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Pro & Contra: Bewerbung ohne Anschreiben

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7 Minuten Lesezeit
Bewerbung ohne Anschreiben

In einer sich stetig wandelnden Arbeitswelt, geprägt von Digitalisierung und einem Mangel an Fachkräften, verändern sich auch die Regeln für Bewerbungen. Die Zeiten, in denen ein klassisches Anschreiben unausweichlich war, sind vorbei: Eine Bewerbung ohne Anschreiben ist oftmals die Antwort.

Heute haben Bewerber*innen die Freiheit, aus einer Vielzahl von Bewerbungsarten zu wählen, von Kurzprofilen bis hin zu kreativen Video-Bewerbungen. 

Diese Entwicklung wirft für Arbeitgeber immer häufiger die Frage auf: Ist eine Bewerbung ohne Anschreiben eigentlich in Ordnung? Um diese Frage zu beantworten, werfen wir einen Blick auf die Vor- und Nachteile dieser modernen Bewerbungsmethode und betrachten Beispiele von Unternehmen, die bereits neue Wege in der Personalauswahl gehen. Außerdem erörtern wir, wie sich ein Verzicht auf Anschrieben auf Recruiting-Prozesse auswirkt.

Key Facts

  1. Bewerbungen ohne Anschreiben werden vielfältiger, da Unternehmen verschiedene Ansätze akzeptieren, wie das Hochladen von Lebensläufen, Kurzprofilen oder Video-Bewerbungen.
  2. Pro Bewerbung ohne Anschreiben: Effizienz im Bewerbungsprozess, Fokussierung auf Qualifikationen, Förderung der Barrierefreiheit.
  3. Contra Bewerbung ohne Anschreiben: Mangel an Kontext, fehlende Personalisierung, schwierigere Unterscheidung zwischen Bewerber*innen, möglicher Verlust von Informationen.

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Was bedeutet Bewerbung ohne Anschreiben?

Eine „Bewerbung ohne Anschreiben“ bezieht sich auf den Prozess des Bewerbens für eine Stelle, bei dem Bewerber*innen kein traditionelles Anschreiben einreichen. In einer herkömmlichen Bewerbung besteht ein wesentlicher Bestandteil darin, ein Anschreiben beizufügen, in dem Bewerber*innen sich und ihre Qualifikationen vorstellen, ihr Interesse an der Position darlegen und erklären, warum sie die richtige Person für die Stelle sind.

Bewerbungsvielfalt

Doch in Zeiten von Social Media, Digitalisierung und Fachkräftemangel verändert sich auch die Art der Bewerbung. Sie wird vor allem vielfältiger. Es gibt nicht mehr nur einen Weg, sich zu bewerben, sondern viele. Arbeitgeber müssen mehr und mehr selbst entscheiden, welche Art sie bevorzugen und was sie von ihren Bewerber*innen verlangen.

Ist ein Anschreiben notwendig?

Viele Arbeitgeber fragen sich in diesem Zusammenhang, ob ein Anschreiben zwingend notwendig ist und was überhaupt heutzutage in einer Bewerbung verlangt werden kann.

Bevor wir uns das Für und Wider einer Bewerbung ohne Anschreiben ansehen, klären wir zunächst einmal die Frage: Was bedeutet Bewerbung ohne Anschreiben überhaupt? 

Bewerbungen ohne Anschreiben: Wie kann das aussehen?

Eine „Bewerbung ohne Anschreiben“ kann sich auf folgende Arten der Bewerbung beziehen

  • Verzicht auf ein formelles Anschreiben: Es kann schlicht bedeuten, dass Arbeitgeber für eine Bewerbung keine Anschreiben mehr verlangen. Stattdessen fordern sie möglicherweise nur einen Lebenslauf und andere relevante Dokumente, wie Zeugnisse und Zertifikate.
  • Ersetzen des Anschreibens durch ein Kurzprofil: Anstelle eines ausführlichen Anschreibens erstellen Bewerber*innen ein Kurzprofil, in dem sie ihre wichtigsten Qualifikationen und Fähigkeiten zusammenfassen.
  • Nutzung von Bewerbungsportalen oder Online-Formularen: In einigen Fällen verwenden Unternehmen Bewerbungsportale oder Online-Formulare, um Informationen von Bewerber*innen zu sammeln. Diese Formulare können spezifische Fragen zur Qualifikation und Erfahrung der Bewerber*innen enthalten, was ein separates Anschreiben überflüssig macht.
  • Video-Bewerbungen: Statt eines schriftlichen Anschreibens kann es sein, dass Unternehmen auf kurze, von den Bewerber*innen erstellte Videos setzen. In diesen stellen sich die Kandidat*innen persönlich vor.

Laut einer aktuellen Bitkom-Umfrage setzen mittlerweile 40 Prozent aller Unternehmen ausschließlich auf digitale Bewerbungsunterlagen. Viele lassen sogar Arbeitsverträge nur noch digital unterschreiben. Und mehr noch: Jedes sechste Unternehmen führt Bewerbungsgespräche nur noch online durch.

Die Befragten sind sich einig: Digitale Bewerbungsprozesse sind effizienter und kostengünstiger.

Für Arbeitgeber: Anschreiben ja oder nein 

Eine Bewerbung ohne Anschreiben, auch Slim-Recruiting genannt, kann nicht nur für Jobsuchende, sondern auch für Arbeitgeber Vor- und Nachteile haben. Hier sind einige der Pro- und Contra-Aspekte aus Arbeitgebersicht:

Pro Bewerbung ohne Anschreiben:

  • Effizienz: Der Bewerbungsprozess kann schneller und effizienter ablaufen, da Arbeitgeber keine Zeit für das Lesen und Auswerten von Anschreiben aufwenden müssen.
  • Fokussierung auf Fähigkeiten: Ohne ein Anschreiben können Arbeitgeber sich direkt auf die Qualifikationen, Fähigkeiten und Erfahrungen der Bewerber*innen konzentrieren. Das kann dazu beitragen, die besten Kandidat*innen schneller zu finden.
  • Barrierefreiheit: Eine bewerbungsfreundliche Politik, die keine Anschreiben erfordert, kann Menschen mit unterschiedlichen Fähigkeiten und Hintergründen ermutigen, sich zu bewerben.
  • Anschreiben ist nicht mehr zeitgemäß: Traditionelle Anschreiben werden durch knackige Motivationsfragen am Anfang der Bewerbung ersetzt, um effizienter auf die Bewerber einzugehen. Diese Veränderung spart Zeit und ermutigt insbesondere junge Bewerber zur Bewerbung.

Beispiel: Deutsche Bahn

Die Deutsche Bahn verzichtet bereits seit 2019 auf ein Anschreiben bei Bewerbungen. Die Bewerbungszahl ist seitdem gestiegen.

Contra Bewerben ohne Anschreiben:

  • Mangel an Kontext: Ohne Anschreiben kann es für Arbeitgeber schwierig sein, den Kontext der Bewerber*innen und ihre Motivation für die Position zu verstehen.
  • Fehlende Personalisierung: Anschreiben bieten Bewerber*innen die Möglichkeit, ihre Bewerbung auf die spezifischen Anforderungen des Unternehmens zuzuschneiden. Ohne Anschreiben kann die Bewerbung weniger maßgeschneidert wirken.
  • Schwierigere Unterscheidung: Bei Bewerbungen ohne Anschreiben kann es schwieriger sein, zwischen Kandidat*innen zu unterscheiden, da weniger individuelle Informationen zur Verfügung stehen. Die individuelle Qualität nur mit einem Lebenslauf zu ermitteln, kann eine Herausforderung für Recruiter*innen darstellen.
  • Möglicher Verlust von Informationen: Einige Bewerber*innen könnten relevante Informationen oder Qualifikationen auslassen, wenn sie kein Anschreiben einreichen, was potenziell qualifizierte Kandidat*innen ausschließen könnte.
  • Fehlende Kreativität: In Anschreiben haben Bewerber*innen die Möglichkeit, ihre Kreativität und ihre Kommunikationsfähigkeiten zu zeigen. Ohne diese Möglichkeit könnten einige potenziell talentierte Kandidaten übersehen werden.

Die Entscheidung, ob man eine Bewerbung ohne Anschreiben akzeptiert oder nicht, hängt von den spezifischen Anforderungen und Zielen des Unternehmens ab. 

Einige Unternehmen bevorzugen es möglicherweise, Anschreiben zu erhalten, um mehr Kontext und Einblick in die Bewerber*innen zu erhalten, während andere die Effizienz und die Vielfalt der Bewerbungen, die ohne Anschreiben eingereicht werden können, bevorzugen. 

Aber: Bewerbung mit oder ohne Anschreiben

Studien wie die von Joblift zeigen, dass vor allem jüngere Menschen sich eher auf Stellenangebote bewerben, wenn kein Anschreiben gefordert ist.
Ein Recruiter sichtet Lebensläufe.

Konkrete Beispiele – Bewerbungen ohne Anschreiben

Ohne Anschreiben bewerben, z. B. bei LinkedIn mit One-Click-Bewerbung

LinkedIn Bewerbung ohne Anschreiben

Im Gegensatz zu z.B. einer klassischen E-Mail-Bewerbung, ist es auf LinkedIn üblich, von Bewerber*innen keine Anschreiben zu verlangen. Die Plattform ermöglicht es Nutzer*innen, ihre beruflichen Profile umfassend zu gestalten, einschließlich Angaben zu ihren beruflichen Erfahrungen, Fähigkeiten, Bildung und Empfehlungen. Oftmals gibt es auf LinkedIn eine sogenannte One-Click-Bewerbung.

Arbeitgeber können diese Informationen nutzen, um potenzielle Kandidat*innen zu bewerten und mit ihnen in Kontakt zu treten. 

Online-Bewerbung – Anschreiben notwendig?

Generell gilt: Als Arbeitgeber entscheiden Sie, welche Dokumente Sie von den Bewerber*innen einfordern.

Eine Online-Bewerbung ist ein Bewerbungsverfahren, das digital über das Internet abläuft. Eine Online-Bewerbung kann verschiedene Formen annehmen. 

In einem typischen Fall werden Bewerber*innen aufgefordert, ihre beruflichen Informationen, persönlichen Daten und Qualifikationen in ein Online-Formular oder ein Bewerberprofil auf einer Unternehmenswebsite oder einer Jobplattform einzugeben. Dazu kann auch das Hochladen eines Lebenslaufs und anderer relevanter Dokumente wie Zeugnisse und Zertifikate gehören. 

Online-Bewerbung nur Lebenslauf gefordert – Kann man sich nur mit Lebenslauf bewerben?

Bei einer Online-Bewerbung, bei der nur ein Lebenslauf erforderlich ist, werden die Bewerber*innen in der Regel gebeten, ihren beruflichen Werdegang und ihre Fähigkeiten in einem Lebenslauf zu beschreiben, ohne ein separates Anschreiben zu verfassen. 

Diese Vorgehensweise ermöglicht eine schnellere und einfachere Bewerbung und wird von einigen Arbeitgebern zur Vereinfachung des Bewerbungsverfahrens genutzt.

Wenn Sie Ihren Bewerbungsprozess online abwickeln möchten, gibt es verschiedene Recruiting-Plattformen, die Arbeitgeber dabei unterstützen.

Bewerbung ohne Lebenslauf

Eine Bewerbung ohne Lebenslauf kann in seltenen Fällen vorkommen, wenn Arbeitgeber gezielt nach einem informelleren oder kreativeren Ansatz suchen, um Bewerber*innen zu evaluieren. 

Das gilt beispielsweise für kreative Branchen wie Kunst, Design oder Musik, bei denen Portfolio-Arbeiten oder praktische Fähigkeiten wichtiger sind als formale Qualifikationen. Arbeitgeber könnten auch auf diesen Ansatz zurückgreifen, wenn sie Bewerber*innen aufgrund ihrer Persönlichkeit oder kulturellen Passung beurteilen möchten.

Anschreiben optional: Bedeutung

Die Option „Anschreiben optional“, häufig zu sehen bei Online-Bewerbungen, ermöglicht es Arbeitgebern, flexibler auf die individuellen Präferenzen der Bewerber*innen einzugehen. So können sie sowohl Bewerbungen mit Anschreiben als auch solche ohne akzeptieren und dadurch eine größere Bandbreite von Kandidat*innen ansprechen, während sie gleichzeitig diejenigen berücksichtigen, die sich auf andere Weise präsentieren möchten. 

Dies fördert die Diversität im Bewerberpool und erleichtert den Bewerbungsprozess für alle Beteiligten.

Laut einer Umfrage von Taledo ist für  64 Prozent der Unternehmen das Einreichen eines Anschreibens inzwischen als optional.

Anschreiben nicht erforderlich, trotzdem schicken

Arbeitgeber sollten es als positive Bereitschaft zur Flexibilität sehen, wenn Bewerber trotz der Option „Anschreiben nicht erforderlich“ dennoch ein Anschreiben einsenden. Dies zeigt möglicherweise, dass die Bewerber*innen besonders motiviert oder engagiert sind und ihre Qualifikationen und Interessen ausführlicher darlegen möchten.

Beispiele Unternehmen mit unkonventionellen Bewerbungsprozessen

Einige Unternehmen haben unkonventionelle Bewerbungsprozesse entwickelt, um sich von der Konkurrenz abzuheben und die besten Talente anzulocken. 

  • Video-Bewerbung – Adidas: Bewerbungsanschreiben sind bei Adidas passé. Stattdessen werden Bewerber*innen aufgefordert, sich kreativ mit einem Video zu bewerben.
  • Planspiele – Daimler: Daimler entwickelte bspw. für eine ein Bewerbungsverfahren, das aus einem aufwändig vorbereiteten Planspiel bestand. Bewerber*innen mussten eine komplexe Mission lösen, um eine Einladung zum Bewerbungsgespräch zu erhalten.
  • Bewerbung ohne Anschreiben Unternehmen – Aldi Süd: Aldi Süd gehört den zu den unzähligen Unternehmen, die mittlerweile konkret damit werben, dass eine Bewerbung nicht lange dauert und ohne Anschreiben möglich ist. 

Diese Unternehmen haben erkannt, dass traditionelle Bewerbungsprozesse nicht immer die besten Talente identifizieren, und setzen daher auf unkonventionelle Methoden, um die Eignung der Bewerber*innen auf unterschiedliche Weise zu bewerten.

Fazit: Ist eine Bewerbung ohne Anschreiben okay?

Eine Bewerbung ohne Anschreiben ist eine zeitgemäße Alternative, die sowohl Vor- als auch Nachteile für Arbeitgeber und Bewerber*innen bietet. Die Vielfalt der Bewerbungsmöglichkeiten, von kurzen Motivationsfragen bis hin zu Video-Bewerbungen, ermöglicht es Unternehmen, flexibler auf die individuellen Präferenzen der Bewerber*innen einzugehen, während sie gleichzeitig die Effizienz steigern und junge Talente ansprechen können. 

Unternehmen wie die Deutsche Bahn und Adidas setzen bereits erfolgreich auf solche unkonventionellen Bewerbungsprozesse, um die besten Talente anzuziehen.

Am Ende muss jedoch jedes Unternehmen selbst entscheiden, welche Bewerbungsunterlagen es einfordern möchte.

Häufig gestellte Fragen zu Bewerbungen ohne Anschreiben

Ist eine Bewerbung ohne Anschreiben okay? 

Ob eine Bewerbung ohne Anschreiben in Frage kommt, ist von Unternehmen zu Unternehmen unterschiedlich. Grundsätzlich können aber spezifische Motivationsfragen und Bewerbungen im Video-Format eine willkommene Alternative sein.

Kann man sich ohne Anschreiben bewerben?

In vielen Fällen bieten Arbeitgeber schon die Möglichkeit, sich auch ohne klassisches Anschreiben auf offene Stellen zu bewerben. Die wichtigsten Eckdaten entnehmen Recruiter*innen dann dem Lebenslauf.

Ist ein Anschreiben zwingend notwendig? 

Sofern es nicht explizit vom potenziellen Arbeitgeber gefordert wird, sind Bewerbungsschreiben nicht unbedingt nötig. Die Motivation der Bewerber*innen kann auch mit anderen Mitteln, wie etwa Videos, ausgedrückt werden. Allerdings helfen Anschreiben oft dabei, aus der Masse der Bewerbungen herauszustechen.

Maria Macher ist Content Managerin bei Factorial und lebt hier ihre Liebe für die deutsche Sprache und HR-Themen aus. Bereits während ihrer Studienzeit in Wien und Barcelona sammelte sie unterschiedlichste Arbeitserfahrungen: beim Early-Stage-Startup bis hin zum multinationalen Konzern. Dabei lernte sie insbesondere, was verschiedene Unternehmenskulturen ausmacht und welche Rolle die wichtigste Ressource in Unternehmen spielt: die Menschen.

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