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Betriebliche Übung: Definition und Voraussetzungen

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4 Minuten Lesezeit
Betriebliche Übung

Urlaub-, Weihnachtsgeld oder Freistellung an bestimmten Tagen? All dies kann durch die betriebliche Übung im Unternehmen geregelt sein. Auf welchen Gesetzen fußt diese Regelung und wie stellen Unternehmen sicher, dass Leistungen nur freiwillig angeboten werden?

In diesem Artikel erklären wir Ihnen, welche Voraussetzungen es bei einer betrieblichen Übung geben muss, welche Möglichkeiten Unternehmen haben, die Entstehung einer betrieblichen Übung zu vermeiden und wie diese gekündigt werden kann. 

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Die betriebliche Übung im Arbeitsrecht

Eine betriebliche Übung wird oft als Gewohnheitsrecht bezeichnet und ergibt sich aus dem Verhalten des Arbeitgebers. Was ist damit konkret gemeint? Eine betriebliche Übung kommt immer dann vor, wenn der Arbeitgeber wiederholt und vorbehaltlos etwas im Unternehmen anbietet.

Es handelt sich also um die regelmäßige Wiederholung bestimmter Tätigkeiten, Leistungen oder Vergünstigungen. Durch die Regelmäßigkeit der freiwilligen Leistungen entsteht dann ein Anspruch des Arbeitnehmers. 

Bei diesen Leistungen kann es sich um eine Sonderzuwendung, Übernahme von Weiterbildungskosten oder auch die freiwillige Anwendung eines Tarifvertrages handeln. 

Weitere Beispiele sind: 

  • Sonderzahlungen, z.B. Bonuszahlungen oder die Auszahlung von Urlaubsgeld
  • Prämien
  • Leistungen wie die betriebliche Altersvorsorge
  • Zuschüsse zu Fahrtkosten 
  • Freistellung an bestimmten Tagen 
  • Vorgänge bei Krankmeldungen, beispielsweise an welchem Tag die Krankmeldung im Betrieb eingereicht werden muss
  • Gewährung eines Dienstwagens oder Parkplatzes beim Unternehmen

Betriebliche Übung im Gesetz

Die betriebliche Übung entsteht für Leistungen, die nicht bereits im Arbeitsgesetz oder in einem Tarifvertrag vereinbart wurden.

Konkret wird den Beschäftigten eine freiwillige Leistung gewährt, auf die sie durch ihre Arbeitsverträge oder Tarifverträge eigentlich kein Anrecht haben. Laut Bürgerlichem Gesetzbuch (BGB) entsteht so ein vertraglicher Anspruch auf die wiederholten Leistungen (§ 151 BGB). Entscheidend ist nicht der Verpflichtungswille des Arbeitgebers, sondern das Prinzip von Treu und Glauben. 

Laut Bundesarbeitsgerichts wird durch die wiederholten Leistungen sozusagen ein Vertrag angeboten, dieser wird durch die Leistungsannahme durch den Mitarbeitenden geschlossen. Ganz wichtig ist, dass die betriebliche Übung allen Mitarbeitenden oder eine bestimmte Mitarbeitergruppe gewährt werden muss. Der Anspruch auf diese kann nicht abgeleitet werden, wenn z.B. nur ein Beschäftigter eine Sonderzahlung erhält.

In Köln wies das Arbeitsgericht beispielsweise die Klage einiger Betriebsrentner ab. Diese wollten ihren ehemaligen Arbeitgeber auf die Übergabe einer Torte und Weihnachtsgeld verklagen, da sie beides in den letzten Jahren erhalten hatten und somit die Entstehung einer betriebliche Übung sahen.

Die Klage wurde abgewiesen, da nicht alle Betriebsrentner des Unternehmens Torte und Gehalt erhalten hatten und im jährlichen Weihnachtsschreiben deutlich gemacht wurde, dass die Leistung nur für das jeweilige Jahre gelten sollte. 

Vor Gericht kann die betriebliche Übung von Seiten der Mitarbeitenden eingeklagt werden, wenn die freiwillige Leistung bereits drei Jahre hintereinander wiederholt wurde. 

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Betriebliche Übung: Voraussetzung

Wann hat der Arbeitnehmer Anspruch auf eine betriebliche Übung? Die betriebliche Übung entsteht immer dann, wenn Leistungen des Arbeitgebers in drei aufeinanderfolgenden Jahren vorbehaltlos und in immer der gleichen Höhe gewährt wird. 

Was passiert, wenn Arbeitgeber Sonderzahlungen wiederholt erhalten, diese aber in unterschiedlicher Höhe ausgeschüttet werden? Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass Mitarbeitende sehr wohl auf Sonderzahlungen hoffen können, wenn diese bereits drei mal in unterschiedlicher Höhe ausgezahlt wurden. Allerdings kann die Höhe der Zahlungen dann von Arbeitgeberseite entschieden werden (BAG, Ur­teil vom 13.05.2015, 10 AZR 266/14).

Was gilt hinsichtlich der betrieblichen Übung und Arbeitszeit? Die Arbeitszeit fußt immer auf den vertraglichen Vereinbarungen, die im Arbeits- oder Tarifvertrag beschrieben sind. 

Übrigens: Auch neu eintretende Beschäftigte haben Anspruch auf Leistungen, die aus der betrieblichen Übung entstanden sind. Dieser Anspruch ergibt sich aus §§ 133, 157 BGB.

Arbeitnehmer können aber bei neu eintretenden Mitarbeitenden eine Klausel in den Arbeitsvertrag aufnehmen, in welcher die neuen Mitarbeitenden von der betrieblichen Übung ausgenommen werden, dies muss allerdings sachlich gerechtfertigt sein. 

Wie können Unternehmen die Regelung umgehen?

Kann der Arbeitgeber verhindern, dass ein Anspruch aus betrieblicher Übung entsteht? 

  • Freiwilligkeit: Indem Arbeitgeber den Mitarbeitenden zu verstehen geben, dass die Gewährung der Leistung freiwillig erfolgt und dies schriftlich zum Ausdruck bringt, kann er sich absichern. Dies kann entweder durch einen Vertrag oder durch eine Erklärung des Unternehmens durchgeführt werden. Dazu muss genau angegeben werden, auf welche konkrete Leistung sich die Freiwilligkeit bezieht. 
  • Unregelmäßig: Wenn Arbeitgeber darauf achten, bestimmte Leistungen unregelmäßig anzubieten, können sie das Entstehen einer betrieblichen Übung umgehen. Denn: Für die Entstehung einer betrieblichen Übung ist das Wiederholen bestimmter Verhaltensweisen notwendig. 

Kündigung einer betrieblichen Übung

Wie können Unternehmen die betriebliche Übung beenden? 

  • Einigung: Die Kündigung kann nur durchgeführt werden, wenn sich Mitarbeitende und der Arbeitgeber einvernehmlich darauf einigen. 
  • Aufhebungsvertrag: Wenn der Arbeitsvertrag des begünstigten Mitarbeitenden in Form eines Aufhebungsvertrages  gekündigt wird oder eine Änderungskündigung ausgesprochen wird, wird auch die betriebliche Übung aufgehoben. Der Aufhebungsvertrag bedarf der Zustimmung des Mitarbeitenden. 
  • Änderungskündigung: Bei einer Änderungskündigung werden alle Arbeitsverträge gekündigt und neue Verträge werden mit neuen Regeln erstellt. Das Unternehmen muss zeigen, dass eine Beschäftigung des Mitarbeitenden durch die Regelungen im bestehenden Arbeitsvertrag nicht möglich ist. Der ganze Arbeitsvertrag muss angepasst werden. 

Kann der Arbeitgeber eine betriebliche Übung eigentlich durch Widerruf beseitigen? Der Arbeitgeber kann einen Widerrufsvorbehalt erstellen, in welchem er spezifische und gerechtfertigte Gründe nennt, unter welchen dieser Widerruf gültig ist. Ansonsten ist ein einseitiger Widerruf nicht möglich. 

Achtung: Der Betriebsrat hat keine Mittel, um die betriebliche Übung abzuschaffen. Er hat auch kein Mitspracherecht bei der Entstehung oder Änderung der Leistungen.

Eine Betriebsvereinbarung kann die betriebliche Übung aufgrund des Günstigkeitsprinzips nicht aufheben. Dieses besagt, dass nur die Regelungen in die Betriebsvereinbarung aufgenommen werden dürfen, die für den Beschäftigten günstiger sind, als die im Arbeitsvertrag vorhandenen Regelungen. 

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Sprachgewandt, neugierig und kreativ verfolgt unsere Autorin Marie-Louise Messerschmidt als SEO Content Writer die neuesten HR Trends. Als Teil des Content Marketing Teams arbeitet sie seit Mitte 2022 für Factorial HR. Nach ihrem Abschluss in Betriebswirtschaftslehre an der Georg-August-Universität Göttingen und Sprachwissenschaften an der Ludwig-Maximilians-Universität München befasst sie sich bereits seit 2017 mit Themen im Personalbereich. Ihr Fokus liegt dabei besonders auf rechtlichen und strategischen Themen. Zuletzt hat sie einen Gastbeitrag zum Thema Personalverwaltung im OMT Magazin veröffentlicht.

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