Geschäfte tätigen, ohne Geschäftsführer*in zu sein? Genau das macht ein*e Prokurist*in. Was alles mit dieser Position im Unternehmen verbunden ist, welche Befugnisse und Beschränkungen ein*e Prokurist*in hat und wann es sinnvoll ist, eine solche Person in Ihrem Betrieb einzusetzen, erfahren Sie im folgenden Artikel.
Key Facts
- Ein*e Prokurist*in ist ein Mitarbeitender, der dazu befugt ist, ein Unternehmen rechtlich zu vertreten und wichtige geschäftliche Entscheidungen zu treffen, ohne dabei Geschäftsführer*in zu sein.
- Im Organigramm sind Prokurist*innen direkt unter der Geschäftsführung angesiedelt, können jedoch keine grundlegenden strategischen Änderungen oder Prokura-Erteilungen vornehmen.
- Bei Verstößen hängt die Haftung eines*r solchen Vertreter*in vom Ausmaß der Rechtswidrigkeit und Fahrlässigkeit sowie den internen Unternehmensrichtlinien ab. Besonders risikoreich ist dabei die sogenannte Haftungsfalle.
- Was versteht man unter ein*er Prokurist*in? – Definition
- Typische Aufgaben eines*r Prokurist*in
- Wie viel verdient ein*e Prokurist*in?
- Wann macht es Sinn, Prokurist*innen im Unternehmen einzustellen?
- Welche Voraussetzungen sollte ein*e Prokurist*in mitbringen?
- Handlungsspielraum und Haftung
Was versteht man unter ein*er Prokurist*in? – Definition
Ein*e Prokurist*in ist ein Mitarbeitender eines Unternehmens, der befugt ist, dieses in rechtlichen Angelegenheiten zu vertreten. Er bzw. sie übernimmt eine hohe Verantwortung und gestaltet geschäftliche Prozesse und Entscheidungen maßgeblich mit. Dies kann eine große Entlastung für die Geschäftsführung bedeuten.
Hierarchisch gesehen ist die Position Prokurist*in direkt unter der Unternehmensführung angesiedelt. Intern wie auch extern besitzt er bzw. sie weitreichende Weisungsbefugnisse und hat die Vertretungsmacht inne.
Prokurist*innen gibt es in fast allen Branchen und Bereichen. Insbesondere größere Firmen stellen auch oft mehrere solcher Vertreter*innen ein – die Anzahl an Prokurist*innen in einem Unternehmen ist dabei nicht begrenzt.
Herleitung
„Prokurist*in“ leitet sich von dem Begriff „Prokura“ ab. Diese ermächtigt laut §49 HGB (Handelsgesetzbuch) die betreffende Person „zu allen Arten von gerichtlichen und außergerichtlichen Geschäften und Rechtshandlungen, die der Betrieb eines Handelsgewerbes mit sich bringt.“
Prokura erteilen darf nur der oder die Unternehmensinhaber*in bzw. gesetzliche Vertreter*in. Dies ist nicht übertragbar. Prokurist*innen selbst können keine Prokura erteilen. Die Ernennung eines*r Prokurist*in wird im Handelsregister eingetragen.
Geschäftliche Aktivitäten wie das Unterzeichnen von Verträgen durch eine*n Prokurist*in erkennen Sie an dem Zusatz „pp“ oder „ppa“.
Was für Arten der Prokura gibt es?
Eine Erteilung der Prokura kann auf drei verschiedene Arten erfolgen:
- Einzelprokura: Einzelvertretung ohne Abstimmung mit anderen Personen
- Gesamtprokura: Gemeinsames Handeln mehrerer Prokurist*innen unter gegenseitiger Absprache erforderlich
- Filialprokura: Vertretung der Rechtsgeschäfte auf bestimmte Filialen begrenzt
Prokura vs. Handlungsvollmacht
Prokura und Handlungsvollmacht sind beides Vertretungsformen, allerdings mit dem Unterschied, dass ein*e Prokurist*in sehr viel mehr Befugnisse hat als ein Mitarbeitender mit Handlungsvollmacht. Letztere ist in §54 HGB festgelegt und individueller gestaltbar, das heißt auf spezifische Tätigkeiten beschränkt. Im Gegensatz zur Prokura ist die Handlungsvollmacht nicht an eine Registereintragung gebunden.
Ein Beispiel: Ein*e Prokurist*in kann ohne vorherige Abstimmung mit der Geschäftsführung Verträge über hohe Beiträge abschließen, während ein Mitarbeitender mit Handlungsvollmacht das Budget nur bis zu einem gewissen Betrag ausreizen kann.
Typische Aufgaben eines*r Prokurist*in
Was genau macht denn jetzt aber ein*e Prokurist*in? Prokurist*innen können unter anderem folgende Verantwortungsbereiche übernehmen:
- Verträge abschließen
- Geschäftsstrategien entwickeln
- Personalentscheidungen treffen
- Rechnungswesen überwachen
- Kunden- und Lieferantenbeziehungen pflegen
- Marketingstrategien planen
- Verhandlungen führen
- Rechtliche Angelegenheiten bearbeiten
- Geschäftsberichte erstellen
- Compliance kontrollieren
- Lizenzen beantragen
- Waren beschaffen
- Geschäftsreisen organisieren
Wie viel verdient ein*e Prokurist*in?
Wie Sie sehen, sind Prokurist*innen nicht nur direkt unterhalb der Geschäftsführung angesiedelt, sondern tragen auch eine hohe Verantwortung und haben einen vielfältigen Aufgabenbereich, in dem sie tätig sind. Entsprechend hoch ist auch das Gehalt eine*s Prokurist*in:
In Deutschland verdient man in dieser Rolle durchschnittlich 70.000 bis 120.000 Euro brutto pro Jahr. Dieser Betrag kann abhängig von Branche und Unternehmen natürlich variieren.
Wann macht es Sinn, Prokurist*innen im Unternehmen einzustellen?
- Unternehmenswachstum: Expandiert ein Betrieb, kann es notwendig sein, Verantwortungsbereiche abzugeben. An dieser Stelle kommen Prokurist*innen mit einer entlastenden Funktion ins Spiel. Beispielsweise kann die Geschäftsführung sich auf strategische Aufgaben fokussieren, während ein*e Prokurist*in den operativen Tätigkeiten nachgeht.
- Expertise: Prokurist*innen bringen in der Regel eine hohe Fachkompetenz mit und spezifische Kenntnisse, welche für strategische Entscheidungen und hinsichtlich der Umsetzung der Geschäftsziele hilfreich sein können. Des Weiteren können Vertreter*innen in leitenden Funktionen bei der Optimierung von internen Prozessen unterstützen.
- Mehr Flexibilität: Manchmal kann es vorkommen, dass eine schnelle Reaktion notwendig ist, beispielsweise aufgrund von Marktveränderungen etc. Mithilfe eines*r Prokurist*in muss nicht der Umweg über die Geschäftsführung gegangen werden.
Welche Voraussetzungen sollte ein*e Prokurist*in mitbringen?
Prokurist*in ist kein Beruf, den man einfach so erlernen kann, sondern eine Position, die umfangreiche Kenntnisse und vor allem Erfahrung in Führungspositionen verlangt. Als Unternehmen, das auf der Suche nach einem*r Prokurist*in ist, können Sie dies über eine gewöhnliche Stellenausschreibung lösen.
Viele Unternehmen wählen aber auch eine interne Person aus, der sie diese wichtige Rolle überlassen wollen. Der Grund dafür: Sie kennen den entsprechenden Mitarbeitenden in der Regel bereits und können genügend Vertrauen entgegenbringen. Außerdem hat der Arbeitnehmende schon einen umfangreichen Einblick in die Struktur und Vorgehensweise im Unternehmen sowie Insights gewonnen, welche für solch wichtige Entscheidungen von Vorteil sind.
Handlungsspielraum und Haftung
Prokurist*innen sind zwar einflussreiche Angestellte, haben jedoch nicht die gleichen Befugnisse wie Geschäftsführende bzw. Unternehmensinhaber*innen. Sie können also z. B. nicht einfach eine grundlegende Änderung der Geschäftsausrichtung beschließen oder wichtige strategische Entscheidungen treffen. Folgende Punkte liegen außerhalb ihres Handlungsspielraums:
- Unterzeichnen von Jahresabschlüssen oder Bilanzen
- Ablegen von Eiden im Namen der Geschäftsführung
- Prokura an andere Personen vergeben (aber Handlungsvollmachten)
- Anträge zur Eintragung im Handelsregister stellen
- Kündigungen oder Neuanstellungen von Gesellschafter*innen vornehmen
- das Unternehmen verkaufen oder auflösen
Wofür haftet ein*e Prokurist*in?
Eine so große Entscheidungsgewalt ist natürlich auch mit einem gewissen Haftungsrisiko verbunden. Daher müssen die Vertreter*innen bei allen ihren Handlungen darauf achten, dass sie die Unternehmensvorschriften einhalten und beispielsweise keine Verträge abschließen, die rechtswidrig sind, schwerwiegende finanzielle oder sogar strafrechtliche Konsequenzen haben können. In einem solchen Fall haftet nämlich der bzw. die Prokurist*in.
Ob und in welchem Umfang Prokurist*innen haften, hängt davon ab, ob sie im Interesse des Unternehmens gehandelt, die internen Vorschriften eingehalten und nicht über die Grenzen ihrer Prokura hinaus agiert haben. Es können vor Gericht drei Fälle auftreten:
- Leichte Fahrlässigkeit: Bei leichten Verstößen haftet in der Regel das Unternehmen, nicht Prokurist*innen.
- Mittlere Fahrlässigkeit: Je nach Ausmaß müssen Prokurist*innen hier anteilig haften.
- Grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz: Wird eine solch schwerwiegender Verstoß festgestellt, haften Prokurist*innen vollumfänglich und das Unternehmen kann Schadensersatz fordern.
Besonders vorsichtig sollten Prokurist*innen dann sein, wenn ihre Vollmacht so uneingeschränkt ist, dass sie faktisch die Geschäftsführung übernehmen. In diesem Fall spricht man von einer sogenannten Haftungsfalle. Was bedeutet das? Der bzw. die Prokurist*in haftet ähnlich wie die Geschäftsleitung und kann auch schon bei kleinen Verstößen zur Rechenschaft gezogen werden.