Nur in wenigen EU-Ländern ist der Gender-Pay-Gap so groß wie in Deutschland. Und auch EU-weit ist das geschlechtsspezifische Lohngefälle nach wie vor hoch. Um mehr Transparenz zu schaffen und mögliche Benachteiligungen bei der Entlohnung aufzudecken, hat die EU im Mai 2023 ein neues Entgelttransparenzgesetz verabschiedet. Dies muss bis spätestens Juni 2026 von den Mitgliedstaaten umgesetzt werden. Was das für Ihr Unternehmen bedeutet, erfahren Sie im folgenden Artikel.
Das Wichtigste in Kürze:
- Die EU-Entgelttransparenzrichtlinie (EU) 2023/970 verpflichtet Arbeitgebende ab Juni 2026 zur Offenlegung von Gehältern.
- Unternehmen müssen Gehaltsspannen in Stellenausschreibungen nennen und allen Beschäftigten Auskunft über das durchschnittliche Entgelt nach Geschlecht erteilen.
- Bei einem Lohngefälle von über 5 Prozent müssen gemeinsam mit dem Betriebsrat Maßnahmen ergriffen werden.
Definition: Was bedeutet Lohntransparenz?
Unter Gehalts- oder auch Lohntransparenz versteht man im Allgemeinen die Offenlegung von Lohninformationen. Arbeitgebende, Arbeitnehmende oder ehemalige Arbeitnehmende können ihre Gehälter auf verschiedene Weise offenlegen. Das Ziel von Gehaltstransparenz ist es, die Gleichbehandlung aller Beschäftigten zu gewährleisten und Diskriminierung zu verhindern. Durch die transparente Darstellung der Gehaltsdaten können die Beschäftigten beurteilen, ob ihr Gehalt fair ist. Unternehmen können sicherstellen, dass sie faire Löhne zahlen.
Formen der Gehaltstransparenz
Grundsätzlich gibt es drei Möglichkeiten, wie Gehälter offengelegt und anderen zugänglich gemacht werden können.
- Individuelle Auskunft: Mitarbeitende haben die Möglichkeit, ihre Kolleg*innen nach ihren Gehältern zu fragen. Diese Auskunftsmöglichkeit konnte jedoch in der Vergangenheit von Unternehmen eingeschränkt werden, indem sie Klauseln in den Arbeitsvertrag aufnahmen, die die Mitarbeitenden zum Stillschweigen über ihre Gehälter verpflichteten.
- Vergleichsportale: Im Internet gibt es verschiedene Lohnvergleichsportale. Diese sammeln entweder Informationen über Gehälter und Löhne oder die Daten werden von Arbeitnehmenden der unterschiedlichsten Branchen selbst eingegeben. Zu den gängigsten Vergleichsportalen im deutschsprachigen Raum gehören etwa Gehalt.de, oder auch die Datenbank vom Statistischen Bundesamt. Das international wohl bekannteste Portal ist Glassdoor.
- Offene Gehaltsinformationen von Unternehmen: Unternehmen machen ihre Gehaltsstruktur öffentlich und damit transparent. Dies geschieht vorrangig im Rahmen von gesetzlichen Richtlinien, die Firmen zu dieser Transparenz verpflichten.
Im Folgenden konzentrieren wir uns auf die letzte Möglichkeit, d. h. die Offenlegung von Gehaltsinformationen durch Unternehmen auf der Grundlage gesetzlicher Vorschriften.
Studie: Lohnsituation in der EU
Ausgangspunkt für den Wunsch nach Lohntransparenz ist die Tatsache, dass Löhne oft nicht gerecht sind. Diese Ungleichheit ist auf verschiedene Faktoren zurückzuführen. Dazu gehört das Lohngefälle zwischen Frauen und Männern, aber auch zwischen Menschen mit und ohne Migrationshintergrund oder zwischen weißen und schwarzen Personen.
Laut Statistischem Bundesamt liegt der unbereinigte Gender-Pay-Gap in Deutschland derzeit bei 16 Prozent (2024). Der Wert ist damit gegenüber 2023, als er noch bei 18 Prozent lag, so stark gesunken wie noch nie seit Beginn der Berechnungen.
Der bereinigte Gender-Pay-Gap – also bei vergleichbarer Qualifikation und Tätigkeit – beträgt weiterhin 6 Prozent und stagniert seit Jahren. Das bedeutet: Selbst bei gleicher Arbeit verdienen Frauen durchschnittlich 4,10 Euro pro Stunde weniger als ihre männlichen Kollegen.
Trotz des jüngsten Rückgangs liegt Deutschland mit einem unbereinigten Gender-Pay-Gap von 16 Prozent deutlich über dem EU-Durchschnitt von 13 Prozent und gehört damit zu den Ländern mit der größten Lohnlücke zwischen Männern und Frauen.
Bemerkenswert ist zudem das Ost-West-Gefälle: Während der Gender-Pay-Gap in Westdeutschland bei 17 Prozent liegt, beträgt er in Ostdeutschland nur 5 Prozent – der niedrigste Wert seit Beginn der Messungen.
Studie: Wettbewerbsvorteil für Unternehmen
Neben dieser Ausgangssituation, die gegen das Gleichbehandlungsgesetz und auch gegen das Grundgesetz verstößt und es daher im Interesse aller Unternehmen sein sollte, diese Ungerechtigkeiten zu beseitigen, ergeben sich für die Unternehmen aus der Offenlegung von Gehaltsinformationen auch ganz einfach Wettbewerbsvorteile. In einer aktuellen Studie von Stepstone gaben 6 von 10 Befragten an, dass sie sich eher auf eine Stelle bewerben würden, wenn das Gehalt offengelegt würde. Ebenso viele Befragte gaben an, in der Vergangenheit schon einmal auf eine Stelle verzichtet zu haben, weil diese keine Gehaltsangaben enthielt.
Der Mercer Global Pay Transparency Report 2024 zeigt außerdem: Nur 28 Prozent der deutschen Unternehmen fühlen sich auf die neuen Transparenzanforderungen vorbereitet – deutlich unter dem globalen Durchschnitt von 32 Prozent.
Tipp: Die HR-Software von Factorial hilft Ihnen mit der vorbereitenden Lohnabrechnung, alle Lohn- und Gehaltsdaten übersichtlich zu erfassen und auszuwerten.
EU-Entgelttransparenzrichtlinie 2023 – Was ist die EU-Richtlinie für Lohntransparenz?
Die Richtlinie der EU (Richtlinie (EU) 2023/970) reagiert nun auf all diese Ungerechtigkeiten. Im Juni 2023 trat die europäische Entgelttransparenzrichtlinie in Kraft. Durch sie sollen Lohndiskriminierung und geschlechtsspezifische Lohngefälle abgeschafft werden. Der Fokus der Richtlinie liegt vorwiegend auf dem geschlechtsspezifischen Aspekt.
Die EU-Mitgliedstaaten haben bis zum 7. Juni 2026 Zeit, die Richtlinie in nationales Recht umzusetzen. In Deutschland hat die elfköpfige Expertenkommission zur „bürokratiearmen Umsetzung“ ihren Abschlussbericht am 7. November 2025 an Bundesministerin Karin Prien übergeben. Ein Referentenentwurf wird für Anfang 2026 erwartet.
Mit der Richtlinie will die EU Unternehmen in Bezug auf Lohntransparenz stärker in die Pflicht nehmen. Unternehmen müssen seit Inkrafttreten des Gesetzes regelmäßig nachweisen, dass ihre Gehaltsstrukturen diskriminierungsfrei sind. In Berichten müssen sie offenlegen, wie das Entgelt für Frauen und Männer bei gleicher und gleichwertiger Arbeit aussieht. Ferner werden die Auskunftsrechte von Beschäftigten gestärkt.
Wichtigster Unterschied: Das bisherige Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG) sah keine Sanktionen bei Verstößen vor und der Auskunftsanspruch galt erst ab 200 Beschäftigten. Die EU-Richtlinie senkt diese Schwelle auf alle Unternehmen und führt erstmals Bußgelder ein.
EU-Richtlinie Lohntransparenz Amtsblatt – EntgTranspRL
Die ganze Richtlinie finden Sie online auf der Seite des Rechtsinformationssystems für Gesetze und Richtlinien der EU.
Sie heißt: Richtlinie (EU) 2023/970 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. Mai 2023 zur Stärkung der Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit durch Entgelttransparenz und Durchsetzungsmechanismen.
Wegweisende BAG-Urteile stärken Arbeitnehmerrechte
Die deutschen Arbeitsgerichte bereiten den Boden für die EU-Umsetzung. Das BAG-Urteil vom 23. Oktober 2025 (Az. 8 AZR 300/24) markiert einen Wendepunkt: Für den Nachweis einer Entgeltdiskriminierung reicht künftig der Vergleich mit einer einzigen Person des anderen Geschlechts aus – ein sogenannter „Paarvergleich“. Arbeitgebende können sich nicht mehr hinter fehlenden statistischen Vergleichsgruppen verstecken. Bereits das BAG-Urteil vom 16. Februar 2023 stellte klar: „Verhandlungsgeschick“ rechtfertigt keine Gehaltsunterschiede zwischen Männern und Frauen bei gleicher Arbeit.
Zeitplan: Diese Fristen müssen Sie kennen

Häufig gestellte Fragen zur Lohntransparenz und zum Entgelttransparenzgesetz
Unterschied: Was ist anders als beim bisherigen deutschen Entgelttransparenzgesetz und was ändert sich 2026 am Gehalt?
Im deutschen Recht gilt bereits seit dem Jahr 2017 ein Entgelttransparenzgesetz, und zwar das „Gesetz zur Förderung der Transparenz von Entgeltstrukturen“. Diese soll gleichen Lohn für gleiche oder gleichwertige Arbeit sicherstellen. Auch hier liegt der Schwerpunkt auf dem geschlechtsspezifischen Lohngefälle. Das Gesetz sieht vor, dass Unternehmen bereits vor Inkrafttreten der EU-Richtlinie ihre Entgeltstruktur so gestalten müssen, dass keine diskriminierenden Lohnunterschiede zwischen Frauen und Männern bestehen.
Die neue EU-Richtlinie geht über das deutsche Gesetz hinaus.
Kernpunkte der Richtlinie, wie die Berichtspflicht für Unternehmen, ein verstärkter Auskunftsanspruch für Beschäftigte und die Pflicht zur Offenlegung des Einstiegsgehalts bei Stellenausschreibungen für Bewerber*innen, sind so im bisherigen deutschen Gesetz nicht enthalten. Die EU-Richtlinie sorgt außerdem dafür, dass Personen, die von Entgeltdiskriminierung betroffen sind, ihren Rechtsanspruch leichter juristisch geltend machen können.
Ab wann gilt das Entgelttransparenzgesetz und für wen gilt das Entgelttransparenzgesetz 2026?
Die Richtlinie zur Lohntransparenz verpflichtet Unternehmen, über Löhne und Lohnstrukturen zu berichten. Dies gilt für alle Unternehmen, die ihren Sitz in einem EU-Mitgliedstaat haben. Je nach Unternehmensgröße gibt es geringfügige Unterschiede.
- Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten: Für sie gilt wie für die mittelgroßen Unternehmen, dass die erste Berichterstattung ein Jahr nach Inkrafttreten der Richtlinie zu erfolgen hat (2027). Danach müssen Betriebe dieser Größenordnung jedoch jährlich über ihre Entgeltstruktur berichten.
- Unternehmen mit mehr als 150 Beschäftigten, aber weniger als 250 Beschäftigten: Die Unternehmen müssen ein Jahr nach Inkrafttreten der Richtlinie, d. h. erstmals im Juni 2027, über ihre Vergütungen Bericht erstatten. Danach sind sie verpflichtet, die Informationen über die Gehälter alle drei Jahre an die zuständigen Behörden zu übermitteln.
- Unternehmen mit mehr als 100 Beschäftigten, aber weniger als 150 Beschäftigten: Die Unternehmen müssen ebenfalls alle drei Jahre berichten, jedoch erst ab dem Jahr 2031.
Welche neuen Vorschriften gelten noch für Unternehmen?
- Arbeitgebende müssen für Stellenbewerber*innen Informationen zur Gehaltsspanne zu einer bestimmten Position angeben. Diese sollen eine transparente Gehaltsverhandlung ermöglichen. Als Arbeitgebende dürfen Sie nicht mehr nach dem Entgelt von Bewerber*innen in aktuellen oder früheren Beschäftigungsverhältnissen fragen.
- Auskunftsrecht: Als Arbeitgebende sind Sie nun verpflichtet, den Arbeitnehmenden eine nach Geschlecht aufgeschlüsselte Auskunft über das Gehaltsgefüge für ähnliche Positionen bereitzustellen. Ferner müssen Sie die dem Gehalt zugrunde liegenden Kriterien angeben. Die Auskunft muss spätestens zwei Monate nach der Anfrage erteilt werden.
Was passiert im Falle eines Verstoßes?
Die Mitgliedstaaten müssen dafür sorgen, dass Personen, deren Rechte und Pflichten im Kontext des Grundsatzes des gleichen Entgelts verletzt wurden, einen vollständigen Schadenersatz oder eine vollständige Entschädigung erhalten können.
- Dies beinhaltet die komplette Nachzahlung des ihnen zustehenden Entgelts sowie aller damit verbundenen Prämien oder Sachleistungen.
- Es gibt dabei keine festgelegte Obergrenze.
- Zudem liegt die Beweislast nicht länger bei den Arbeitnehmenden, sondern beim Arbeitgebenden. Dieser muss nachweisen, dass keine unmittelbare Lohndiskriminierung aufgrund des Geschlechts vorliegt. Das BAG-Grundsatzurteil vom 16. Februar 2023 (Az. 8 AZR 450/21) stärkt diese Position: „Verhandlungsgeschick“ ist kein objektives Kriterium zur Rechtfertigung von Gehaltsunterschieden. Wer weniger zahlt, muss nachweisen, dass keine Diskriminierung vorliegt.
Vorgesehen sind wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionen gemäß Art. 23 der Richtlinie, darunter auch Geldbußen, die prozentual am Jahresumsatz bemessen werden können. Anders als beim bisherigen Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG) ergeben sich dadurch nun echte Konsequenzen.
Ist es ein Kündigungsgrund, wenn man über sein Gehalt spricht?
Es gibt kaum eine Frage, die Beschäftigte im Kontext der Bezahlung am Arbeitsplatz so häufig stellen, wie die Frage, ob sie mit ihren Kolleg*innen über ihr Gehalt sprechen dürfen und ob dies ein Kündigungsgrund ist.
Die Antwort auf diese Frage ist ein klares Nein. Es ist kein Kündigungsgrund, mit Kolleg*innen oder anderen Personen über das Gehalt zu sprechen. Oft gibt es, vor allem in Deutschland, eine Kultur der Verschwiegenheit über das Gehalt, aber es gibt kein Gesetz, das das vorschreibt. Genau diese Kultur der Verschwiegenheit soll die neue Richtlinie durchbrechen.
Der Arbeitsvertrag kann jedoch bestimmte Verschwiegenheitsklauseln enthalten, die die Arbeitnehmenden dazu anhalten, dies aus Gründen des Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisses zu unterlassen. Diese Klauseln werden jedoch von den Gerichten regelmäßig als unzulässig angesehen, da sie gegen den Grundsatz der Entgeltgleichheit verstoßen.
So geht die Umsetzung der Richtlinie im Unternehmen
Laut dem bereits erwähnten Mercer Global Pay Transparency Report 2024 fühlen sich nur 28 Prozent der deutschen Unternehmen auf die neuen Anforderungen vorbereitet.
Was HR-Teams jetzt tun sollten:
-
Pay-Gap-Analyse durchführen: Ungerechtfertigte Lohngefälle von mehr als 5 Prozent identifizieren.
-
Vergütungskriterien dokumentieren: Diese sollten objektiv und geschlechtsneutral sein, z. B. basierend auf Kompetenz, Verantwortung und Arbeitsbelastung.
-
Bewerbungsprozess anpassen: Gehaltsspannen in Stellenausschreibungen offenlegen und keine Fragen nach dem bisherigen Gehalt stellen.
So kann Factorial Sie unterstützen
Eine HR-Software wie Factorial kann Sie und Ihr Unternehmen auf verschiedene Weisen bei den Änderungen durch das neue Gehaltstransparenzgesetz unterstützen:
- Factorial bietet eine zentrale Plattform für die Speicherung von Mitarbeiterdaten, einschließlich Gehaltsinformationen. Diese Daten können leicht zugänglich und sicher verwaltet werden.
- Unsere Software ermöglicht umfassende Lohn- und Gehaltsanalysen, um potenzielle geschlechtsspezifische Unterschiede zu identifizieren und darauf basierend Handlungspläne zu entwickeln.
- Automatisierte Berichtsfunktionen erleichtern die Erfüllung der Anforderungen für die Gehaltsberichterstattung an nationale Behörden gemäß dem neuen Gesetz.
- Transparente Kommunikation über Gehaltsstrukturen wird durch die Plattform gefördert.
- Factorial integriert verschiedene HR-Funktionen, von der Personalverwaltung bis zur Zeiterfassung, um die Effizienz der gesamten HR-Verwaltung zu verbessern.
👉 Durch diese Funktionen unterstützt Factorial Unternehmen dabei, die neuen Anforderungen des Gehaltstransparenzgesetzes zu erfüllen. Es erleichtert die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften, fördert transparente Prozesse und trägt dazu bei, geschlechtsspezifische Gehaltsunterschiede zu überwachen und zu reduzieren.

