Wir hatten bereits über die Wichtigkeit und Umsetzung von Diversity am Arbeitsplatz gesprochen. Doch wie sieht es in der Praxis aus? Wir haben mit Emre Celik, Experte für Diversity und Inclusion und einer der TOP LGBTQ+ Voices in Deutschland, darüber gesprochen, weshalb Diversity & Inclusion in Unternehmen wichtig ist, wie sie sich auf die Unternehmenskultur auswirkt, und mit welchen konkreten Maßnahmen sie gefördert werden kann.
Würdest du uns zunächst ein bisschen über dich erzählen? Wie kamst du zu dem Thema Diversity & Inclusion und was bedeutet Diversity & Inclusion für dich?
Mein Name ist Emre Celik, ich arbeite im Personalbereich eines amerikanischen Softwarekonzerns und setze mich nebenher sehr stark für das Thema Diversity & Inclusion am Arbeitsplatz ein, insbesondere aber auch mit dem Schwerpunkt LGBTQ+.
Warum ist das ein wichtiges Thema für mich? Meine Eltern kommen aus der Türkei, ich bin in Deutschland geboren und gehöre selbst zur LGBTQ+ Community an, weshalb ich vermutlich ein lebendes Beispiel für Diversity & Inclusion bin.
Was bedeutet Diversity & Inclusion in Unternehmen und wieso ist sie so wichtig?
Ich benutze immer sehr gerne dieses Beispiel, weil es einfach sehr anschaulich ist:
Diversity ist wie eine Party mit vielen Menschen, man hat immer sehr viel Spaß, man sitzt nicht alleine auf der Party, man hat gute Gespräche und es läuft gute Musik.
Man hat einfach einen Platz, wo man selbst sein und so akzeptiert wird, wie man ist. Das zeichnet für mich Diversity für mich aus.
Inklusion wiederum ist, wenn man zum Tanz aufgefordert wird. Das bedeutet, auch die Menschen an der Party teilhaben zu lassen, die eventuell an der Seite stehen, sich vielleicht nicht trauen oder grundsätzlich auch einfach ausgegrenzt werden.
Dabei gehen Diversity & Inclusion Hand in Hand.
Wie trägt Diversity & Inclusion zur Unternehmenskultur bei?
Man sagt ja immer, dass die Kultur die Unternehmensstrategie „zum Frühstück verspeist“, das bedeutet, eine Unternehmensstrategie ist nicht durchsetzbar, wenn die Kultur im Unternehmen nicht gut ist. Und die Kultur wiederum setzt sich unter anderem aus Diversity zusammen.
Das bedeutet, wenn Diversity & Inclusion nicht ein Teil der Unternehmensstrategie ist, dann wird man auch keine positive und tolle Kultur schaffen, was sich wiederum auf den Erfolg des Unternehmens ausrichtet. Deswegen ist das für mich ein sehr wichtiger Bestandteil zur Unternehmenskultur.
Welche Herausforderungen ergeben sich unter Umständen daraus?
Viele verstehen nicht, warum man überhaupt Diversity im Unternehmen braucht. Wenn man mit dem Thema noch nie im privaten oder beruflichen Umfeld konfrontiert war, kann man unter Umständen nicht viel damit anfangen und fragt sich zum Beispiel, was die sexuelle Orientierung am Arbeitsplatz zu tun hat. Deswegen ist die größte Herausforderung, dass den Leuten zunächst zu verstehen zu geben, weshalb beispielsweise LGBTQ+ Rechte am Arbeitsplatz wichtig sind, warum Frauen in Führungsposition oder bestimmte Frauenquoten wichtig sind, warum eben Inklusion am Arbeitsplatz wichtig ist.
Nachdem Sie es verstanden haben, können eventuell auch Ängste entstehen, beispielsweise, wenn man nicht weiß, wie man mit jemandem umgeht, der einer bestimmten Gruppierung angehört. Oft höre ich aber auch von anderen Konzernen, dass sie sich bei der Gründung eines LGBTQ+ Netzwerks schwertun, weil bei einer Teilnahme daran automatisch im Unternehmen suggeriert wird, dass diese Person auch der Community angehört.
Oft höre ich auch die Aussage: „Wir brauchen kein Netzwerk, weil wir ja kein Thema damit haben und niemanden haben, der dieser Community angehört, sonst hätte sich diese Person ja geoutet.“ Und genau da fängt das Problem an, dass Menschen sich vielleicht auch nicht outen, weil sie nicht das Gefühl haben, einen Safe Space zu haben.
Was sollten Unternehmen unbedingt vermeiden?
Unternehmen streben Gewinnmaximierung an und mittlerweile ist es bei sehr vielen Unternehmen dazu gekommen, dass eben Diversity darauf einzahlt. Das heißt viele Firmen haben festgestellt, wenn man erfolgreich sein will, muss man auch Diversity & Inclusion im Unternehmen etabliert haben.
Leider ist es oft so, dass es dann aber nur auf einer PowerPoint-Präsentation steht oder nur ein Event gehostet wird und das Thema danach abgehakt wird.
Das sollten Unternehmen meiner Meinung nach vermeiden, den Begriff „Diversity & Inclusion“ nur als Buzzword für Employer Branding Maßnahmen zu verwenden, ohne dass tatsächlich mehr dahinter steckt.
Das Schöne an Diversity & Inclusion ist aber auch, dass es nicht funktioniert, wenn man es nur auf der Agenda stehen hat. Das bedeutet, dass die Unternehmen, die es nur als Aushängeschild verwenden, darin keinen Erfolg haben, weil sie es eben nicht ernst nehmen.
Welche Maßnahmen kann man zur Förderung von Diversity & Inclusion einführen?
Ich persönlich ein sehr großer Fan von Mitarbeiternetzwerken, weil ich fest daran glaube, dass sie Diversity über Mitarbeiter in Unternehmen verbreiten. Das bedeutet zum Beispiel, eine Gruppe, die sich damit beschäftigt, wie man die Frauen im Unternehmen fördert, eine Gruppe, die sich damit beschäftigt, wie man Menschen mit Schwerbehinderung besser im Arbeitsalltag einbezieht, eine Gruppe, die die LQBTG+ Community unterstützt. Wichtig ist auch, diesen Gruppen einen Safe Space zu bieten, also einen Rückzugsort, ein E-Mail-Postfach, oder ein Briefkasten, an welchen sich Mitarbeiter auch anonym wenden können, aber auch sie natürlich auch mit einem kleinen Budget auszustatten, damit Events oder Ähnliches veranstaltet werden können.
Häufig sehe ich, dass Unternehmen Netzwerke haben, aber bei der Frage, welche Maßnahmen sie umgesetzt haben, wird oft erwidert, dass die kein Budget bekommen haben, um eben konkrete Maßnahmen zu planen. Ich finde, dann hat das Unternehmen den Sinn dahinter einfach nicht verstanden.
Diversity muss also auf allen Ebenen verankert sein, von der Führungskraft bis hin zu den Mitarbeiter*innen?
Genau. Der Vorstand gibt es meiner Meinung nach vor und zeigt auch wie wichtig ihnen das es ist. Sobald er das tut, und auch immer wieder verdeutlicht, ziehen auch andere nach. Dann haben auch Mitarbeiter, die in diesen Clubs agieren, deutlich bessere Chancen, weil ihre Events besser besucht werden, Sie mehr Akzeptanz bekommen und in individuellen Gesprächen das eine oder andere Wort weggelassen wird, dass einer dieser Gruppen ausgrenzen würde.
Wo findest du, hat Deutschland noch viel aufzuholen?
Ich persönlich finde, dass das Thema im amerikanischen Raum deutlich weiter ist. Die Unternehmen dort haben das alle fest in Ihrer Unternehmenskultur verankert. Was ich in Deutschland noch wenig sehe, ist der Mittelstand.
Große Konzerne haben die Wichtigkeit von Diversity & Inclusion meistens bereits erkannt und setzen es im Alltag auch schon zum Teil um. Im Mittelstand hingegen sehe ich kaum oder selten etwas, mit der Begründung „wir sind ja so klein, wir brauchen das gar nicht“. Das sehe ich aber nicht so.
Auch bei 500 Mitarbeitern ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass jemand der LGBTQ+ Community angehört, ein Mensch mit einer Schwerbehinderung dabei ist, oder eine benachteiligte Frau im Unternehmen ist.
Auf welche deiner persönlichen Erfolge in diesem Bereich bist du besonders stolz?
Eigentlich engagiere ich mich nicht, um eine Auszeichnung zu gewinnen, sondern weil ich daran Spaß habe und es mir persönlich ein wichtiges Anliegen ist. Was ich einmal aber sehr toll fand, war, als ich in unserem Konzern gemeinsam mit einem Jugendzentrum ein Event zum Thema „LGBTQ+- freundliche Erziehung“ gehostet hatte, an dem 900 – 1000 Mitarbeiter aus ganz Europa teilgenommen haben und Kollegen aus Rumänien auf mich zugekommen sind und gesagt haben „Das brauchen wir auch“. Es hatte sich dann dort ebenfalls eine Mitarbeiterin geoutet und sie hat das Mitarbeiternetzwerk gegründet. Das war für mich schon ein sehr großer Erfolg, dass sie durch meine Aktionen inspiriert wurden, dort ebenfalls ein Netzwerk zu gründen, in einem konservativeren Land als Deutschland.
Gibt es noch etwas, das du gerne teilen würdest?
Was ich jedem mitgeben möchte ist, Diversity & Inclusion kann einfach sein, auch wenn es am Anfang komplex klingt. Ich würde die Unternehmen bitten, wenn sie Diversity & Inclusion einführen und in der Unternehmensstrategie verankern, auch tatsächlich Maßnahmen umzusetzen und wirklich dahinter zu bleiben und so seine Mitarbeiter bestmöglich zu unterstützen.