Überstunden sind sprachlich eine Form der Mehrarbeit: Schließlich arbeiten die Mitarbeitenden im wahrsten Wortsinn „mehr“ als ursprünglich vereinbart – zumindest temporär. Es sollte nicht überraschen, dass beide Begriffe in der Unternehmenswelt deshalb regelmäßig synonym zueinander verwendet werden. Aber an dieser Stelle empfehlen wir einen Blick auf die nicht unwesentlichen Details. Rein rechtlich besteht nämlich durchaus ein gravierender Unterschied zwischen Mehrarbeit und Überstunden. Welche das sind, klären wir in diesem Blogartikel.
Key Facts
- Der Begriff „Mehrarbeit“ orientiert sich an den Stunden, die über die festgelegte Höchstarbeitszeit nach dem § 3 des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG) hinausgehen.
- Überstunden beziehen sich hingegen auf die zusätzliche Arbeitszeit, die über die Konditionen im Arbeits- oder Tarifvertrag hinausgeht: Das ist im wörtlichen Sinn Mehrarbeit, im rechtlichen Sinn aber nicht zwangsläufig.
- Einige Personengruppen sind von Mehrarbeit pauschal ausgeschlossen, darunter Jugendliche, schwangere und stillende Mütter. Schwerbehinderte haben nach § 124 SGB IX ein gesondertes Recht auf Freistellung davon.
- Was ist der Unterschied zwischen Mehrarbeit und Überstunden?
- Gibt es eine gesetzliche Überstundenregelung?
- Arbeitszeiten konsequent im Blick behalten
Was ist der Unterschied zwischen Mehrarbeit und Überstunden?
Im Arbeitszeitgesetz ist eine tägliche Höchstarbeitszeit von 8 Stunden festgelegt. Wer dauerhaft länger als diese 8 Stunden pro Tag arbeitet, leistet im arbeitsrechtlichen Sinne Mehrarbeit. Daran geknüpft ist eine gesetzlich festgelegte Konsequenz: Die geleisteten Mehrstunden sind binnen 24 Wochen wieder auszugleichen. Eine temporäre Erhöhung der Regelarbeitszeit auf 10 Stunden ist nur zulässig, wenn der spätere 6-Monats-Durchschnitt nicht über 8 Stunden liegt. Daraus resultiert der notwendige Ausgleich über 24 Wochen.
Im Falle von Überstunden dient nicht mehr das Arbeitszeitgesetz zur Orientierung. Stattdessen treten Plusstunden auf, wenn Arbeitnehmende die im Arbeits- oder Tarifvertrag vereinbarte Arbeitszeit überschreiten. Nochmal zusammengefasst:
Was ist Mehrarbeit?
- Definition: Mehrarbeit bezeichnet die Arbeitszeit, die über die gesetzlich festgelegte Höchstarbeitszeit hinausgeht. In Deutschland beträgt diese gemäß § 3 Arbeitszeitgesetz (ArbZG) in der Regel 8 Stunden pro Tag bzw. 48 Stunden pro Woche.
- Rechtliche Grundlage: Mehrarbeit ist eng mit den Vorschriften des Arbeitszeitgesetzes verbunden. Sie darf nur unter bestimmten Bedingungen geleistet werden, z. B. maximal 10 Stunden pro Tag, wenn der Durchschnitt von 8 Stunden innerhalb von 6 Monaten oder 24 Wochen nicht überschritten wird.
- Vergütung: Eine Vergütung für Mehrarbeit ist nicht zwingend vorgeschrieben und kann durch Freizeit ausgeglichen werden, sofern keine andere Regelung im Arbeitsvertrag oder Tarifvertrag besteht.
Was sind Überstunden?
- Definition: Überstunden sind Arbeitszeiten, die über die vertraglich vereinbarte regelmäßige Arbeitszeit hinausgehen. Sie müssen nicht zwingend die gesetzliche Höchstarbeitszeit überschreiten.
- Rechtliche Grundlage: Überstunden beziehen sich auf die individuell vereinbarte Arbeitszeit des Arbeitnehmenden (z. B. laut Arbeitsvertrag oder Tarifvertrag). Sie entstehen, wenn der Arbeitgebende zusätzliche Arbeit anordnet oder duldet.
- Vergütung: Überstunden können vergütet oder durch Freizeitausgleich kompensiert werden. Die Höhe der Vergütung hängt von den Regelungen im Tarifvertrag, Betriebsvereinbarungen oder individuellen Arbeitsverträgen ab.
Beispiele zur Abgrenzung beider Begriffe
Szenario 1:
- Arbeitnehmer Tom hat einen Arbeitsvertrag über 35 Wochenstunden.
- Weil die Deadline bei einem Projekt drängt, leistete er in dieser Woche 40 Stunden Arbeit.
Das Ergebnis? Tom hat zwar mehr gearbeitet, aber keine Mehrarbeit im arbeitsrechtlichen Sinne geleistet. Sein Wochenarbeitspensum überstieg nicht die gesetzliche Höchstgrenze. Er hat aber fünf Überstunden gesammelt, die er nach Betriebsregelung entweder abbauen oder sich vergüten lassen kann.
Szenario 2:
- Arbeitnehmerin Sarah hat einen Arbeitsvertrag von 40 Wochenstunden.
- Weil eine Kollegin ausfiel, musste sie 5 Tage lang jeweils 9 Stunden arbeiten, leistete also 45 Wochenstunden.
Hier fand erneut keine Mehrarbeit im arbeitsrechtlichen Sinne statt. Sie leistete aber Überstunden. Außerdem wird Sarah die geleisteten zusätzlichen fünf Stunden in den nächsten 24 Wochen ausgleichen müssen, damit der 6-Monats-Durchschnitt von 8 Arbeitsstunden pro Tag nicht überschritten wird.
Szenario 3:
- Arbeitnehmerin Jessica hat einen Arbeitsvertrag von 40 Wochenstunden.
- Wegen Krankenstand arbeitete sie 5 Tage lang jeweils 11 Stunden am Tag, leistete also 55 Wochenstunden.
Das Unternehmen, das Jessica anstellt, hätte hier ein großes Problem: Nämlich das einer unzulässigen Mehrarbeit im arbeitsrechtlichen Sinn. Eine spätere Ausgleichsmöglichkeit über 24 Wochen ist an dieser Stelle irrelevant. Jessica arbeitete mehr, als sie qua Gesetz hätte arbeiten dürfen. Überstunden sammelte sie dabei ebenfalls, vor allem aber beging das anstellende Unternehmen einen arbeitsrechtlichen Verstoß.
Hinweis: Die Folgen im Szenario drei wären keinesfalls ohne. Dem Unternehmen drohen Bußgelder wegen unzulässiger Mehrarbeit in Höhe von bis zu 15.000 Euro. Zudem ergeben sich für Arbeitgebende Haftungsrisiken: Sollte unsere Beispiel-Jessica aufgrund der unzulässigen Mehrarbeit so erschöpft sein, dass sie auf dem Weg nach Hause einen Unfall baut, könnte das Unternehmen dafür in Haftung gezogen werden. Schließlich hat es die Arbeitnehmerin widerrechtlich „überarbeitet“.
Gibt es eine gesetzliche Überstundenregelung?
Die Frage können wir ganz kurz und knackig beantworten: Nein, die gibt es nicht.
Aber natürlich ist die Realität etwas komplexer als diese kurze Antwort. Die innerbetriebliche Überstundenregelung muss nämlich in Einklang mit dem Gesetz stehen. Dazu lohnt sich ein erneuter Blick auf die eben beschriebenen Szenarien zwei und drei. In beiden Fällen wurden Überstunden generiert. Im Szenario drei aber auf widerrechtliche Weise durch eine unzulässige Mehrarbeit.
Arbeitnehmende selbst, aber besonders auch Mitarbeitende im Personalwesen sollten daher unbedingt ein Auge auf die geleisteten Überstunden der Mitarbeitenden haben. Andernfalls könnten Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz zur Mehrarbeit aufkommen.
Welche Regelungen zu Überstunden müssen also im Arbeitsvertrag stehen?
- Der Arbeitsvertrag muss klar benennen, dass Überstunden eingefordert werden können.
- Ausnahmen, sofern es keine Überstunden-Klausel im Arbeitsvertrag gibt, sind höchstens in unvorhersehbaren Notlagen zulässig.
- Die Überstunden dürfen nicht die Grenze hin zu einer unzulässigen Mehrarbeit überschreiten, unabhängig der Regelungen im Arbeitsvertrag.
Damit stellt sich unweigerlich, sowohl bei Arbeitgebenden als auch den Arbeitnehmenden, die Frage nach der Vergütung. Auch hier ist die Situation komplex und steht in direkter Abhängigkeit zum Arbeitsvertrag. Wichtig sind diese Punkte:
- Überstunden müssen nicht zwangsläufig extra vergütet werden, sofern eine rechtsgültige Klausel dazu im Arbeitsvertrag steht.
- Ohne diese Klausel sind Überstunden zu vergüten, aber nicht etwa mit einem höheren Stundenlohn. (§ 612 BGB) (3)
- Eine alternative Möglichkeit zur Vergütung ist der Freizeitausgleich, bei dem die Überstunden abgebaut werden.
Gut zu wissen: Vor allem die Klausel zur Abgeltung von Überstunden über das Gehalt bringt rechtliche Fallstricke mit sich. In einem Fall hat das Bundesarbeitsgericht die folgende Klausel als nicht(!) gültig abgewiesen: „Alle anfallenden Überstunden sind mit dem Gehalt abgegolten“ – diese ist zu vage und weit gegriffen und gilt deshalb wiederum nicht.
Arbeitszeiten konsequent im Blick behalten
Fallstricke und potenzielle Rechtsstreitigkeiten lauern überall im Arbeitszeitgesetz. Nutzen Sie Factorial, um die Arbeitszeiten Ihrer Mitarbeitenden im Auge zu behalten und Abweichungen direkt zu erkennen. So entgehen Sie einem Risiko von rechtswidriger Mehrarbeit, schaffen zusätzlich mehr Transparenz und profitieren von effizienten und automatisierten Prozessen. Probieren Sie es doch einfach mal aus – kostenlos und unverbindlich.