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Vertrauensarbeitszeit: Das sollten Arbeitgeber wissen

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5 Minuten Lesezeit
Vertrauensarbeitszeit

Mit der Stoppuhr hinter Ihren Mitarbeitern stehen? Keine gute Idee! Das schafft Misstrauen und schadet der Mitarbeitermotivation. Setzen Sie stattdessen auf flexible Arbeitszeiten, um das Vertrauen langfristig zu stärken.

Vertrauensarbeitszeit ist ein Modell der neuen und flexiblen Arbeitszeiten, bei dem sich die Mitarbeiter ihre Arbeitszeit selbst einteilen können. Das hat natürlich Vor- und Nachteile.

Welche das sind, und worauf Sie sonst noch achten müssen, erklären wir in diesem Artikel. Außerdem beantworten wir Fragen nach Überstunden, wer Mitbestimmungsrecht hat und für wen sich die Vertrauensarbeitszeit eignet.

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Definition: Was ist Vertrauensarbeitszeit?

Bei der Vertrauensarbeitszeit handelt es sich um ein flexibles Arbeitszeitmodell, das auf dem Vertrauen des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer basiert. Dabei geht es nicht darum, dass der Arbeitnehmer bestimmte Arbeitszeiten einhält. Stattdessen kann dieser selbst bestimmen, wann er arbeitet. Der Fokus liegt hierbei nicht auf der eingehaltenen Arbeitszeit, sondern auf dem Ergebnis der Arbeit.

Wann ein Mitarbeiter arbeitet, ist ihm selbst überlassen. Er kann sich aussuchen, ob er von 10:00 bis 18:00 Uhr seiner Arbeit nachgeht oder von 5:00 bis 13:00 Uhr. Dabei muss er nicht einmal einen 8-Stunden-Tag erfüllen, sondern kann beispielsweise auch um 9:00 Uhr im Büro erscheinen und um 13:00 Uhr Feierabend machen.

Es kommt nur darauf an, dass er entweder seine vertraglich vereinbarten Stunden (zum Beispiel eine 40-Stunden-Woche) erledigt oder die gewünschten Ergebnisse abliefert. Er ist durch die Vertrauensarbeitszeit zeitlich flexibel.

Eine Ausnahme: Vertrauensarbeitszeit mit Kernarbeitszeit
Bei diesem Konzept hat sich der Mitarbeitende an eine Kernzeit, also feste Zeiten in der Woche zu halten, in denen alle Mitarbeiter anwesend sein sollten. Das ist z.B. wichtig, um regelmäßige gemeinsame Meetings durchführen zu können.

Achtung: Es besteht auch bei Vertrauensarbeitszeit eine gesetzliche Verpflichtung auf Seiten des Arbeitgebers zur Arbeitszeiterfassung für Mitarbeiter.

Für wen eignet sich Vertrauensarbeitszeit?

Das Modell der Vertrauensarbeitszeit eignet sich insbesondere für die Berufe, bei denen es nicht auf die Anwesenheit des Mitarbeiters ankommt. Stattdessen stehen die Ergebnisse im Vordergrund. Darunter fallen Berufe in kreativen Bereichen oder, da die Arbeitszeiterfassung im Außendienst teils schwierig festzuhalten ist, auch Mitarbeiter im Außendienst (manchmal, auch wenn es um eine kurzfristige Beschäftigung geht). In diesen Jobs können Arbeitnehmer ihrer Arbeit weitestgehend eigenständig und eigenverantwortlich nachgehen.

Anders verhält es sich bei Berufen, in denen die Anwesenheit am Arbeitsplatz wichtig ist, um den Beruf ausführen zu können. Dazu gehören Mitarbeiter im Kundenservice, Verkäufer in Geschäften und Supermärkten, die bestimmten Öffnungszeiten unterliegen, sowie Mitarbeiter am Empfang oder im Sekretariat.

Wie funktioniert die Zeiterfassung bei Vertrauensarbeitszeit?

Der Arbeitnehmer muss die vereinbarten Ergebnisse liefern und sich gewissenhaft um seinen Aufgabenbereich kümmern. Wann er dies erledigt, kann er selbst entscheiden. Der Arbeitgeber kontrolliert dabei nicht, wie viel Zeit der Arbeitnehmer investiert. Für ihn zählt allein das Ergebnis.

Rechte und Pflichten bei Vertrauensarbeitszeit

Dennoch muss der Arbeitgeber einige Regeln beachten und gesetzliche Vorgaben erfüllen. Denn: In Deutschland gilt das Arbeitszeitgesetz(ArbZG). Besonders im Hinblick auf die tägliche Höchstarbeitszeit (§3), Pausen (§4) sowie Ruhezeiten zwischen den Arbeitstagen (§5), als auch hinsichtlich der Aufzeichnung der Arbeitszeit (§ 16 (2)) ist dieses Gesetz wichtig.

In Bezug auf besondere Gruppen wie Jugendliche (JArbSchG) oder Schwangere und Stillende (§8 MuSchG) sollten Sie als Arbeitgeber unbedingt die entsprechende tägliche Höchstarbeitszeit einhalten.

Werden diese Vorgaben nicht eingehalten, kann dies rechtliche Konsequenzen für den Arbeitgeber bedeuten. Weiterhin ist es wichtig, dass alle diese Regelungen schriftlich festgehalten werden – z.B. im Arbeitsvertrag.

Überstunden bei Vertrauensarbeitszeit

Es gibt eine gesetzliche Aufzeichnungspflicht, die auch bei der Vertrauensarbeitszeit gilt. Allerdings nur dann, wenn ein Angestellter mehr als 8 Stunden an einem Tag arbeitet. Laut Arbeitszeitgesetz müssen alle Überstunden nach den geleisteten 8 (bzw. 10) Arbeitsstunden erfasst und zwei Jahre aufbewahrt werden. Normalerweise unterliegt der Arbeitgeber der Pflicht, die Arbeitszeiten zu dokumentieren. Allerdings kann er diese Pflicht an den Arbeitnehmer abgeben und das ist bei der Vertrauensarbeitszeit auch notwendig. Schließlich kontrolliert der Arbeitgeber nicht, wann und wie lange der Mitarbeiter an seinen Aufgaben sitzt. Die Aufzeichnung bei der Vertrauensarbeitszeit liegt deshalb in der Verantwortung des Arbeitnehmers.

Können Überstunden abgegolten werden? Ja. Auch bei Vertrauensarbeitszeit können Mitarbeiter ihre Überstunden abbauen. Wann und in welcher Form der Überstundenabbau stattfinden kann, sollte bereits im Voraus oder bei Einführung der Vertrauensarbeitszeit vereinbart und schriftlich festgehalten werden. So können keine Missverständnisse entstehen.

Vertrauensarbeitszeit Überstunden

Hat der Betriebsrat Mitbestimmungsrecht bei der Vertrauenszeit?

Laut § 87 Betriebsverfassungsgesetz hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht, was die Arbeitszeiten angeht. Beginn und Ende der Arbeitszeit, Pausen sowie Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage können vom Betriebsrat mitbestimmt werden. Auch die vorübergehende Verkürzung oder Verlängerung der betrieblichen Arbeitszeit gehören dazu. Somit hat der Betriebsrat auch ein Mitbestimmungsrecht bei der Vertrauensarbeitszeit.

Darüber hinaus darf der Betriebsrat Einsicht in die täglich ausgeführten Arbeitszeiten haben. Das inkludiert Beginn und Ende der tatsächlichen Arbeitszeiten sowie Überschreitungen dieser. Der Betriebsrat kann außerdem mit darüber entscheiden, ob und welche technischen Maßnahmen zur Überwachung des Verhaltens und der Leistung der Mitarbeiter genutzt werden. Dazu zählt zum Beispiel auch die Arbeitszeiterfassung.

Vor- und Nachteile der Vertrauensarbeitszeit

Vorteile

Das Modell der Vertrauensarbeitszeit hat sowohl für Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer gewissen Vorteile:

Für den Arbeitgeber:

  • Ausbalancieren von saisonaler Fluktuation und Auftragsschwankungen
  • Sparen von Personalkosten
  • Weniger bürokratischer und administrativer Aufwand
  • Besseres Arbeitsklima durch Vertrauen statt Kontrolle
  • Stärkere Mitarbeiterbindung
  • Ergebnis- und lösungsorientiertes Arbeiten
  • Steigerung der Motivation und Leistungsbereitschaft der Mitarbeiter

Für den Arbeitnehmer:

  • Hohe Flexibilität (Noch flexibler als die Gleitzeit)
  • Bessere Work-Life-Balance durch selbstbestimmtes Arbeiten und eigene Einteilung der Arbeitszeiten
  • Keine Zeiterfassung im Home-Office
  • Unternehmerisches Denken und ein hohes Maß an Eigenverantwortung
  • Mehr Freiheiten durch weniger bis gar keine Kontrolle durch den Arbeitgeber
  • Arbeitszeit muss nicht „abgesessen“ werden, wenn keine Arbeit da ist

Nachteile

Natürlich ergeben sich auch hier Nachteile für Unternehmen und Mitarbeiter:

Für den Arbeitgeber:

  • Kontrollverlust durch Übertragung der Verantwortung an den Mitarbeiter
  • Konflikte bei der Arbeitszeiterfassung und möglichen Überstunden oder nicht eingehaltenen Pausen und Absprachen
  • Bessere Koordination ist gefragt, da Mitarbeiter i.d.R. unregelmäßiger am Arbeitsplatz sitzen und dadurch schlechter erreichbar sind

Für den Arbeitnehmer:

  • Zeiterfassung von Überstunden in Eigenverantwortung
  • ggf. größerer Leistungsdruck
  • Schwierigere Koordination und Planung von beispielsweise Meetings mit Kollegen

Schreibtalent, HR-Fan und Trend-Spürnase - das ist unsere Autorin Nicole Steffgen. Sie ist Teil des Content Marketing Teams bei Factorial. Was ihren Content so besonders macht? Ihre Leidenschaft für HR und ihr Fokus auf den Menschen einer Organisation.

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