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Hochstapler-Syndrom: So stärken Sie Ihre Mitarbeitenden

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7 Minuten Lesezeit
Hochstapler-Syndrom

Arbeitgeber haben die folgende Bewerbungssituation bestimmt schon erlebt. Bewerber*innen bringen ausgezeichnete Leistungsnachweise und herausragende Zeugnisse mit, wirken aber eher zurückhaltend und scheinen ihre Kompetenzen abzutun? 

Dann haben Sie es möglicherweise mit einer Person zu tun, die unter dem Hochstapler-Syndrom leidet. Besonders Frauen und Bildungsaufsteiger*innen sind typischerweise vom Impostor-Syndrom betroffen.

Was sich hinter dem Syndrom verbirgt erläutern wir im folgenden Artikel. Darüber hinaus zeigen wir auf, wie Sie in der HR Abteilung dagegen vorgehen können. 

Key Facts

  1. Bei dem Hochstapler-Syndrom handelt es sich um ein psychologisches Phänomen, bei dem Menschen von schweren Selbstzweifeln geplagt werden. 
  2. Mangelnde Anerkennung in der Kindheit ist eine der Hauptursachen des Phänomens.
  3. Eine positive Fehlerkultur im Unternehmen kann dem Symptom entgegenwirken.

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Hochstapler-Syndrom: Was ist das?

Der Begriff Imposter-Syndrome (Deutsch: Hochstapler-Syndrom) wird im Deutschen auch oft Scharlatan-Syndrom, Schaumschläger-Syndrom oder auch Impostor-Phänomen genannt. Der Begriff beschreibt ein psychologisches Phänomen. Menschen können ihre eigenen Leistungen nicht anerkennen und werden von schweren Selbstzweifeln geplagt. Sie haben zudem einen extrem hohen Anspruch an die eigene Arbeit. 

Das Wort „Syndrom“ ist im Grunde etwas fehlgeleitet. Bei dem Hochstapler-Syndrom handelt es sich eigentlich nicht um ein offizielles Krankheitsbild. Expert*innen sprechen daher eher von einem Phänomen als von einem Syndrom. Unter Umständen kann das Syndrom allerdings zu Krankheiten führen, beispielsweise zu Depressionen oder Burn-out.

Der Name des Syndroms ist Programm. Betroffene haben das Gefühl, sie würden ihr Umfeld „betrügen“. Sie würden also etwas darstellen, was sie gar nicht sind. So wie tatsächliche Hochstapler*innen.

Betroffene haben ständig Angst, dass ihre „Tarnung“, das vermeintliche Hochstapeln also, jederzeit auffliegen kann. Entscheidend ist jedoch, dass Selbstbild und die Realität nicht miteinander übereinstimmen. Eigene Erfolge, Fähigkeiten und Leistungen werden von den Betroffenen nicht anerkannt. Das Selbstbild ist negativ und ihnen fällt es daher bspw. auch schwer, Komplimente anzunehmen.

Wichtig! Das Hochstapler-Syndrom ist ein Phänomen, das vor allem im Zusammenhang mit der Arbeitsleistung auftritt.

Hochstapler-Syndrom: Hintergrund

Die Psychologinnen Pauline R. Clance und Suzanne A. Imes prägten diesen Begriff bereits in den 70er Jahren. Sie stellten fest, dass gerade Frauen im akademischen Bereich ihre eigenen Leistungen abwerteten. 

Laut den beiden Wissenschaftlerinnen tendieren erfolgreiche Frauen eher dazu, ihre Leistungen auf äußere Gegebenheiten wie Glück zurückzuführen. Während Frauen Erfolge also eher externalisieren, betrachten Männer ihre Erfolge als eigene Leistung.

Ihre Beobachtungen und Analysen hielten die Psychologinnen auch in einem wissenschaftlichen Paper fest.

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Selbstzweifel überwinden

Hochstapler-Syndrom: Merkmale

Für Manager*innen ist die Auseinandersetzung mit den Merkmalen wichtig, da sie mögliche betroffene Mitarbeitende so leichter erkennen können. Woran lässt sich erkennen, ob eine Person unter dem Impostor-Syndrom leidet? 

In der Regel lassen sich bei den Betroffenen zwei verschiedene Arten im Umgang mit dem Syndrom feststellen. 

  • Neigung zur Prokrastination und zur Selbstsabotage oder
  • Neigung zu starkem Perfektionismus.

Merkmale darüber hinaus sind:

  • Ausgleich der Leistung durch Überkompensation und Mehrarbeit.
  • Versagensängste,
  • Das Gefühl, Anerkennung für Leistungen nicht zu verdienen,
  • Fehlendes oder mangelndes Selbstbewusstsein.

Mögliche körperliche Symptome

Das Impostor-Phänomen wirkt sich auch körperlich aus. Angst und Zweifel, zu versagen, führen häufig zu extremen Stress.

Die folgenden Symptome sind zudem typisch: 

  • Schlafstörungen,
  • Hoher Blutdruck,
  • Kopfschmerzen,
  • Schweißausbrüche,
  • Magen-Darm-Probleme.

Impostor-Syndrom: Ursachen

Die Ursachen sind vielfältig, häufig jedoch strukturell begründet:

  • Geringes Selbstbewusstsein: Menschen mit einem niedrigen Selbstbewusstsein neigen eher dazu, Erfolge nicht auf sich selbst zurückzuführen. Das mangelnde Selbstbewusstsein lässt es nicht zu, dass Betroffene Erfolge als ihre eigenen anerkennen können.
  • Mangelnde Anerkennung in der Kindheit: Oftmals haben Betroffene in der Kindheit gelernt, dass die Anerkennung der Eltern mit Leistung verknüpft ist.
  • Emotionale schwierige Situationen: Dies führt dazu, dass Zweifel aus anderen Bereichen mit in die Arbeit genommen werden. Hier manifestieren sie sich als Kompetenz-Zweifel.
  • Gesellschaftlicher Druck: Die Zunahme an Leistungsdruck über die letzten Jahre verstärkt das Phänomen.
  • Diskriminierung und Ungerechtigkeitserfahrung: Diskriminierung führt häufig dazu, dass Menschen tatsächlich mehr leisten müssen, um die gleiche Anerkennung wie andere zu erhalten. Das begünstigt die Ausbildung des Imposter-Syndroms – oder ist vielleicht sogar eine notwendige Konsequenz dessen.

Wer ist besonders betroffen?

Die Wissenschaftlerinnen Pauline Clance und Suzanne Imes entwickelten das Hochstapler-Syndrom, indem sie Frauen am Arbeitsplatz beobachteten. Nichtsdestoweniger stimmen die meisten Studien mittlerweile überein, dass die Geschlechter annähernd gleich vom Imposter-Syndrom betroffen sind.

Natürlich hat die Ausgangshypothese auch etwas mit der damaligen Zeit zu tun. Die beiden Wissenschaftlerinnen entwickelten ihre Thesen bereits Ende der 70er. Dies war eine Zeit, in der die Diskriminierung von Frauen am Arbeitsplatz vergleichsweise hoch war. Diskriminierung und erlebte Ungerechtigkeiten sind Faktoren, die maßgeblich das Imposter-Syndrom fördern. Gleiches gilt für traditionelle Geschlechterstereotype.

Viele Studien zeigen jedoch, dass Männer in einem ähnlichen Maße vom Hochstapler-Syndrom betroffen sind. Frauen sind aber nach wie vor mehr betroffen. Fast die Hälfte aller befragten Frauen hatte laut einer Studie von LinkedIn das Gefühl, nicht gut genug für ihren Job zu sein. Bei Männern traf dies nur auf 36 Prozent zu. 

Gründe, warum Frauen eher vom Hochstapler-Phänomen betroffen waren und sind, können beispielsweise die folgenden sein: 

  • Frauen werden weniger Kompetenzen als Männer zugeschrieben – ohne, dass dies mit der Realität übereinstimmt. Frauen stellen ihre Arbeit mehr in Frage und zweifeln öfter an ihren Leistungen.
  • Ein Mangel an weiblichen Vorbildern und Führungskräften in der Arbeitswelt.
  • Unterschiedliche Erziehung, die geringeres Selbstbewusstsein fördert.
  • Frauen sind oft perfektionistischer als Männer.

Personen mit einer hohen Ausbildungsniveau und in Führungspositionen

Besonders Personen in Führungspositionen werden oft von dem Phänomen geplagt. Das gaben bspw. 75 Prozent der befragten Frauen, die in Führungspositionen arbeiten, in einer Studie von KPMG Women’s Leadership an.

Männer in Führungspositionen leiden dagegen eher unter dem Phänomen, wenn sie wenig positive Rückmeldung auf ihre Arbeit erhalten. Das ergab eine wissenschaftliche Studie aus dem englischsprachigen Raum.

Bildungsaufsteiger*innen

Besonders Personen, die als erste in der Familie ein Studium aufnehmen, leiden vermehrt unter dem Hochstapler-SyndromKein Wunder: Menschen haben durch den sozialen Aufstieg eher das Gefühl, sich dauernd beweisen zu müssen.

POC und LGTBQI* sowie Minderheiten 

Aufgrund ständiger Abwertung und dem Absprechen von Kompetenz und Fähigkeiten sind Minderheiten eher vom Hochstapler-Syndrom betroffen. 

Impostor-Syndrom Test

Es gibt keinen eindeutig wissenschaftlich fundierten Test, der das Hochstapler-Syndrom bestätigt. Im Internet kursieren zahlreiche Hochstapler-Syndrom-Tests.

Gute Tests finden sich oft auf Coaching-Webseiten. Die Tests dienen jedoch eher einer groben Selbsteinschätzung als einer tatsächlichen Diagnose.

Hochstapler-Syndrom als Einstellungshindernis

Auch Personaler sind nicht von Vorurteilen gefeit. Verschiedene Studien der letzten Jahren zeigen eindrücklich, dass Recruiter eher Kandidat*innen mit selbstbewusstem Auftreten einstellen. Sie schreiben ihnen eine höhere Kompetenz zu.

Laut einem HR-Report von Monster ist für Recruiter der Auftritt im Bewerbungsgespräch am wichtigsten.  Introvertierte Personen oder solche, die ihre Fähigkeiten nicht zur Schau stellen, haben oft geringere Chancen, eingestellt zu werden. Arbeitgebern können so allerdings einige Top-Talente durch die Lappen gehen.

Gerade Menschen mit Hochstapler-Syndrom verkaufen sich oft unter Wert. Die Kenntnis der Merkmale lohnt sich also. Denn Beschäftigte mit Imposter-Syndrom sind in der Regel perfektionistische und sehr engagierte Arbeitskräfte.

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Wie kann die HR Abteilung tätig werden?

Nichtsdestoweniger möchten Arbeitgeber zufriedene Beschäftigte. Auf Dauer sollten Sie darauf achten, das Selbstbewusstsein Ihrer Mitarbeitenden zu stärken.

Bislang wurde das Phänomen vor allem auf individueller Ebene thematisiert. Der Fokus lag daher hauptsächlich darauf, was betroffene Personen selbst gegen das Syndrom tun können.

Da das Hochstapler-Syndrom jedoch vor allem in der Arbeitswelt auftaucht, nimmt die Personalabteilung eine wichtige Rolle ein. Die Gestaltung des Unternehmens und verschiedener Arbeitsprozesse können ausschlaggebend für die Minderung und Prävention des Phänomens sein.

Unternehmenskultur

Die Unternehmenskultur ist entscheidend für das Wohlbefinden der Mitarbeitenden. Das Impostor-Syndrom hat weniger Chancen in Unternehmen, in denen:

  • Eine positive Fehlerkultur herrscht. Betroffene haben so weniger Angst, dass sich mögliche Fehler negativ auswirken könnten. Fehler werden als so als Teil des Prozesses wahrgenommen (wie z. B. bei der agilen Führung).
  • Der Fokus auf dem Prozess statt auf dem Ergebnis liegt. 
  • Kein Wettbewerbsklima herrscht.

Die Rolle von Führungskräften 

Ständige Mehrarbeit von Führungskräften führt dazu, dass Angestellte denken, sie müssten dies auch tun.

Was können Manager*innen machen, um dem Hochstapler-Syndrom entgegenzuwirken:

  • Führungskräfte sollten eine Vorbildfunktion einnehmen und Überarbeitung nicht belohnen.
  • Positives Feedback: Regelmäßiges Lob und wertschätzende Worte sind wichtig.
  • Achten Sie auf eine gute Verteilung von Arbeit. Überfordern oder unterfordern Sie Ihre Mitarbeitenden nicht. 
  • Sie können u.a. auch im Rahmen Ihres Betrieblichen Gesundheitsmanagements auf das Symptom aufmerksam machen.

Führungskräfye und die Personalabteilung halten eine Pionierrolle inne. Denn Sie sind es, die einen großen Beitrag leisten können, damit Angestellte ihre Selbstzweifel überwinden können!

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Sprachgewandt, neugierig und kreativ verfolgt unsere Autorin Marie-Louise Messerschmidt als SEO Content Writer die neuesten HR Trends. Als Teil des Content Marketing Teams arbeitet sie seit Mitte 2022 für Factorial HR. Nach ihrem Abschluss in Betriebswirtschaftslehre an der Georg-August-Universität Göttingen und Sprachwissenschaften an der Ludwig-Maximilians-Universität München befasst sie sich bereits seit 2017 mit Themen im Personalbereich. Ihr Fokus liegt dabei besonders auf rechtlichen und strategischen Themen. Zuletzt hat sie einen Gastbeitrag zum Thema Personalverwaltung im OMT Magazin veröffentlicht.

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