Die Arbeitszeit von 40 auf 35 Stunden zu reduzieren, entspricht dem Zeitgeist. Immer mehr Menschen in Deutschland arbeiten in Teilzeit. 2023 gingen laut Statistischem Bundesamt rund 13 Millionen aller Erwerbstätigen einer Teilzeittätigkeit nach, dies entspricht 30,2 Prozent der Beschäftigten. Der Anteil derer, die unfreiwillig in Arbeitsteilzeit arbeiten, weil sie beispielsweise keine Vollzeitstelle finden, geht immer weiter zurück. Viele Menschen wünschen sich mehr Freizeit und eine bessere Work-Life-Balance. Welche Vor- und Nachteile eine Arbeitszeitverkürzung mit sich bringt und worauf Arbeitnehmende und Arbeitgebende dabei achten müssen, erklären wir in diesem Artikel.
Key Facts
- Die 35-Stunden-Woche gilt als modernes Arbeitsmodell, das auf mehr Freizeit, bessere Work-Life-Balance und individuelle Teilzeitlösungen abzielt – etwa durch Brücken-, Eltern- oder Pflegezeit.
- Seit der Gesetzesnovelle 2019 können Mitarbeitende unter bestimmten Voraussetzungen Arbeitszeitverkürzungen einfordern. Unternehmen dürfen solche Anträge nicht ohne triftige Gründe ablehnen.
- Arbeitszeitverkürzung fördert Motivation und Gesundheit, kann aber auch zu Gehaltseinbußen, Karrierenachteilen und mehr Stress durch Arbeitsverdichtung führen.
- Was bedeutet die 35-Stunden-Woche?
- Arbeitszeit von 40 auf 35 Stunden reduzieren: Geschichte der 35-Stunden-Woche
- Modelle für Teilzeit
- Arbeitszeitverkürzung durch den Arbeitgebenden
- Teilzeit und Karriere
- Arbeitszeit von 40 auf 35 Stunden reduzieren: Vor- und Nachteile
- Fazit
Was bedeutet die 35-Stunden-Woche?
Seit der Gesetzesnovelle zum Teilzeit- und Befristungsgesetz 2019 verliert die 40-Stunden-Woche zunehmend an Bedeutung. Viele Beschäftigte wünschen sich heute mehr Flexibilität und kürzere Arbeitszeiten. Die 35-Stunden-Woche gilt dabei als modernes, bedürfnisorientiertes Arbeitsmodell und steht im Einklang mit aktuellen Trends wie Homeoffice oder Workation. Wer seine Arbeitszeit von 40 auf 35 Stunden reduzieren will, muss allerdings mit Gehalt-Kürzungen leben.
Teilzeitarbeit kann flexibel gestaltet werden: Vollzeitnahe Teilzeit umfasst meist 75 bis 90 Prozent der regulären Arbeitszeit und ist bei Führungskräften beliebt. Auf Mitarbeiterebene sind Reduzierungen auf die Hälfte oder weniger, zum Beispiel durch Minijobs oder Werkstudentenstellen, üblich.
Neben der regulären Teilzeit gibt es Sonderformen: Elternteilzeit erlaubt 15 bis 32 Wochenstunden während der Elternzeit. Brückenteilzeit ermöglicht seit 2019 eine befristete Arbeitszeitreduzierung von ein bis fünf Jahren. Pflegezeit erlaubt bis zu sechs Monate Teilzeitarbeit oder Auszeit zur Angehörigenpflege. Altersteilzeit ist ab 55 Jahren möglich, jedoch nicht gesetzlich garantiert, sondern abhängig vom Arbeitgeber.
👉 Tipp: Die wichtigsten Arbeitsgesetze auf einen Blick.
Arbeitszeit von 40 auf 35 Stunden reduzieren: Geschichte der 35-Stunden-Woche
Die Diskussion um die 35-Stunden-Woche entstand in der Folge der Wirtschaftskrise der 1970er und frühen 80er Jahre. Besonders betroffen waren Metall- und Druckindustrie, die dadurch massive Arbeitsplatzverluste erlitten. Die zunehmende Internationalisierung, technische Rationalisierung sowie gesellschaftliche und ökologische Kritik am bisherigen Industriesystem waren die Hauptgründe dafür.
Die Gewerkschaft IG Metall forderte als Reaktion auf Produktivitätszuwächse eine Verkürzung der Wochenarbeitszeit auf 35 Stunden, um Arbeitsplätze zu sichern und die Lebensqualität zu verbessern. Zwischen Mai und Juli 1984 kam es zu einem Streik unter dem Motto „Mehr Zeit zum Leben, Lieben, Lachen“.
Zwar wurde das Ziel nicht sofort erreicht, doch setzte eine schrittweise Flexibilisierung ein: Ab 1984 wurden in mehreren Branchen Wochenarbeitszeiten zwischen 38,75 und 37 Stunden eingeführt. 1990 schlossen IG Metall sowie IG Druck und Papier Tarifverträge über die stufenweise Umsetzung der 35-Stunden-Woche bis 1995. Der Arbeitskampf führte somit langfristig zu mehr Arbeitszeitflexibilität in Deutschland.
Modelle für Teilzeit
Es gibt unterschiedliche Modelle für die Ausgestaltung der Teilzeit. Die häufigsten sind Jobsharing, Jobsplitting und Vertreter-Modelle.
Beim Jobsharing teilen sich zwei Personen eine Arbeitsstelle. Sie können auch bei de mehr als 50 Prozent arbeiten, wenn sie sich mit dem Arbeitgebenden darauf einigen. Wichtig ist, dass beide gut zusammenarbeiten, weil sie möglichst nahtlose Übergabeprozesse implementieren müssen, weil sie ja den Großteil der Arbeitszeit nicht zusammen im Büro sind. Teilen sich zwei Führungskräfte eine Position, nennt man dies Top-Sharing.
Beim Jobsplitting teilen sich ebenfalls zwei Personen eine Stelle. Sie arbeiten jedoch voneinander unabhängig. Es besteht also kein Interaktions- und Kooperationsbedarf zwischen beiden Partnern, die unabhängig voneinander mit Arbeitsverträgen ausgestattet werden. Job-Splitten bezeichnet also eine einfache Aufteilung eines Vollzeitarbeitsplatzes in zwei voneinander unabhängige Arbeitsplätze in Teilzeit.
Im Vertreter-Modell arbeitet eine erfahrene, ältere Person mit einer Nachwuchsführungskraft zusammen. Diese kann so ihr Wissen im Unternehmen an jüngere weitergegeben. Damit gelingen auch Übergänge nach dem Rentenausstieg von älteren Mitarbeitenden zur nächsten Generation besser.
Urlaub und Sonderzahlungen bei Teilzeit
Wer beispielsweise 30 Tage Urlaub in Vollzeit genossen hat, behält diese auch, wenn er statt acht nur noch sechs Stunden am Tag arbeitet. Wer aber nur vier statt bisher fünf Tage arbeitet, hat entsprechend nur noch 24 Tage Urlaub im Jahr. Allerdings werden diese 24 Tage ja nur auf vier Tage in der Woche angerechnet. Insgesamt bleibt es also bei sechs Wochen Jahresurlaub.
Wichtig zu wissen: Teilzeitkräfte dürfen gegenüber ihren in Vollzeit beschäftigten Kolleginnen und Kollegen nicht benachteiligt werden, auch wenn dies immer wieder viele Menschen befürchten. Auch in Teilzeit haben Mitarbeitende Anrecht auf Zahlungen wie Urlaubs- und Weihnachtsgeld, natürlich nur anteilig zu ihrer Arbeitszeit.
Arbeitszeitverkürzung durch den Arbeitgebenden
Wünschen Mitarbeitende eine Arbeitszeitverkürzung, dürfen Unternehmen dies nicht grundsätzlich ablehnen. Allerdings müssen Interessierte laut Arbeitsrecht mehr als sechs Monate dort beschäftigt sein. Und im Unternehmen müssen mindestens 15 Beschäftigte tätig sein. Zudem muss sichergestellt werden, dass keine betrieblichen Gründe gegen eine Arbeitszeitverkürzung vorliegen.
Was aber, wenn der Arbeitgebende auf eine Arbeitszeitverkürzung drängt? Für Mitarbeitende bedeutet das einerseits weniger Arbeit, aber eben auch weniger Gehalt. Rentenhöhe und Arbeitslosenbezüge sinken ebenfalls analog.
Einfach so kann der Arbeitgebende eine Arbeitszeitverkürzung nicht durchsetzen, schließlich ist im Vertrag eine Arbeitszeit festgelegt. Es sei denn, im Arbeitsvertrag ist ein Passus verankert, der es dem Unternehmen erlaubt, die Arbeitszeit je nach betrieblichem Bedarf zu kürzen. Dann darf er dies natürlich durchsetzen.
Aber auch dabei muss er sich an gewisse Regeln halten. Die geltende Arbeitszeit darf maximal um 20 Prozent reduziert werden.
Wenn Mitarbeitende mit einer Reduzierung nicht einverstanden sind, können sie notfalls dagegen klagen. Der Arbeitgebende muss nachweisen, dass er nicht nur bestimmten Mitarbeitenden die Arbeitszeit kürzen will, sondern dass diese Regelung für die gesamte Belegschaft gilt.
Teilzeit und Karriere
In Teilzeit Karriere zu machen, ist immer noch eine große Herausforderung. Teilzeitkräfte werden deutlich seltener befördert. Viele Teilzeitkräfte erleben mehr Stress, weil sie in weniger Zeit gleich viel leisten sollen. Oft verzichten sie auf Weiterbildungen oder soziale Kontakte wie gemeinsame Mittagessen – was langfristig Nachteile bringen kann.
Teilzeitkräfte sind außerdem weniger sichtbar im Unternehmen, und ihre Leistung wird manchmal unterschätzt. Das muss aber nicht so sein. Mehr Vorbilder könnten helfen, Teilzeit als gleichwertig anzusehen. Für Teams kann eine Führungskraft in Teilzeit sogar vorteilhaft sein: Sie muss Aufgaben abgeben und fördert so die Zusammenarbeit und Eigenverantwortung der Mitarbeitenden.
Arbeitszeit von 40 auf 35 Stunden reduzieren: Vor- und Nachteile
Die Verkürzung der Wochenarbeitszeit auf 35 Stunden bietet Unternehmen und Beschäftigten einige Vorteile, bringt jedoch auch Herausforderungen mit sich. Zu den positiven Aspekten zählen eine bessere Work-Life-Balance, die leichtere Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie eine gesteigerte Mitarbeitermotivation und Produktivität.
Zudem können gesündere Mitarbeitende und eine attraktivere Arbeitgebermarke die Folge sein. Gleichzeitig sind aber auch mögliche Nachteile zu bedenken: ein Teilzeitgehalt und damit verbundene Einbußen bei der Rente, weniger berufliche Netzwerkmöglichkeiten, erhöhter Stress durch Arbeitsverdichtung sowie ein niedrigerer Anspruch auf Arbeitslosengeld und eine verschlechterte Teamdynamik.
👉 Tipp: Wer seine Arbeitszeit von 40 auf 35 Stunden reduzieren will, findet entsprechende Rechner im Internet – oder hier vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales.
Fazit
Die 35-Stunden-Woche und flexible Teilzeitmodelle spiegeln den Wunsch vieler Beschäftigter nach mehr Lebensqualität und Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben wider. Sie können Zufriedenheit, Gesundheit und Produktivität fördern. Gleichzeitig erfordern sie eine bewusste Gestaltung seitens der Unternehmen, um Nachteile wie Einkommenseinbußen, geringere Sichtbarkeit oder Karrierehemmnisse auszugleichen.
Teilzeitarbeit bietet Potenzial für neue Führungsmodelle und stärkt die Eigenverantwortung in Teams. Langfristig ist ein Kulturwandel nötig, damit reduzierte Arbeitszeit als gleichwertig und zukunftsfähig anerkannt wird – auch auf Führungsebene.
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