Ein Arbeitsunfall ist schnell passiert. Trotz gesetzlich vorgeschriebener betrieblicher Sicherheitsmaßnahmen sind Arbeitsunfälle nicht ganz unvermeidbar. Ob Mitarbeiter*innen beim Heben schwerer Gegenstände einen Hexenschuss erleiden oder im Büro über eine Tasche stolpern und sich den Arm brechen – das Risiko eines Arbeitsunfalls besteht überall und jederzeit.
Für die Personalabteilung eines Unternehmens ist es daher wichtig, zu wissen, wie sie reagieren muss. Denn nur wer richtig handelt, kann sich weitere Unannehmlichkeiten, Streitigkeiten und gegebenenfalls sogar eine Einigung vor Gericht sparen.
Damit dies nicht passiert, haben wir das Thema Arbeitsunfall ausführlich behandelt. Alles Rund um Meldepflichten, Berufsgenossenschaft, Unfallversicherung, Lohnfortzahlung und das richtige Verhalten von Arbeitgebenden und Arbeitnehmenden lesen Sie in diesem Artikel.
- Arbeitsunfall: Definition
- Wer zahlt bei einem Arbeitsunfall?
- Die Rolle der Berufsgenossenschaft
- Arbeitsunfall melden: Besteht eine Meldepflicht?
- Lohnfortzahlung bei einem Arbeitsunfall
- Arbeitsunfall: Droht eine Kündigung?
- Wie sollten sich Arbeitgebende verhalten?
- Arbeitsunfall: Checkliste für Arbeitgebende
Arbeitsunfall: Definition
Die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) definiert einen Arbeitsunfall wie folgt: „Arbeitsunfälle sind die Unfälle, die versicherte Personen infolge der versicherten Tätigkeit erleiden.“
Der Schutz der Unfallversicherung, der bei einem Arbeitsunfall greift, bezieht sich auf folgende Personengruppen, während diese ihre Tätigkeit ausüben:
- Mitarbeiter*innen und Auszubildende eines Unternehmens
- Schüler und Kindergartenkinder
- Studierende
- Ehrenamtlich tätige Personen
- Pflegende Angehörige
- Entwicklungshelfer*innen
- Ersthelfer*innen bei Unglücksfällen
Selbstständige sind nicht unfallversichert, können aber Mitglied einer Berufsgenossenschaft werden und freiwillig eine Unfallversicherung abschließen.
Auch Beamte bilden eine Ausnahme. Für sie gelten die Regelungen der beamtenrechtlichen Unfallfürsorge.
In der gesetzlichen Definition eines Arbeitsunfalls heißt es außerdem: „Ein Unfallereignis ist ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis, das zu einem Gesundheitsschaden führt.“ Nicht als Arbeitsunfall gelten demnach zufällige Ereignisse, wie plötzliches Nasenbluten oder ein Herzinfarkt, den ein Mitarbeiter an seinem Schreibtisch erleidet.
Arbeitsunfall: ja oder nein?
Auf dem Arbeitsweg ein Unfall: ✔️ Ja, sofern kein Zwischenstopp, wie der Weg zum Supermarkt, dazwischen liegt.
Unfall bei Fortbildung: ✔️ Ja
Während der Pause ein Unfall: ❌ Nein, auch dann nicht, wenn der*die Arbeitnehmer*in einen Unfall in der Kantine hat.
Unfall im Home-Office: ✔️ Ja. Allerdings zählen dazu nur Unfälle, die am Schreibtisch beziehungsweise im Arbeitszimmer passieren. ❌ Wer sich in der Küche beim Zubereiten von Essen in die Hand schneidet, ist nicht über seinen Arbeitgebenden unfallversichert.
Wer zahlt bei einem Arbeitsunfall?
Der Begriff „Arbeitsunfall“ bezieht sich nicht nur auf Unfälle, die Arbeitnehmer*innen während der Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit erleiden. Auch Wegeunfälle, also Unfälle auf dem Arbeitsweg, fallen unter den Versicherungsschutz der Unfallversicherung.
Ob ein Unfall jedoch als Betriebsunfall anerkannt wird oder nicht, entscheidet sich im Einzelfall. Wird ein Unfall als Arbeitsunfall anerkannt, übernimmt die gesetzliche Unfallversicherung die Kosten für die medizinische Behandlung und weitere durch den Arbeitsunfall entstandene Kosten für gesundheitliche Maßnahmen. Darunter fällt das Verletztengeld während einer längeren Arbeitsunfähigkeit, Umschulungs- und Wiedereingliederungsmaßnahmen, gegebenenfalls eine behindertengerechte Umgestaltung des Arbeitsplatzes, Umbau der Wohnung, Unfallrente und sogar eine Hinterbliebenenrente, wenn der Arbeitsunfall tödliche Folgen hat.
Die gesetzliche Unfallversicherung muss alle geeigneten Mittel für die Genesung und Wiedereingliederung des verunglückten Mitarbeiters einsetzen. Aus diesem Grund ist die Behandlung durch den Durchgangsarzt oft effektiver und das Leistungsspektrum der Berufsgenossenschaft besser als die allgemeine medizinische Versorgung.
Die Unfallversicherung kann die Übernahme der Kosten aber auch ablehnen. Nämlich dann, wenn der Arbeitsunfall nicht als solcher anerkannt wird. In diesem Fall informiert der Unfallversicherungsträger die Krankenkasse des Versicherten über die Nichtanerkennung. Die Krankenkasse übernimmt dann im Regelfall die weitere ärztliche Behandlung.
Wer zahlt die Beiträge in die Unfallversicherung?
Arbeitgeber sind zwangsläufig Mitglied der DGUV und zahlen die Beiträge. Als Arbeitnehmer zahlen Sie nichts. Je nach Industriezweig unterscheidet sich die Höhe der Beiträge.
Die Rolle der Berufsgenossenschaft
Über die Anerkennung oder Nichtanerkennung des Unfalls als Arbeitsunfall entscheiden in der Regel die Berufsgenossenschaften und Unfallkassen. Man unterscheidet dabei zwischen:
- Gewerblichen Berufsgenossenschaften: Diese sind zuständig für Arbeitnehmende in privaten Wirtschaftsunternehmen.
- Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften: Sie gelten für Beschäftigte in land- und forstwirtschaftlichen Betrieben und schließen mitarbeitende Familienangehörige ein.
- Unfallkassen: Dies sind die regional aufgeteilten Unfallversicherungsträger für die Angestellten des öffentlichen Dienstes und Kindergartenkinder, Schüler und Studenten.
Arbeitsunfall melden: Besteht eine Meldepflicht?
Passiert ein Arbeitsunfall, muss der Arbeitnehmende zunächst direkt zu einem Durchgangsarzt gehen. Durchgangsärzte sind Fachärzte für Unfallchirurgie oder Orthopädie, die von den Landesverbänden der DGUV eine besondere Zulassung erhalten haben. Sie sind also zuständig für die Behandlung nach Arbeits- und Wegunfällen.
Auch der Arbeitgebende muss umgehend informiert werden. Denn dieser muss den Arbeitsunfall dokumentieren. Bei einer Arbeitsunfähigkeit von mehr als drei Tagen muss der Arbeitgebende außerdem die zuständige Berufsgenossenschaft darüber in Kenntnis setzen.
Lohnfortzahlung bei einem Arbeitsunfall
In jedem Fall ist der Arbeitgebende dazu verpflichtet, den verletzten oder erkrankten Mitarbeiter*innen bis zu sechs Wochen sein volles reguläres Gehalt zu zahlen. Einzige Voraussetzung für die vollständige Lohnfortzahlung ist die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung und dass der*die Mitarbeiter*in mindestens seit vier Wochen im Unternehmen beschäftigt ist.
Für Fehltage, die über diese sechs Wochen hinausgehen, erhält der Arbeitnehmende ein Verletztengeld als Lohnersatzleistung vom zuständigen Versicherungsträger. Dieses beträgt 80 % des Regelgehalts. Handelt es sich nicht um einen Arbeitsunfall, übernimmt die Krankenkasse das Krankengeld. Allerdings beträgt das Krankengeld dann nur 70 % des regulären Gehalts.
Erleidet ein Kind unter zwölf Jahren einen Unfall im Kindergarten, in der Schule, auf Klassenfahrt oder auf dem Schulweg, muss es gepflegt und betreut werden. Hierzu kann sich ein Elternteil freistellen lassen. Als pflegender Angehöriger erhält das Elternteil Verletztengeld fürs Kind. Auch hier braucht man eine ärztliche Bescheinigung zur Pflegebedürftigkeit des Kindes.
Arbeitsunfall: Droht eine Kündigung?
Kann nach einem Arbeitsunfall und längerem Ausfall eines Beschäftigten die Kündigung drohen? Viele Arbeitnehmende befürchten das, da sie nach einem längeren Ausfall unter Umständen auch ihrer Tätigkeit nicht mehr wie gewohnt nachgehen können. Unmöglich ist das nicht. Der*Die Arbeitgeber*in kann das Beschäftigungsverhältnis nach dem Arbeitsunfall unter Angabe von konkreten Gründen beenden. Zu solchen Gründen zählen beispielsweise ein langer Arbeitsausfall und damit einhergehende Verluste. Gegen die Kündigung kann der Arbeitnehmende jedoch gerichtlich vorgehen.
Wie sollten sich Arbeitgeber verhalten?
Wie oben bereits angesprochen, muss der*die Arbeitgeber*in den Arbeitsunfall umgehend der Berufsgenossenschaft und der Unfallversicherung oder der Unfallkasse melden, wenn der Beschäftigte länger als drei Tage arbeitsunfähig ist. Dafür haben bestimmte Personen im Unternehmen, meist aus der Personalabteilung, eine Vollmacht.
Die Meldung des Unfalls erfolgt überwiegend telefonisch oder über ein Online-Formular. Anschließend prüft der*die zuständige Träger*in, ob es sich tatsächlich um einen Arbeitsunfall handelt und entsprechende Leistungen übernommen werden oder nicht.
Verlangt der verunfallte Mitarbeitende eine Kopie der Unfallanzeige, so ist der Arbeitgebende dazu verpflichtet, diese auszuhändigen.
Arbeitsunfall: Checkliste für Arbeitgebende
- Rufen Sie den Rettungsdienst oder den Notarzt und leisten Sie erste Hilfe. Verunglückt ein Mitarbeitender tödlich, muss selbstverständlich auch die Polizei benachrichtigt werden.
- Melden Sie den Unfall innerhalb von drei Tagen der zuständigen Berufsgenossenschaft bei einer voraussichtlichen Arbeitsunfähigkeit von mehr als drei Kalendertagen. Bei schweren Arbeitsunfällen müssen Arbeitgebende auch die Gewerbeaufsicht oder die zuständige Aufsichtsbehörde verständigen.
- Tragen Sie davon getragene leichte Verletzungen ins Verbandbuch ein. Das ist wichtig für eventuelle spätere Unfallfolgen.
- Erstellen Sie eine Unfallanzeige für den Unfallversicherungsträger, die Berufsgenossenschaft, den Betriebsrat, die Dokumentation im eigenen Unternehmen, den Betriebsarzt, die Fachkraft für Arbeitssicherheit und für den verunglückten Mitarbeiter (falls dieser eine Kopie verlangt). Musterformulare gibt es bei der DGUV oder auf der Homepage Ihrer Berufsgenossenschaft.
- Schalten Sie den Durchgangsarzt ein.
- Lassen Sie eventuelle psychische Folgen beim betroffenen Mitarbeiter und Kollegen mittels Umfragen, z.B. durch eine HR Software, abklären.
- Stellen Sie den Antrag auf Rehabilitationsleistungen.
- Untersuchen Sie die Ursachen des Unfalls und überprüfen Sie die Schutzmaßnahmen.
Verwalten Sie alle Abwesenheiten in Ihrem Unternehmen mit Factorial.