht erklärte diese Art Klauseln jedoch schon 2010 für unwirksam. Denn, so hieß es im Urteil, die Klausel lasse unklar, wie viele Überstunden von den Arbeitnehmenden in solchen Fällen konkret erwartet werden können. Laut § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB müssen Inhalte des Arbeitsvertrags eindeutig und verständlich sein.
Problematisch wird es vor allem dann, wenn der Umfang der Überstunden in Arbeitsverträgen nicht definiert ist, die Bedingungen für ihre Notwendigkeit unklar sind oder die Überstunden, die geleistet werden müssen, das übliche Maß überschreiten. Das Gericht befand, solch unklare Regeln benachteiligen Arbeitnehmende in unangemessener Weise. Sie halten daher der rechtlichen Prüfung oft nicht stand. Arbeitgebende sind daher angehalten, auf transparente und nachvollziehbare Vereinbarungen zu achten, um rechtssichere und faire Arbeitsbedingungen zu schaffen.
Rechtliche Vorgaben zur Abgeltung von Überstunden
Das Gesetz schreibt Arbeitgebenden vor, dass sie die gesetzlich festgelegten Höchstarbeitszeiten sowie Pausenregelungen einhalten müssen. Sie sind verpflichtet, diese Vorgaben mit einer lückenlosen Arbeitszeiterfassung nachzuweisen. Das entschied das Bundesarbeitsgericht 2022 (Az. 1 ABR 22/21). Diese Entscheidung floss in den Gesetzentwurf zum Arbeitsrecht vom 2023 ein. Dabei müssen Arbeitgebende für jeden Beschäftigtem Beginn, Ende und Dauer der Arbeitsstunden und auch deren Überstunden genau dokumentieren.
Abweichende Regelungen für leitende Angestellte
Bei der Gestaltung von Überstundenregelungen müssen sie besonders darauf achten, dass diese nicht im Widerspruch zu den Arbeitszeitgrenzen des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG) stehen.
Für leitende Angestellte gelten etwas andere Regelungen. Diese unterliegen nicht dem ArbZG und sind daher von vielen Vorgaben befreit, zum Beispiel bei der täglichen Höchstarbeitszeit, bei der Arbeit an Sonn- und Feiertagen oder auch was die Vergütung von Überstunden angeht. Diese kann bei leitenden Angestellten deutlich flexibler geregelt werden.
Rechte und Pflichten: keine pauschale Abgeltung von Überstunden
Wenn Arbeitnehmende deutlich mehr arbeiten, als es in ihrem Arbeitsvertrag vorgesehen ist, spricht man von Überstunden, wenn dies aus betrieblichen Gründen geschieht.
In vielen Arbeitsverträgen steht die Klausel, dass Überstunden mit dem Gehalt abgegolten sind. Das bedeutet, dass für zusätzliche Arbeitszeit kein gesonderter Ausgleich erfolgt, etwa durch Zeit oder einen Überstundenzuschlag. In gewissen Einzelfällen ist dies zwar rechtlich zulässig, eine pauschale Abgeltung aller Überstunden durch das Gehalt ist jedoch rechtlich unwirksam.
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat 2010 entschieden, dass ungenaue Formulierungen wie übliche Überstunden oder geringfügiger Umfang nicht rechtskonform und damit unzulässig sind. Solche Angaben seien zu unbestimmt und verletzen das gesetzlich verankerte Transparenzgebot. Damit Klauseln des Arbeitsvertrags rechtlich gesichert sind, muss für die Arbeitnehmenden klar erkennbar sein, wie viele Überstunden von ihnen erwartet werden können, denn nur durch eindeutige Absprachen lässt sich eine faire und rechtssichere Abgeltung von Mehrarbeit gewährleisten.
Überstundenmanagement
Wenn Überstunden in begrenztem Rahmen pauschal mit dem Gehalt abgegolten werden, kann dies den Verwaltungsaufwand bei der Lohnabrechnung reduzieren. Außerdem sparen Arbeitgebende das zusätzliche Gehalt. Doch zu allgemein gehaltene oder unklare Vereinbarungen bergen Konfliktpotenzial zwischen Arbeitgebenden und Arbeitnehmenden.
Eine rechtlich sichere und nachvollziehbare Regelung zu Überstunden ist daher unerlässlich – doch damit ist es nicht getan. Zusätzlich ist eine präzise Erfassung der geleisteten Arbeitszeit gesetzlich vorgeschrieben. Nur mit einer systematischen Arbeitszeiterfassung lassen sich Überstunden korrekt dokumentieren und abrechnen.
Tipp
Mit der Software von Factorial verwalten Sie die Arbeitszeiten Ihrer Teams, ohne Zeit zu verschwenden: einfach, flexibel und von einem Ort aus. Erfassen Sie Arbeitszeiten mühelos von jedem Gerät und gewährleisten Sie gesetzliche Konformität und Genauigkeit. Automatisieren Sie Abwesenheitsanträge und Genehmigungen und behalten Sie die verbleibenden Urlaubstage Ihrer Mitarbeitenden im Blick.
Lösungsansätze für Überstunden
Vertraglich zu vereinbaren, dass Überstunden in begrenztem Umfang mit dem Gehalt abgegolten werden, ist grundsätzlich rechtswirksam umsetzbar. Aber im Zusammenhang mit familiären Verpflichtungen der Angestellten gibt es dabei einige Unsicherheiten – vor allem bei der Planung.
Das Thema kann schnell zu Streitereien zwischen Arbeitnehmenden und Arbeitgebenden führen, zum Beispiel wenn Mehrarbeit zu oft anfällt und dann auch noch ohne Freizeitausgleich oder eine entsprechende finanzielle Vergütung. Daher ist es ratsam, vertraglich zu einer fairen Regelung zu gelangen, die Rechte und Pflichten rund um Überstunden umfassend regelt.
Diese sollte vor allem klar und transparent sein. Die Mitarbeitenden müssen erkennen können, unter welchen Umständen sie der Anordnung von Überstunden Folge leisten müssen. Außerdem sollten die Überstunden, die mit dem Gehalt abgegolten sind, angemessen begrenzt sein. Dabei bietet es sich an, branchenüblich zu verfahren.
Zusätzliche Überstunden, die nicht dem Gehalt abgegolten werden, sollten im Arbeitsvertrag auf faire Weise ausgeglichen werden – entweder mit einem Zeitausgleich oder einer angemessenen finanziellen Vergütung.
Fazit
Alle Überstunden pauschal durch das Gehalt abzugelten, ist rechtlich unzulässig, wenn der Umfang der Mehrarbeit nicht klar definiert ist. Damit Überstunden mit einer entsprechenden Klausel wirksam im Arbeitsvertrag geregelt werden können, müssen sie transparent und für die Mitarbeitenden nachvollziehbar gestaltet werden.
Arbeitgebende müssen sich an gesetzlichen Vorgaben orientieren und Überstunden ganz genau dokumentieren. Nur so können sie faire Arbeitsbedingungen schaffen und eventuelle rechtliche Risiken vermeiden. Eine klare, gerechte und überprüfbare Überstundenregelungen sorgt für Sicherheit auf beiden Seiten und beugt möglichen Konflikten im Arbeitsverhältnis vor.