Psychologische Sicherheit ist dann gegeben, wenn Beschäftigte sich sicher und wohl fühlen, Gedanken zu äußern und Fehler einzugestehen. Es handelt sich hierbei um ein Konzept, das für Unternehmen nicht nur zu einer Frage der Mitarbeitergesundheit, sondern vielmehr zu einem Erfolgsfaktor für das Unternehmen selbst wird.
Lesen Sie im folgenden Artikel, was es mit diesem Konzept aus den USA auf sich hat und wie Sie psychologische Sicherheit bei sich im Betrieb etablieren und fördern könne.
Key Facts
- Psychologische Sicherheit beschreibt ein Arbeitsumfeld, in dem Beschäftigte ihre Ideen, Meinungen und Fehler offen äußern können, ohne negative Konsequenzen befürchten zu müssen.
- Psychologische Sicherheit wird durch Hilfsbereitschaft, Inklusion und Diversität, eine positive Einstellung zu Misserfolgen und Risiken sowie offene Kommunikation gefördert.
- Führungskräfte können psychologische Sicherheit durch regelmäßiges Feedback, Vorbildverhalten, Unterstützung, aktives Zuhören, Vertrauen und transparente Kommunikation aktiv fördern.
- Was bedeutet psychologische Sicherheit?
- Warum ist psychologische Sicherheit am Arbeitsplatz so wichtig?
- Wie setzt sich psychologische Sicherheit zusammen?
- Wie können Sie psychologische Sicherheit am Arbeitsplatz fördern?
- Messung der psychologischen Sicherheit in Ihrem Unternehmen
Was bedeutet psychologische Sicherheit?
Definition
Psychologische Sicherheit beschreibt im Arbeitskontext eine Arbeitsatmosphäre oder -umgebung, die den Mitarbeitenden das Gefühl gibt, dass sie ihre Idee, Meinung, Überlegungen oder auch das Eingestehen von Fehlern offen und sicher äußern können. Das Konzept setzt voraus, dass sich die Mitarbeitenden wohlfühlen und ohne Angst vor Sanktionen oder negativen Konsequenzen handeln.
Ursprung – Amy Edmondson
Das Konzept der psychologischen Sicherheit geht maßgeblich auf die Arbeiten von der Sozialwissenschaftlerin und Harvard-Professorin Amy Edmondson zurück. Sie hat den Begriff und die Forschung zur psychologischen Sicherheit vor allem in den frühen 2000er Jahren geprägt.
Edmondsons Studien zeigten, wie sich psychologische Sicherheit in Teams auf Leistung und Innovation auswirkt. Sie fand so heraus, dass Teams, in denen sich die Teammitglieder sicher fühlen, ihre Gedanken zu äußern und Fehler zuzugeben, bessere Ergebnisse erzielen und schneller lernen.
Warum ist psychologische Sicherheit am Arbeitsplatz so wichtig?
Der Grad der psychischen Sicherheit am Arbeitsplatz hat weitreichende Auswirkungen auf verschiedene Faktoren in einem Unternehmen. So wirkt sich psychologische Sicherheit auf den Unternehmenserfolg und die Gesundheit der Mitarbeitenden aus.
Werfen wir einen genaueren Blick auf die Bedeutung des Vorhandenseins von psychologischer Sicherheit:
1. Förderung von Innovation und Kreativität
Wenn die Mitarbeitenden sich frei und wohl fühlen, Dinge auszuprobieren – auch wenn sie vielleicht nicht auf Anhieb funktionieren – ist der Innovationsoutput am Ende für den Betrieb größer. Nur durch Ausprobieren entstehen neue Ideen. Unternehmen, die ihren Mitarbeitenden daher ein Gefühl der psychologischen Sicherheit vermitteln, profitieren von innovativeren und kreativeren Ideen und Lösungen. Dies geschieht, wenn die Teammitglieder nicht befürchten müssen, ausgelacht, abgelehnt oder bestraft zu werden (z. B. in Form von Kritik oder Sanktionen).
2. Verbesserte Problemlösungen
Die gesteigerte Innovationskraft, gepaart mit der geförderten Kreativität im Team, führt auch dazu, dass das Unternehmen bei Problemen besser aufgestellt ist. Unternehmen, in denen immer nur nach Schema F gearbeitet wird, können bei plötzlich auftretenden unerwarteten Problemen ins Trudeln geraten. Teammitglieder, die in einer sicheren Atmosphäre arbeiten, sind eher bereit, neue Ansätze und kreative Problemlösungen zu erkunden und vor allem anzusprechen.
3. Verbesserte Mitarbeiterbindung und -zufriedenheit
In einem Team, das psychologische Sicherheit fördert, ist die Mitarbeiterzufriedenheit und -bindung in der Regel sehr hoch. Nur wenn sich Beschäftigte wertgeschätzt und unterstützt fühlen, bleiben sie gerne im Unternehmen und arbeiten motiviert. Psychologische Sicherheit reduziert somit auch die Fluktuation – ein großes Problem für Betriebe, insbesondere angesichts des Fachkräftemangels.
Studien wie der iga-Report weisen immer wieder daraufhin, dass Wertschätzung ein zentrales Element in der Förderung der Mitarbeiterzufriedenheit und im Retention Management ist.
4. Verbesserte Teamarbeit
In einem Umfeld der psychologischen Sicherheit ist auch der Umgang im Kollegium oft offener und zugänglicher, was zu einer reibungsloseren Kommunikation und Zusammenarbeit führt. Insgesamt ist das Miteinander freundlicher, was für den Teamerfolg in einem Unternehmen förderlich ist.
5. Verbesserte Mitarbeitergesundheit
Arbeitnehmende, die in einem rauen Klima arbeiten, in dem es viel Lärm, Druck und Stress gibt, haben auch gesundheitliche Folgen: Ein toxisches Arbeitsumfeld kann Beschäftigte krank machen. In vielen Ländern ist die Zahl der Arbeitnehmenden, die an Burnout erkranken, bereits sehr hoch.
Ein gutes Betriebsklima hingegen fördert das Wohlbefinden und damit die Gesundheit Ihrer Mitarbeitenden. Gesunde Angestellte fallen weniger aus und sind leistungsfähiger. Die langfristigen positiven Auswirkungen sind daher nicht zu unterschätzen.
Und nicht selten sind die Führungskräfte selbst dafür verantwortlich: Laut einer gemeinsamen Studie der Universitäten Trier, Bielefeld und der Hochschule RW Berlin im Rahmen der Auswertung der Bewertungsplattform kununu sind in 85 Prozent der Unternehmen sogenannte toxische Führungsverhaltensweisen anzutreffen.
Wie setzt sich psychologische Sicherheit zusammen?
Was sind Grundvoraussetzungen für die Entstehung von psychologischer Sicherheit? Wie stellt sich dieses Gefühl bei Menschen ein?
Schlüsselfaktoren, die zur Entstehung der psychologischen Sicherheit laut Amy Edmondson beitragen, sind u. a.:
1. Bereitschaft zu helfen
Die Beschäftigten sind bereit, einander Hilfe anzubieten und sich gegenseitig zu unterstützen. Kooperation ist immer ein wichtiger Faktor, der dazu führt, dass sich Menschen, in diesem Fall Teammitglieder, in einem Unternehmen überhaupt erst sicher fühlen, nach Hilfe zu fragen. Es werden viel weniger Fehler gemacht, wenn die Menschen sich trauen, um Hilfe zu bitten.
2. Inklusion und Vielfalt
Je vielfältiger ein Unternehmen ist, desto eher fühlen sich die Teammitglieder ermutigt, ihre Ideen und Meinungen offen mitzuteilen. Ein sehr homogenes Unternehmen fördert hingegen die Dominanz einer bestimmten Meinung und lässt wenig Platz für andere Ansichten.
3. Einstellungen zu Misserfolgen und Risiken
Misserfolge werden nicht als Scheitern, sondern als Chance und Lernmöglichkeiten angesehen. Hier sind die Führungskräfte gefordert, ein Klima zu schaffen, in dem eine offene Fehlerkultur im Team herrscht. Fehler werden nicht als Versagen, sondern als Lernmöglichkeit betrachtet, sodass die Angst vor dem Scheitern abgebaut wird und Mitarbeitende zum Experimentieren ermutigt werden.
4. Offenheit
Psychologische Sicherheit entsteht, wenn Beschäftigte das Gefühl haben, offen kommunizieren zu können und nichts zurückhalten zu müssen, aus Angst, es könnte negativ aufgenommen werden. Sie müssen sich frei und ermächtigt fühlen, was gleichzeitig bedeutet, dass es möglich sein muss, unterschiedlichen Meinungen Raum zu geben.
Weitere Faktoren, die eine Grundlage für die Entwicklung und Entstehung einer Kultur der psychologischen Sicherheit in einem Unternehmen bilden:
Vertrauen
Die Grundhaltung im Unternehmen unter den Beschäftigten ist die Annahme, dass alle Kolleg*innen, Führungskräfte, Vorgesetzte oder andere Mitarbeitende mit den besten Absichten, zum Wohle aller und fair handeln. Es herrscht kein Klima der Missgunst oder Skepsis. Ein gegenseitiges Grundvertrauen in Kolleg*innen und Führungskräfte ist unerlässlich.
Respekt und Wertschätzung
In einem Umfeld der psychologischen Sicherheit schreien Vorgesetzte ihre Mitarbeitenden nicht an, neigen nicht zu Wutausbrüchen, üben keinen Druck auf die Mitarbeitenden aus oder ähnliches. Stattdessen ist der Umgang untereinander fair und basiert auf Wertschätzung und Respekt. Jede Person sollte sich unabhängig von ihrer Position oder Meinung geschätzt und ernst genommen fühlen.
Gleichzeitig müssen bestimmte Grundwerte klar sein. Das bedeutet zum Beispiel, dass das Unternehmen eine klare Haltung gegen Diskriminierung jeglicher Art einnimmt und die Beschäftigten davor schützt.
Vorhersehbarkeit
Vorhersehbare Strukturen und Prozesse reduzieren Unsicherheit und tragen zu einem Gefühl der Sicherheit bei. Das bedeutet z. B. auch, dass Beschäftigte die Gewissheit haben, dass sie bei Fehlern nicht sofort entlassen werden oder dass sie bei Veränderungen im Betrieb nicht befürchten müssen, dass sofort Stellen abgebaut werden und damit ihr Arbeitsplatz gefährdet ist.
Menschen, die unter Angst vor Arbeitsplatzverlust arbeiten, sind in der Regel weniger leistungsfähig als diejenigen, die sich auf Sicherheit verlassen können. Gleiches gilt für Arbeitnehmende mit befristeten Arbeitsverträgen. Unbefristete Arbeitsverträge, d. h. Planbarkeit und Sicherheit für die Zukunft, tragen wesentlich zum psychischen Wohlbefinden der Beschäftigten bei.
Wichtig: Psychologische Sicherheit ist letztlich Chefsache. Es kann nämlich vorkommen, dass in bestimmten Teams oder Abteilungen ein hohes Maß an psychologischer Sicherheit herrscht, während andere, oft niedrig gestelltere Beschäftigte, ein sehr geringes oder gar kein psychologisches Sicherheitsgefühl haben.
Wie können Sie psychologische Sicherheit am Arbeitsplatz fördern?
Was kann das Management bzw. die Personalabteilung nun konkret tun, um die psychologische Sicherheit im Team zu fördern? Psychologische Sicherheit stellt sich nicht von selbst ein. Sie muss aktiv gefördert und die Mitarbeitenden müssen langsam an bestimmte Verhaltensweisen herangeführt werden. Der Schlüssel dazu ist die Führung. Gute Führung ist in diesem Zusammenhang ein Garant für den Erfolg des Konzepts. Wir haben für Sie einige mögliche Wege und Tipps zusammengestellt.
Feedback
Die Einführung regelmäßiger Feedbackrunden ist eines der wichtigsten Instrumente zur Schaffung psychologischer Sicherheit. Hier lernen die Beschäftigten, ihre Meinung offen zu äußern. Führungskräfte können außerdem signalisieren, dass die Meinung und das Feedback der Mitarbeitenden wichtig sind – das wiederum ermutigt Teammitglieder zur offenen Äußerung.
Vorbild sein
Als Führungskraft haben Sie es in der Hand, ob die Arbeitsumgebung positiv oder negativ ist. In einem Umfeld, in dem Vorgesetzte herumschreien oder Wutanfälle bekommen, werden sich die Teammitglieder kaum ermutigt fühlen, aktiv auf sie zuzugehen und Ideen einzubringen. Stattdessen werden sie in einem Klima der Angst leben.
Gleichzeitig hilft es auch, wenn Führungskräfte selbst Fehler zugeben oder offen ansprechen, wenn sie etwas nicht wissen. Auf diese Weise lernen ihre Mitarbeitenden, dass es in Ordnung ist, Fragen zu stellen, Fehler zu machen, aber auch, dass es wichtig ist, sich Hilfe zu holen, nachzufragen und gemeinsam zu versuchen, Fehler nicht zu wiederholen.
Unterstützung anbieten
Wenn Sie möchten, dass Ihr Team sich gegenseitig hilft und unterstützt, dann sollten Sie dies auch Ihren Teammitgliedern signalisieren. Zeigen Sie ihnen beispielsweise, dass sie auch bei Problemen jederzeit zu Ihnen kommen können und dass dies Ihrerseits nicht als nervige Belastung, sondern als Vertrauensbeweis verstanden wird.
Aktives Zuhören
Führungskräfte, die ihren Mitarbeitenden nicht zuhören, vermitteln schnell, dass sie deren Meinung für irrelevant halten. Das ist fatal. Praktizieren Sie also aktives Zuhören und gewähren Sie Ihrem Team die nötige Zeit.
Vertrauen schenken
Beschäftigte sollen das Gefühl haben, dass man ihnen vertraut und dass sie Verantwortung übernehmen können. Das bedeutet für Führungskräfte auch, Kontrolle und Verantwortung abgeben zu können, im Vertrauen darauf, dass das Team die Dinge schon regeln wird. So wachsen beide: Teammitglieder und Führungskraft.
Beschäftigte, die sich aktiv in das Unternehmen einbringen können, haben das Gefühl, wichtig zu sein. Nichts ist schlimmer, als wenn Beschäftigte das Gefühl haben, austauschbar und unwichtig zu sein. Das wird ziemlich sicher zu Demotivation und einer schlechten Arbeitsleistung führen.
Führungsstil reflektieren
Bestimmte Führungsstile können besser als andere eine Atmosphäre der psychologischen Sicherheit schaffen. Agile Führungsmethoden sind dafür beispielsweise besser geeignet als autoritäre Führungsmethoden.
Transparente Kommunikation
Regelmäßige Teamsitzungen, Meetings und offene Türen schaffen Raum für Austausch.
Tipp: Allerdings sollte man es mit den Besprechungen nicht übertreiben und sich vorher überlegen, ob wirklich das ganze Team daran teilnehmen muss. Insbesondere seit Corona hat sich bei vielen Mitarbeitenden eine Meetingmüdigkeit eingestellt. Viele Arbeitnehmende haben teilweise mittlerweile das Gefühl, dass die Meetings sie von ihrer eigentlichen Arbeit abhalten, anstatt sie dabei zu unterstützen.
Informationen teilen
Mitarbeitende mögen es nicht, wenn ihnen Informationen aus dem Unternehmen vorenthalten werden, weil sie dann das Gefühl haben, dass sie nicht wichtig genug sind, um mit ihnen geteilt zu werden. Seien Sie also so transparent wie möglich und teilen Sie Informationen mit Ihrem Team. Dies stärkt das Vertrauen, die Motivation und die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen.
Messung der psychologischen Sicherheit in Ihrem Unternehmen
Amy Edmondson hat in ihrer Organisation „The Fearless Organization Scan“ ein Instrument bzw. einen Fragebogen entwickelt, mit dem Sie testen können, wie es um die psychologische Sicherheit in ihrem Unternehmen bestellt ist. Grundlage des Tests ist der Grad der Ausbildung der vier Schlüsselfaktoren in Ihrem Unternehmen.
Einen Überblick über die Fragen, die bei einem solchen Test abgefragt werden, finden Sie auch auf der Seite von Swiss ICT.