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Arztbesuch während der Arbeitszeit: Was ist erlaubt und was nicht?

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5 Minuten Lesezeit
Arztbesuch während der Arbeitszeit: Was ist erlaubt und was nicht?

Arztbesuche von Mitarbeitenden sollten in der Regel in der Freizeit stattfinden. Dies ist jedoch nicht immer möglich und es kommt vor, dass Arbeitnehmende während der Arbeitszeit medizinisches Personal aufsuchen müssen. Welche Regelungen gelten hier, wann ist ein Arztbesuch möglich und vor allem: Sind Sie als arbeitgebende Person in diesen Fällen zur Lohnfortzahlung verpflichtet?

Antworten auf diese Fragen finden Sie im folgenden Artikel.

Key Facts

  1. Bei akuten Erkrankungen, Facharztterminen ohne flexible Sprechzeiten oder medizinisch notwendigen Untersuchungen während der Arbeitszeit kann ein Anspruch auf Lohnfortzahlung nach § 616 BGB bestehen.
  2. Schwangere, stillende Mütter und minderjährige Beschäftigte haben einen erweiterten Anspruch auf Freistellung für Arztbesuche während der Arbeitszeit unter Fortzahlung des Arbeitsentgelts.
  3. Arbeitnehmende müssen Arztbesuche während der Arbeitszeit nachweisen und ihre Vorgesetzten so früh und so schnell wie möglich über den anstehenden Besuch informieren.

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Wann dürfen Arbeitnehmende während der Arbeitszeit zum Arzt gehen?

Grundsätzlich gilt: Arztbesuche sollten Mitarbeitende außerhalb der Arbeitszeit in ihrer Freizeit wahrnehmen.

Doch manchmal ist das nicht möglich oder gar nicht so einfach. Deshalb gibt es hier Ausnahmen. Diese Ausnahmen zum Thema Arztbesuche während der Arbeitszeit sind in unterschiedlichen Regelungen und Gesetzen festgelegt. Diese schauen wir uns nun im Einzelnen an.

Gesetzliche Regelung – § 616 BGB Arztbesuch während der Arbeitszeit

Arbeitnehmende sind per Arbeitsvertrag und per Arbeitsrecht grundsätzlich zur Erbringung ihrer Arbeitsleistung verpflichtet, können also ihren Arbeitsplatz nicht einfach wegen Freizeitaktivitäten verlassen. Allerdings kann es unter Umständen notwendig oder sogar zwingend erforderlich sein, dass Mitarbeitende während der Arbeitszeit einen Arzt bzw. eine Ärztin aufsuchen müssen.

In solchen Fällen greift § 616 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Hier heißt es:

„Der zur Dienstleistung Verpflichtete wird des Anspruchs auf die Vergütung nicht dadurch verlustig, dass er für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden an der Dienstleistung verhindert wird.“

Das bedeutet, dass Arbeitnehmende in den Fällen, in denen der Zeitpunkt des Arzttermins in einer Arztpraxis oder Krankenhaus außerhalb ihrer Kontrolle liegt, das Recht haben, diesen während der Arbeitszeiten wahrzunehmen und darüber hinaus Anspruch auf Lohnfortzahlung durch Arbeitgebende haben.

Anspruch auf Arztbesuch

Was können das für Situationen sein?

In folgenden Fällen dürfen Angestellte ihren Arbeitsplatz zur Wahrnehmung eines Arzttermins verlassen:

  • Wenn Arbeitnehmende während der Arbeitszeit akut erkranken, weil beispielsweise heftige Schmerzen auftreten oder sie sich verletzen, dürfen diese selbstverständlich einen Arzt bzw. eine Ärztin aufsuchen. Handelt es sich hier um einen Unfall, der während der Arbeitszeit geschieht, liegt ein Arbeitsunfall vor. In diesen akuten Fällen ist der Arztbesuch während der Arbeitszeit also eine medizinische Notwendigkeit.
  • Außerdem dürfen Beschäftigte Arzttermine während der Arbeitszeit wahrnehmen, wenn es sich z. B. um einen Termin bei Fachärzt*innen handelt. Diese sind oft schwer zu terminieren und die Wartezeit ist lang. Zudem wird der Termin in der Regel vom Arztpersonal weit im Voraus vereinbart. Patient*innen haben hier oft keine Wahl.
  • Gleiches gilt, wenn eine Untersuchung aus medizinischen Gründen während der Arbeitszeit erforderlich ist. Dies kann beispielsweise bei Blutentnahmen am Morgen der Fall sein, bei denen die Patient*innen nüchtern zur Untersuchung erscheinen müssen.
  • Darüber hinaus sind Arzttermine während der Arbeitszeit erlaubt, wenn die jeweilige Praxis keine Termine außerhalb der Arbeitszeit anbietet, diese Untersuchung aber notwendig ist (z. B. ein CT).

Studie:

Insgesamt ist allerdings zu beachten, dass die Wartezeiten auf Arzttermine im internationalen Vergleich in Deutschland sehr gering sind. Im OECD-Vergleich weist Deutschland mit den Niederlanden und der Schweiz die kürzesten Wartezeiten auf.

Wichtig:

Regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen fallen in der Regel nicht unter die oben genannten Situationen. Arbeitnehmende sind hier angehalten, sich dafür außerhalb der Arbeit Zeit zu nehmen.

Informationspflicht

Arbeitgebende sind über einen Arztbesuch während der Arbeitszeit in jedem Fall zu informieren.

Ausnahmen

Neben diesen Regelungen gibt es Ausnahmen für bestimmte Personengruppen. So gibt es Menschen, die einen besonderen Schutz genießen und erweiterte Rechte haben, während andere Gruppen in ihren Rechten eingeschränkt sind. Auf diese Ausnahmen wird im Folgenden näher eingegangen.

Besonderer Schutz

Für folgende Personen gelten erweiterte Rechte, was Arztbesuche während der Arbeitszeit anbelangt:

  • Schwangere und stillende Mütter

Das Mutterschutzgesetz sieht vor, dass Arbeitgebende schwangere und stillende Personen, bei Untersuchungen, die zu den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung gehören, für diese Zeit von der Arbeit freizustellen haben. Stillende müssen auch die Möglichkeit haben, ihr Kind während der Arbeitszeit zu stillen. In beiden Fällen sind Arbeitgebende zur Fortzahlung des Arbeitsentgelts verpflichtet.

  • Jugendliche

Minderjährige Beschäftigte sind im Rahmen des Jugendarbeitsschutzgesetzes für gesetzlich vorgeschriebene Untersuchungen von der Arbeit freizustellen (§ 43 JArbSchG). Das gilt auch für minderjährige Auszubildende. Auch hier handelt es sich um eine bezahlte Freistellung von der Arbeit.

Eingeschränkte Rechte

  • Mitarbeitende in Teilzeit

Für Teilzeitbeschäftigte kann es schwierig sein, nachzuweisen, dass ein bestimmter Arztbesuch während der Arbeitszeit stattfinden muss. Schließlich haben sie mehr Zeit und können ihre Freizeit und damit auch ihre Arztbesuche flexibler gestalten. Anders sieht es natürlich aus, wenn Teilzeitbeschäftigte neben dieser Beschäftigung noch eine andere Tätigkeit ausüben. Klar ist: Bei akuten Erkrankungen können bzw. müssen Teilzeitbeschäftigte selbstverständlich auch innerhalb der Arbeitszeit zum Arzt gehen dürfen.

  • Beschäftigte in Gleitzeit

Mitarbeitende mit Gleitzeit haben einen größeren Spielraum bei der Arbeitszeitgestaltung. Auch hier muss es eher möglich sein, Arzttermine außerhalb der Arbeitszeit wahrzunehmen. Es hängt jedoch auch ein wenig von den Arbeitgebenden ab, wie viel Verständnis und Flexibilität diese ihren Mitarbeitenden entgegenbringen.

Chronisch krank – Arztbesuch während der Arbeitszeit

Personen mit einer chronischen Krankheit haben nicht automatisch Anspruch auf einen Arztbesuch während der Arbeitszeit. Auch sie sind angehalten, Arzttermine zu anderen Zeiten zu vereinbaren. Aber natürlich sind auch hier Ausnahmen möglich. Dialysepatient*innen z. B., die zu festen Terminen oder zu einer bestimmten Tageszeit einen Arzttermin wahrnehmen müssen, es sich also um eine medizinische Notwendigkeit handelt, haben selbstverständlich einen Anspruch darauf.

Homeoffice

Die oben genannten Regelungen gelten auch für Beschäftigte, die zu Hause arbeiten. Hier ist die Informationsweitergabe an die Vorgesetzten besonders wichtig.

Kind krank

Kann ein Arztbesuch von Kindern von Arbeitnehmenden nicht in der Freizeit erfolgen – z. B. weil es sich um einen Notfall handelt – müssen die Eltern ärztlich nachweisen, dass die Begleitung notwendig war. Als Faustregel gilt, dass Kinder ab 12 Jahren bereits alleine zum Arzt gehen können.

Bescheinigungspflicht

Grundsätzlich müssen Arbeitnehmende, die eine Arztpraxis während der Arbeitszeit aufsuchen, den Arbeitgebenden gegenüber einen Nachweis erbringen.

Arztbesuch während der Arbeitszeit – Formular PDF

Wenn Sie als arbeitgebende Person diese Nachweispflicht in Ihrem Unternehmen einführen möchten, sollten Sie Ihren Mitarbeitenden entsprechende Formulare zur Verfügung stellen. Aber auch Arztpraxen stellen auf Wunsch Bescheinigungen für Patient*innen aus.

Vorlagen hierfür finden Sie auf verschiedenen Internetseiten.

Wichtig: Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen

Schließlich ist zu beachten, dass die oben genannten Regelungen teilweise durch Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen eingeschränkt werden können. So kann es z. B. Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen geben, in denen geregelt ist, dass Arbeitnehmende für Arztbesuche während der Arbeitszeit nur eine unbezahlte Freistellung erhalten.
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Julia Lehmann ist Schriftstellerin, Philosophin, Künstlerin und Übersetzerin und schreibt seit 3 Jahren über HR- und arbeitsbezogene Themen und Nachrichten.

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