Die Arbeitswelt befindet sich in einem steten Wandel. Auch die Bedeutung, die Menschen dem beruflichen Erfolg beimessen, hat sich verändert: Bei vielen Arbeitnehmenden rückt anstelle der Karriere das Zusammensein mit Familie und Freund*innen sowie ein gesunder Lebensstil in den Vordergrund und die Balance zwischen Berufs- und Privatleben spielt eine größere Rolle. Downshifting ist ein Phänomen, das genau diesen veränderten Bedeutungen entspricht. Beschäftigte treten also einen Gang zurück, im wahrsten Sinne des Wortes, und möchten weniger arbeiten oder anders arbeiten.
Was sich genau hinter dem Begriff verbirgt, wie Arbeitgebende mit diesem Phänomen umgehen können und welche Möglichkeiten sie konkret haben, um Ihren Mitarbeitenden Downshifting zu ermöglichen, erfahren Sie im folgenden Artikel.
Key Facts
- Der Begriff Downshifting bedeutet, in verschiedenen Lebensbereichen – insbesondere bei der Arbeit – kürzerzutreten. Dies kann durch weniger Arbeit, mehr Freizeit, mehr Selbstbestimmung oder durch eine bewusste Reduzierung des Konsums geschehen.
- Zu viel Stress und Druck am Arbeitsplatz sowie veränderte Werte, wie der Wunsch nach mehr Freizeit und einem gesünderen Lebensstil, sind häufig Gründe für das Downshifting.
- Unternehmen können Downshifting fördern, indem sie Modelle wie Jobsharing, reduzierte Arbeitszeiten, flexibles Arbeiten (z. B. Homeoffice) oder Sabbaticals anbieten.
- Was heißt Downshifting?
- Downshifting: Beispiele und Merkmale
- Gründe für Downshifting im Job
- Downshifting in der Arbeitswelt – wie können Unternehmen darauf reagieren?
- Tipp zum Schluss: Gespräche und Feedback
Was heißt Downshifting?
Der Begriff Downshifting kommt aus dem Englischen und bedeutet so viel wie „herunterfahren“. Ursprünglich war das Wort vor allem im Kontext der Mechanik geläufig und wird beispielsweise verwendet, wenn es darum geht, einen Gang im Auto herunterzuschalten. Die Bedeutung könnte kaum wörtlicher sein, wenn dieser Begriff auf andere Lebensbereiche übertragen wird. Downshifting heißt, dass jemand im wahrsten Sinne des Wortes „einen Gang herunterschaltet“ – sei es bei der Arbeit oder in anderen Lebensbereichen, wie beispielsweise durch weniger Konsum.
Schauen wir uns diese verschiedenen Bereiche näher an und betrachten, welche Veränderungen zu diesem Phänomen geführt haben.
Wandel in der Arbeitszeit
Wie viele Stunden Arbeit pro Woche als angemessen gelten und auch die Bedeutung, die wir der Arbeit beimessen, sind keine in Stein gemeißelten Konstanten. Bei unserem Verständnis von Arbeit handelt es sich vielmehr um Elemente, die sich ständig wandeln.
So wurde laut Statistik im Deutschen Kaiserreich im Jahr 1871 durchschnittlich etwa 72 Stunden pro Woche gearbeitet. Unvorstellbar heutzutage! Seitdem ist die wöchentliche Arbeitszeit kontinuierlich gesunken. Die Reduzierung der Arbeitsstunden war jedoch stets mit Kämpfen aufseiten der Arbeitnehmenden und Organisationen wie Gewerkschaften verbunden, die sich dafür einsetzten.
Auch heute noch ist die Frage, wie viel gearbeitet werden soll, ein Gegenstand von Debatten. Die Vier-Tage-Woche ist zuletzt zu einem immer beliebteren Modell geworden. Dabei wird zwar streng genommen nicht in allen Unternehmen die Wochenarbeitszeit verkürzt (bei vielen allerdings schon), jedoch die Arbeitsstunden auf vier Tage statt fünf Arbeitstage verteilt.
Die Reduzierung der Wochenarbeitszeit ist eine Forderung, die immer wieder diskutiert wird. Ein Beispiel hierfür ist der jüngste Vorschlag der GDL-Gewerkschaft, die eine Reduzierung für Schichtbeschäftigte auf 36 Stunden vorschlug.
Bedeutungswandel von Beruf und Privatleben
Studien zeigen, dass vielen Menschen andere Dinge wichtiger sind als beruflicher Erfolg. Die Allensbacher Markt- und Werbeträgeranalyse kommt zum Beispiel zu dem Ergebnis, dass mit Abstand der wichtigste Aspekt im Leben der meisten Personen das Aufbauen enger Beziehungen und Freundschaften zu anderen Menschen ist (knapp 85 Prozent). Auf Platz zwei folgt Familie, und auf Platz drei steht eine glückliche Partnerschaft. Erst auf Platz neun kommt beruflicher Erfolg, mit 51,4 Prozent.
Herausforderungen der Arbeitswelt
Dass Menschen vor allem im Privaten und nicht in der Karriere ihr Glück suchen, hat unterschiedliche Gründe. Einer davon ist sicherlich, dass im Vergleich zu Früher zwar die Arbeitsstunden reduziert und weniger Zeit gearbeitet wird, in diesen Stunden jedoch mehr produziert werden muss. Die Arbeit wird also verdichteter, was einen enormen Druck auf die Arbeitnehmenden ausübt und Stress auslöst.
Dass Burnout und berufsbedingte Depressionen auch in Deutschland auf dem Vormarsch sind, zeigen Statistiken immer wieder. Eine Studie der Krankenkasse Pronova fand jüngst heraus, dass 61 Prozent der Arbeitnehmenden fürchten, ein Burnout zu bekommen; 21 Prozent stufen ihre Gefahr sogar als hoch ein.
Downshifting ist eine Reaktion auf eine Welt, in der vieles immer schneller, dichter und stressreicher wird. Es kann eine Antwort auf Belastungen im Beruf sein, aber auch in anderen Lebensbereichen zum Tragen kommen. Schauen wir uns die einzelnen Bereiche im Folgenden genauer an.
Downshifting: Beispiele und Merkmale
Weniger Konsum – mehr Minimalismus
Nichts steht mehr für Überkonsum als das Wort Fast Fashion. Es bedeutet so viel wie „schnelle Kleidung“ und bezeichnet die massenhafte Produktion und den schnellen Konsum von Mode. Die Europäer*innen kaufen im Durchschnitt fast 26 Kilogramm Textilien pro Jahr, was mit einem enormen CO₂-Fußabdruck einhergeht. Doch auch bei Elektronikartikeln und vielen anderen Produkten wird immer mehr konsumiert, und ebenso viel wird weggeworfen.
Als Reaktion darauf entscheiden sich immer mehr Menschen bewusst für einen weniger konsumreichen Alltag und ein nachhaltigeres Leben; sie praktizieren also Downshifting. Minimalismus ist beispielsweise eine Ausprägung davon: Menschen kaufen nur das, was sie wirklich benötigen. Ebenso wächst die Bewegung, bei der Gebrauchtwaren gekauft oder defekte Gegenstände repariert werden.
Weniger Arbeit – mehr Freizeit
Vielen Menschen ist es mittlerweile wichtiger, mehr Zeit für ihre Hobbys, ihre Familie oder andere Lebensträume außerhalb von Karriere und Wohlstand zu haben. Sie verzichten bewusst auf eine Beförderung oder nehmen finanzielle Einbußen in Kauf, um einen anderen Lebensstil zu führen oder einfach mehr Zeit für andere Dinge zu haben. Ihre eigene Zufriedenheit ist ihnen wichtig.
Gerade in Bezug auf Arbeit wird hier auch oft von Downsizing oder Downgrading gesprochen.
Gründe für Downshifting im Job
Die Gründe, die dazu führen, dass Menschen downshiften, sind vielfältig. Typischerweise geht es dabei jedoch um Folgendes:
- Überforderung im Job
- Prävention: Bewusstes Streben nach einem gesünderen, stressfreieren Leben, insbesondere zur Burnout-Prävention
- Bessere Work-Life-Balance
- Mehr Zeit für persönliche Interessen, Familie und Freund*innen
- Wunsch nach mehr Selbstbestimmung und Autonomie
Downshifting in der Arbeitswelt – wie können Unternehmen darauf reagieren?
Als Vorgesetzte*r oder Unternehmenseigentümer*innen sollten diese Nachrichten erst einmal keine Panik auslösen. Es wird in Zukunft allerdings enorm wichtig für Unternehmen sein, sich mit diesen Themen auseinanderzusetzen. Gerade angesichts des Fachkräftemangels kann es essenziell sein, Strategien auszuarbeiten sowie Modelle und Benefits anzubieten, die dazu beitragen können, dass den Mitarbeitenden Downshifting ermöglicht wird.
Denn: Die Mitarbeiterzufriedenheit ist das A und O für eine erfolgreiche Belegschaft und damit auch für den Erfolg Ihres Unternehmens. Denken Sie nur daran: Vielleicht möchte jemand gerne nur halbtags arbeiten, weil er oder sie neben der Arbeit ehrenamtlich engagiert ist oder einen gesünderen Lebensstil pflegen möchte. Die betreffende Person arbeitet hervorragend, und Sie würden sie gerne behalten. Was spricht dagegen, diese Person in Teilzeit arbeiten zu lassen, obwohl es in Ihrem Unternehmen nicht üblich ist? Vielleicht leistet sie sogar bessere Arbeit, wenn sie weniger Stunden arbeitet.
Und: Nur weil jemand acht Stunden im Büro anwesend ist, heißt das nicht, dass die betreffende Person auch all diese Stunden qualitativ arbeitet. Laut einer StepStone-Umfrage verbringen die befragten Arbeitnehmenden beinahe neun Stunden pro Woche – also einen ganzen Arbeitstag – mit unproduktiven Aufgaben. Oft liegt dies an zu komplexen Prozessen. Menschen, die dagegen weniger arbeiten und/oder sich ihre Arbeit flexibel einteilen können, erbringen oft mehr Leistung.
Schauen wir uns also im Folgenden an, welche Möglichkeiten es für Betriebe gibt, Formen des Downshiftings am Arbeitsplatz zu ermöglichen.
Jobsharing
Beim Jobsharing teilen sich zwei oder mehr Personen eine ganze Stelle. Dabei tragen sie die Verantwortung gemeinsam. Es gibt hier unterschiedliche Modelle. So gibt es beispielsweise das Job Splitting. Hier wird eine Vollzeitstelle auf zwei Personen aufgeteilt. Sie arbeiten unabhängig voneinander und oft auch zu unterschiedlichen Zeiten, beispielsweise um verschiedene Schichten abzudecken.
Beim Job Sharing hingegen arbeiten beide zusammen, zum Beispiel beide in Teilzeit, aber an einem gemeinsamen Projekt. Entscheidungen und Entschlüsse werden oft gemeinsam getroffen.
Schließlich gibt es noch das Topsharing. Dies gilt insbesondere für Führungspositionen. Zwei oder mehr Personen teilen sich dabei eine Führungsposition und haben gleiche Verantwortung und Befugnisse.
Reduktion der Arbeitszeit
Hierbei arbeiten die Beschäftigten nicht in Vollzeit, sondern ihre Stunden werden reduziert. Der Trend geht weg von der Vollzeitstelle. Auch Studien belegen, dass jeder zweite Arbeitnehmende in Deutschland gerne weniger arbeiten möchte. Viele davon würden dies in Kauf nehmen, selbst wenn es Gehaltseinbußen bedeuten würde. Eine höhere Lebensqualität steht dabei für viele Menschen im Vordergrund.
Flexibles Arbeiten (Homeoffice/remote arbeiten)
Eine tolle Möglichkeit, wie Sie Ihren Mitarbeitenden Downshifting ermöglichen können, ist das Anbieten flexibler Arbeitszeiten. Vielen geht es nämlich nicht unbedingt darum, deutlich weniger zu arbeiten. Downshifting kann hier auch bedeuten, nicht viele Stunden im Büro zu verbringen. Für viele Personen ist tatsächlich die Autonomie, selbst zu entscheiden, von wo aus sie arbeiten, enorm wichtig.
Sie fragen sich: „Warum kann ich nicht, wenn ich sowieso die ganze Zeit am Computer arbeite, das ein halbes Jahr lang von einer Insel im Süden aus tun?“
Vorgesetzte sollten im Hinterkopf behalten, dass das zeitweise Anbieten von Remote-Arbeit einen enormen positiven Einfluss auf die Zufriedenheit der Mitarbeitenden hat. Außerdem ermöglicht Homeoffice oder auch Remote-Arbeiten den Menschen mehr Flexibilität, auch im Hinblick auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Das gilt sowohl für die Betreuung von Kindern als auch für die Pflege von Angehörigen. Tipp: Die HR-Software von Factorial hilft Ihnen beim Aufstellen und Managen von Teams, die im Homeoffice oder remote arbeiten. Mit verschiedenen Funktionen wie der digitalen Zeiterfassung, dem Online-Onboarding, KI-gestütztem Leistungstracking und dem unkomplizierten Abwesenheitsmanagement (all dies auch zugänglich über die Factorial-App) erleichtert die Software das Management von Teams aus der Ferne.
Sabbatical
Manchmal wollen Ihre Angestellten aber auch gar nicht weniger arbeiten, sondern vor allem über längere Zeit am Stück nicht arbeiten, was mit den regulären Urlaubstagen nicht möglich ist. Das kann zum Beispiel der Fall sein, um eine Weltreise zu machen, ein Buch zu schreiben oder einem anderen persönlichen Interesse nachzugehen. Unternehmen können dafür sogenannte Sabbaticals anbieten. Das heißt, sie ermöglichen ihren Mitarbeitenden, eine längere Auszeit von der Arbeit zu nehmen, oft unter der Bedingung, dass sie nach einer festgelegten Zeit wieder ins Unternehmen zurückkehren.
Wie Sie ein solches Sabbatical bei sich im Betrieb implementieren können, erfahren Sie auf unserem Blog zum Thema.
Andere Position im Unternehmen
Downshifting kann aber auch bedeuten, dass eine Beschäftigte auf eine andere Position im Unternehmen wechselt, die mit weniger Aufgaben oder auch weniger Verantwortung einhergeht. Eine Führungskraft X beispielsweise ist überfordert von zu viel Stress und vielen Terminen und bevorzugt es, eine Position im Unternehmen einzunehmen, in der sie weniger Verantwortung hat. Vielleicht ist gerade eine solche Stelle frei geworden. Anstelle einer Kündigung von Arbeitnehmer X können Sie ihm also eine andere Position anbieten.
Tipp zum Schluss: Gespräche und Feedback
Das Wichtigste bei Downshifting für Vorgesetzte ist, in Kontakt mit ihren Mitarbeitenden zu treten und mit ihnen zu sprechen. Es nützt nichts, wenn Sie Sabbaticals anbieten, obwohl niemand in Ihrem Unternehmen so etwas machen möchte. Eine große Mehrheit würde allerdings gerne die Option haben, für einige Zeit im Jahr remote zu arbeiten. Durch Gespräche können Sie am besten herausfinden, was Ihre Beschäfttigten sich wünschen. Auch in Bewerbungsverfahren können Sie potenzielle Kandidat*innen gleich nach ihren Vorstellungen und Wünschen diesbezüglich fragen. Sie können auch anonyme Umfragen erstellen (Tipp: Das geht auch mit Factorial eNPS), um ein erstes Meinungsbild zu bekommen.
Wenn Sie bereits solche Modelle anbieten, sollten Sie dies nach außen kommunizieren. Denn viele Menschen auf Arbeitssuche halten explizit nach Arbeitgebenden Ausschau, die Jobsharing, reduzierte Stunden oder auch das Remote-Arbeit anbieten. Damit positionieren Sie sich als attraktiver und moderner Betrieb.