Vorgesetzte kennen den Fall: Mitarbeitende sind krankgeschrieben und kommen trotzdem zur Arbeit. Wie sollen Vorgesetzte in diesem Fall am besten reagieren? Die Antwort hängt von der konkreten Situation und der Erkrankung ab. In diesem Artikel geben wir einen Überblick und klären die wichtigsten Antworten auf die Frage, ob Arbeiten trotz Krankschreibung möglich ist.
Kurz erklärt:
- Arbeiten trotz Krankschreibung ist grundsätzlich erlaubt. Es gibt kein „Gesundschreibungs-Attest“, das eine Rückkehr zur Arbeit offiziell genehmigt.
- Vorgesetzte müssen sicherstellen, dass keine Gefährdung der Mitarbeitenden oder Dritter entsteht, insbesondere bei ansteckenden Krankheiten oder gesundheitlichen Einschränkungen.
Gesetzliche Grundlage:
- Laut § 5 Entgeltfortzahlungsgesetz (EntgFG) müssen sich Arbeitnehmende unverzüglich krankmelden und eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) vorlegen. Bei der AU handelt es sich jedoch nicht um ein generelles Beschäftigungsverbot, sondern lediglich um eine Bestätigung der Arbeitsunfähigkeit.
- Vorgesetzte müssen darauf achten, dass sie ihre in § 618 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) festgehaltene Fürsorgepflicht nicht verletzen, wenn Mitarbeitende krankgeschrieben zur Arbeit erscheinen.
- Darf man trotz Krankschreibung arbeiten – was gilt hier?
- Trotz Krankschreibung arbeiten – ist das erlaubt?
- Was passiert, wenn ich trotz Krankschreibung arbeiten gehe?
- Beispiel: Wann ist es in Ordnung trotz Krankschreibung zur Arbeit zu kommen und wann nicht?
- Und was ist mit der Versicherung? Besteht beim Arbeiten trotz Krankschreibung ein Versicherungsschutz?
- Fallen durch stundenweise arbeiten trotz Krankschreibung Überstunden an?
- Mit Factorial Ihren Krankenstand im Blick behalten
Darf man trotz Krankschreibung arbeiten – was gilt hier?
Definition: Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung
Beschäftigte, die krank sind und deshalb nicht an ihren Arbeitsplatz erscheinen können, müssen ihrem Vorgesetzten eine Krankschreibung, auch Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (kurz AU) genannt, vorlegen. Laut § 5 Entgeltfortzahlungsgesetz (EntgFG), müssen Arbeitnehmende sich unverzüglich beim Vorgesetzten krankmelden (die sogenannte Krankmeldung). Mittlerweile erfolgt die Übermittlung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung an die Arbeitgebenden elektronisch.
Eine solche Bescheinigung wird von behandelnden Ärzt*innen ausgestellt. Sie bestätigt, ab wann und wie lange Arbeitnehmende nicht arbeitsfähig sind. Der Grund der Arbeitsunfähigkeit ist jedoch für den Vorgesetzten nicht ersichtlich, sondern nur für die Krankenkasse und die Patient*innen.
In diesem Zusammenhang wichtig: Bei der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung handelt es sich jedoch nicht um ein generelles Arbeitsverbot.
Was ist dann die Funktion der AU?
Eine vom Arzt ausgestellte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, auch Attest genannt, bestätigt lediglich,
- dass Beschäftigte aktuell krank sind und nicht in der Lage, ihrer beruflichen Tätigkeit nachzugehen.
- Sie enthält außerdem eine Prognose darüber, wie lange die Krankheit und die Arbeitsunfähigkeit voraussichtlich andauern werden und ob gegebenenfalls eine Verlängerung notwendig sein könnte.
Trotz Krankschreibung arbeiten – ist das also erlaubt?
Grundsätzlich ist Arbeiten trotz Krankschreibung erlaubt
Arbeitnehmende dürfen grundsätzlich arbeiten, auch wenn sie krankgeschrieben sind. Im deutschen Arbeitsrecht gibt es kein sogenanntes „Gesundschreibungs-Attest“, das bestätigt, dass Beschäftigte wieder arbeitsfähig sind oder ein zuvor ausgestelltes Attest vorzeitig aufgehoben wird. Wer sich trotz Krankschreibung wieder arbeitsfähig fühlt, kann die Arbeit wieder aufnehmen – muss dies aber dem*der Vorgesetzten mitteilen.
Pflichten der Vorgesetzten
Vorgesetzte müssen sorgfältig abwägen, ob sie Beschäftigte, die trotz Krankschreibung zur Arbeit erscheinen, tatsächlich arbeiten lassen möchten. Denn sie unterliegen einer gesetzlichen Fürsorgepflicht gegenüber ihren Mitarbeitenden. Diese verpflichtet sie unter anderem dazu, eine mögliche Verschlechterung des Gesundheitszustands der betreffenden Person zu vermeiden und andere Beschäftigte – zum Beispiel bei ansteckenden Krankheiten – zu schützen.
Die rechtliche Grundlage dieser Pflicht findet sich in § 618 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Dort heißt es sinngemäß, dass Arbeitgebende das Wohl ihrer Mitarbeitenden im Blick behalten und Maßnahmen zum Schutz von Leben und Gesundheit ergreifen müssen.
Welche konkreten Pflichten sich daraus ergeben und welche Personengruppen im Arbeitsalltag unter einem besonderen Schutz stehen, erfahren Sie in unserem Artikel zum Thema Fürsorgepflicht.
Was passiert, wenn ich trotz Krankschreibung arbeiten gehe?
Vorgesetzte stehen häufig vor der Frage, wie sie reagieren sollen, wenn Mitarbeitende trotz Krankschreibung zur Arbeit erscheinen. In solchen Fällen ist es wichtig, zunächst ein Gespräch zu führen und sich nach dem aktuellen Gesundheitszustand zu erkundigen.
Ist offensichtlich, dass die betroffene Person nicht in der Lage ist zu arbeiten, etwa weil sie noch stark geschwächt oder ansteckend ist, dürfen und sollten Vorgesetzte diese Mitarbeitenden wieder nach Hause schicken – im Sinne ihrer Fürsorgepflicht.
Stellen Vorgesetzte jedoch fest, dass eine Arbeitsfähigkeit vorliegt, etwa weil sich der Gesundheitszustand schneller verbessert hat als von den Ärzt*innen ursprünglich prognostiziert, dürfen Beschäftigte grundsätzlich wieder an ihren Arbeitsplatz zurückkehren und arbeiten.
Gerade bei Krankmeldungen kommt es jedoch häufig vor, dass man die gesundheitliche Verfassung nicht auf den ersten Blick erkennt. Hier ist besondere Aufmerksamkeit gefragt. Denn nichts ist schlimmer, als wenn Mitarbeitende noch nicht vollständig genesen zur Arbeit erscheinen, sich überfordern – und sich dadurch der Gesundheitszustand erneut verschlechtert.
Wann ist es in Ordnung, trotz Krankschreibung zur Arbeit zu kommen und wann nicht?
Beispiel 1:
- Arbeitnehmer X wurde wegen einer Magen-Darm-Grippe für eine Woche von seinem Arzt krankgeschrieben. Nach drei Tagen ist der Virus jedoch bereits überstanden. Arbeitnehmer X fühlt sich wieder fit und entscheidet sich, am Donnerstag zur Arbeit zurückzukehren. Er informiert Arbeitgeber Y darüber, dass er sich wieder gesund fühlt.
- Auch sein Arbeitgeber stellt keine gesundheitlichen Einschränkungen fest. In diesem Fall ist es in Ordnung, dass der Arbeitnehmer seine Tätigkeit wieder aufnimmt. Der Vorgesetzte verletzt seine Fürsorgepflicht nicht, da keine Anzeichen einer Gefährdung vorliegen und der Gesundheitszustand eine Rückkehr zur Arbeit zulässt.
Beispiel 2:
- Arbeitnehmerin Z ist Dachdeckerin. Sie hat sich das Bein gebrochen und wurde für mehrere Wochen krankgeschrieben. Da sie weiß, dass es im Unternehmen derzeit viele Krankheitsfälle gibt und ihr Team stark belastet ist, entscheidet sie sich – aus einem falsch verstandenen Pflichtgefühl heraus – dennoch zur Arbeit zu erscheinen.
- Der Vorgesetzte erkennt die Situation sofort und schickt sie umgehend wieder nach Hause.
- Mit einem Gipsbein und eingeschränkter Bewegungsfähigkeit ist Arbeitnehmerin Z eindeutig nicht arbeitsfähig. In ihrem Beruf würde sie sich und andere gefährden – etwa durch Sturzgefahr auf dem Dach. Das Arbeiten in diesem Zustand wäre grob fahrlässig. Der Vorgesetzte handelt in diesem Fall absolut richtig, indem er seiner Fürsorgepflicht nachkommt und sie nicht arbeiten lässt.
Und was ist mit der Versicherung? Besteht beim Arbeiten trotz Krankschreibung ein Versicherungsschutz?
Ja! Auch wenn Arbeitnehmende trotz Krankschreibung zur Arbeit gehen, sind sie weiterhin wie gewohnt versichert.
Das gilt sowohl für die Krankenversicherung gemäß § 5 Abs. 1 Sozialgesetzbuch V (SGB V) als auch für die Unfallversicherung nach den Vorschriften des Sozialgesetzbuchs VII (SGB VII).
Fallen durch stundenweise Arbeiten trotz Krankschreibung Überstunden an?
Und was ist, wenn Arbeitnehmende trotz Krankschreibung zur Arbeit erscheinen, dann aber merken (oder der Vorgesetzte entscheidet), dass die Erkrankung doch noch zu starke Einschränkungen verursacht und sie wieder nach Hause geschickt werden müssen? Was passiert mit den bereits geleisteten Stunden – zählen diese als Überstunden?
Antwort: Nein.
Wenn Arbeitnehmende zum Beispiel zwei Stunden gearbeitet haben und danach wieder nach Hause geschickt werden, gelten diese Stunden nicht als Überstunden.
Denn in dem Moment, in dem sie ihre Tätigkeit – auch nur vorübergehend – aufnehmen, gelten sie rechtlich als arbeitsfähig. Die geleistete Zeit wird als reguläre Arbeitszeit erfasst, aber es entsteht kein Anspruch auf Überstundenvergütung, nur weil sie früher wieder gehen mussten.
Mit Factorial Ihren Krankenstand im Blick behalten
Gerade in solchen Fällen, wenn Mitarbeitende zur Arbeit kommen und nur für ein paar Stunden da sind und sie als Vorgesetzte wieder nach Hause schicken müssen, kann es schnell dazu kommen, dass man den Überblick über die Krankheitstage der Beschäftigten verliert. Hier hilft in jedem Fall eine digitale Erfassung der Abwesenheiten mit der HR-Software von Factorial. Personalisierte Berichte und die Echtzeitverfolgung ermöglichen es, den Überblick zu behalten. Gleichzeitig können Mitarbeitende und Vorgesetzte jederzeit auf den aktuellen Stand zugreifen und Anfragen genehmigen oder ablehnen.