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Wann ist eine Verdachtskündigung gerechtfertigt?

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7 Minuten Lesezeit
Verdachtskündigung

Alkoholisiert am Arbeitsplatz, Verrat von Geschäftsgeheimnissen oder Diebstahl: Alles Tätigkeiten, die eine Verdachtskündigung unter Umständen nach sich ziehen können.

Was ist der Unterschied zwischen einer ordentlichen und einer außerordentlichen Verdachtskündigung? Was müssen Arbeitgeber beachten, bevor sie die Verdachtskündigung aussprechen? 

In diesem Artikel erfahren Sie, welche Möglichkeiten Arbeitgeber und Arbeitnehmer bei einer Verdachtskündigung haben und welche Fristen Sie beachten sollten. 

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Verdachtskündigung Definition

Wenn Mitarbeitende eine Straftat begehen, die Arbeit verweigern oder einen Krankheitsfall vortäuschen, ist die Situation ganz eindeutig: Eine ordentliche Kündigung kann ausgesprochen werden.

In dem Fall handelt es sich um eine sogenannte Tatkündigung, bei welcher die Pflichtverletzung erwiesen und auch im Kündigungsschutzprozess nachweisbar ist. 

Verdacht auf Pflichtverletzung

Aber was passiert eigentlich, wenn Arbeitnehmer*innen unter dem Verdacht stehen, eine Straftat begangen zu haben, dies aber nicht klar nachgewiesen werden kann? Was kann der Arbeitgeber unternehmen, wenn der Mitarbeiter die Tat sogar bestreitet?

Wenn der Verdacht einer Straftat besteht und der Beschäftigte diese Pflichtverletzung bestreitet,  kann keine reguläre außerordentliche Kündigung ausgesprochen werden.

Unter diesen Umständen kann eine Verdachtskündigung ausgesprochen werden. Die Möglichkeit, eine Verdachtskündigung auszusprechen, beruht auf der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts.  

Diese basiert auf der Annahme bzw. dem Verdacht, dass der Arbeitnehmer eine erhebliche Pflichtverletzung begangen hat. Der Kündigungsgrund basiert auf dem reinen Verdacht, nicht auf dem Beweis der Pflichtverletzung.

Das Vertrauen des Arbeitgebers in den Beschäftigten muss erschüttert sein und dessen persönliche Eignung infrage gestellt werden. Dem Unternehmen ist es unzumutbar, den Mitarbeitenden im Rahmen einer ordentlichen Kündigungsfrist zu entlassen. 

Art der Kündigung

Eine Verdachtskündigung kann entweder als ordentliche oder außerordentliche Verdachtskündigung ausgesprochen werden. Der Unterschied besteht hier u.a. in den Fristen, die eingehalten werden müssen. 

  • Bei der ordentlichen Verdachtskündigung erfolgt die Entlassung nach Ablauf der Kündigungsfrist. 
  • Bei der außerordentlichen Verdachtskündigung wird der Mitarbeiter sofort entlassen und es muss keine Frist eingehalten werden. 

Achtung: Eine Verdachtskündigung kann nicht einfach so ausgesprochen werden, dazu müssen Arbeitgeber einige Voraussetzungen beachten. 

Verdachtskündigung Voraussetzung

Welche Voraussetzungen müssen gegeben sein, damit eine – meist fristlose Kündigung – auf Basis eines Verdachts erfolgen kann?

Objektive Tatsachen

Der Verdacht einer Pflichtverletzung muss auf objektiven Tatsachen beruhen, Mutmaßungen oder Spekulationen reichen  nicht aus.

Übrigens: Die objektiven Tatsachen müssen konkret benannt werden, also z.B. Ort, Zeitpunkt und Tathandlung. 

Dringender Tatverdacht

Es muss sich übrigens um einen dringenden Tatverdacht handeln und eine erhebliche Pflichtverletzung vorliegen.

Die Pflichtverletzung muss so schwerwiegend sein, dass sie im Rahmen eines wichtigen Grundes (§ 626 BGB) eine außerordentliche Kündigung rechtfertigt. 

Beachten Sie: Unternehmen müssen hier besonders vorsichtig sein, da sie die Fakten dem Mitarbeitenden genau darlegen müssen. 

Verhältnismäßigkeit

Diese Voraussetzung ist gegeben, wenn der Arbeitgeber keine andere Möglichkeit sieht, als den Mitarbeitenden zu entlassen. Er muss alles ihm Zumutbare getan haben, um den Sachverhalt aufzuklären.

Die Unternehmensinteressen haben zudem Vorrang vor den Interessen des Arbeitnehmers. Das heißt, das Interesse des Unternehmens, den Vertrag aufzulösen, überwiegt das Interesse des Arbeitnehmers, im Unternehmen zu bleiben. 

Beispiele

Wann können Mitarbeitende überhaupt auf Verdacht gekündigt werden? Der Verdacht auf einer der folgenden Taten kann eine  Verdachtskündigung begründen: 

  • Betrug oder Diebstahl
  • Sexuelle Belästigung
  • Verrat von Geschäftsgeheimnissen
  • Körperliche Gewalt am Arbeitsplatz 
  • Alkohol im Unternehmen trinken
  • Belästigung von Kunden im Unternehmen
  • Vortäuschung von Krankheiten
  • Angabe von falschen Arbeitszeiten
  • Beschädigung von Firmeneigentum 

Beispiel Emmely

Übrigens kann es auch zum Ausspruch einer Verdachtskündigung kommen, wenn es sich bei dem entwendeten Gegenstand um einen Gegenstand mit geringem wirtschaftlichem Wert handelt.

Auch wenn es schon Fälle gab, wo Arbeitnehmer gegen eine Verdachtskündigung aufgrund von Diebstahl mit geringem wirtschaftlichen Wert vorgehen konnten, bedeutet dies nicht zwangsläufig, dass dies immer funktioniert. 

Bei dem sogenannten Emmely Fall konnte sich eine Berliner Kassiererin erfolgreich gegen eine Verdachtskündigung wehren. Sie hatte nach 31-jähriger Tätigkeit zwei Pfandbons im Wert von 1,30 Euro an sich genommen, um einen Personaleinkauf zu mindern. 

Anwaltliche Beratung

Arbeitnehmer sollten sich auf jeden Fall vor dem Ausspruch einer verhaltensbedingten Kündigung von der Rechtsabteilung beraten lassen.

Andernfalls laufen Sie möglicherweise in Gefahr, sich einem teuren Gerichtsverfahren auszusetzen. 

Übrigens: Vor der Verdachtskündigung müssen Sie Mitarbeitende nicht abmahnen. Dies ist nur im Fall einer ordentlichen, verhaltensbedingten Kündigung notwendig. 

Verdachtskündigung Frist und Ablauf 

Zu beachten ist, dass das Unternehmen den Beschäftigten zuerst anhören muss. Dies muss schriftlich oder mündlich noch vor der Aussprache der Kündigung passieren. Der Arbeitgeber muss zudem alles unternehmen, um den Sachverhalt zu klären. 

Fristen 

Wenn der Mitarbeitende zu den Verdachtsmomenten Stellung nehmen soll, muss ihm das Unternehmen eine Frist von ca. 10- 14 Kalendertagen für eine schriftliche Anhörung lassen, um Stellung zu nehmen.

Was aber, wenn der Mitarbeitende zu diesem Zeitpunkt im Urlaub ist oder krank ist? In diesem Fall verlängert sich die Frist natürlich dementsprechend. 

Verdachtskündigung Anhörung

Während der Anhörung des Arbeitnehmers muss der Betrieb aussprechen, worin der dringende Verdacht begründet ist. Die Anhörung findet dann meist in einem Personalgespräch statt.

In der Anhörung wird den Mitarbeitenden die Möglichkeit gegeben, zu den Vorwürfen Stellung zu beziehen und möglichen Verdachtsmomenten zu widersprechen.  

Wenn die Anhörung aus fahrlässigen oder vorsätzlichen Gründen nicht durchgeführt wird, ist die Kündigung unwirksam. 

Betriebsrat

Der Arbeitgeber muss die Gründe der Kündigung im Rahmen einer Anhörung des Betriebsrats schildern. Dies ergibt sich aus § 102 Absatz 1 Betriebsverfassungsgesetz.

Dies gilt natürlich nur in dem Fall, dass Unternehmen einen Betriebsrat haben. Der Betriebsrat muss der Verdachtskündigung zwingend zustimmen. 

Achtung: Für die Anhörung sollte unbedingt ein Protokoll erstellt werden, welches mit Datum versehen unterschrieben werden sollte.  

Und: Arbeitnehmer*innen müssen nicht an der Anhörung teilnehmen. Wenn diese die Anhörung verweigern, kann der Arbeitnehmer die Verdachtskündigung auch ohne Anhörung aussprechen. 

Durchführen der Kündigung

Folgendes sollte bei der Kündigung beachtet werden:

  • Schriftlichkeit: Die Verdachtskündigung muss dem Mitarbeitenden, wie jede andere Kündigung auch, schriftlich übermittelt werden. 
  • Art: Zudem muss in der Kündigung genau beschrieben werden, um welche Art von Pflichtverletzung es sich handelt und warum diese einen ausreichenden Grund für den Ausspruch der Kündigung darstellt.
  • Datum: Auch muss das konkrete Datum der Anhörung genannt werden. 

Sonstiges

Es gibt noch einige Sonderfälle:

  • Schwerbehinderte: Beispielsweise kann die Verdachtskündigung gegenüber einem Schwerbehinderten nur ausgesprochen werden, wenn die Zustimmung des Integrationsamtes besteht.
  • Mitglieder des Betriebsrates: Diesen kann nur im Rahmen einer außerordentlichen Kündigung gekündigt werden. In diesem Fall muss der Betriebsrat der Verdachtskündigung auch zustimmen. 

Verdachtskündigung Voraussetzung

Was können Mitarbeitende tun?

Eine Verdachtskündigung wurde ausgesprochen und der Arbeitnehmer möchte sich dagegen wehren? 

Mitarbeitende können eine Kündigungsschutzklage erheben und u.a. einen Anspruch auf Abfindung einklagen. Dazu muss der Arbeitnehmer allerdings eine Dreiwochenfrist einhalten, diese beginnt nach Erhalt der Verdachtskündigung.

Wenn der Mitarbeitende die Drei Wochen Frist versäumt, ist die Kündigung automatisch wirksam (§ 4 Satz 1 KSchG). Mitarbeitende sollten in dem Zeitraum versuchen, Beweise zu sammeln, die den Verdacht widerlegen.

Damit Beschäftigte eine Kündigungsschutzklage erheben können, gibt es noch weitere Voraussetzungen. So müssen sie bereits länger als 6 Monate im Unternehmen tätig sein und in dem Betrieb zudem mehr als 11 Mitarbeitende arbeiten. 

Beachten Sie auch, dass Mitarbeitende 12 Wochen lang für das Arbeitslosengeld gesperrt sind.

Verdachtskündigung Abfindung

Wenn gerichtlich festgestellt wird, dass es keinen Grund für die Kündigung gab, können sich Unternehmen und Beschäftigte auf eine Abfindung einigen. Der Mitarbeiter kann zudem die Aufhebung der Kündigung verlangen. 

Wenn Mitarbeitende die Kündigungsschutzklage gewinnen, haben sie gute Chancen darauf eine hohe Abfindung zu erhalten. Generell gelten ca. 0,5 Bruttomonatsgehälter pro ausgeübtem Tätigkeitsjahr als realistisch. 

Verdachtskündigung Muster

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Häufig gestellte Fragen und Antworten

Wann liegt eine Verdachtskündigung vor?

Wenn der Verdacht einer Straftat besteht und der Beschäftigte diese Pflichtverletzung bestreitet, kann keine reguläre außerordentliche Kündigung ausgesprochen werden. Unter diesen Umständen kann eine Verdachtskündigung ausgesprochen werden. Die Möglichkeit, eine Verdachtskündigung auszusprechen, beruht auf der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts.

Was tun bei einer Verdachtskündigung?

Mitarbeitende können eine Kündigungsschutzklage erheben und u.a. einen Anspruch auf Abfindung einklagen. Dazu muss der Arbeitnehmer allerdings eine Dreiwochenfrist einhalten, diese beginnt nach Erhalt der Verdachtskündigung. Wenn der Mitarbeitende die Drei Wochen Frist versäumt, ist die Kündigung automatisch wirksam (§ 4 Satz 1 KSchG). Mitarbeitende sollten in dem Zeitraum versuchen, Beweise zu sammeln, die den Verdacht widerlegen. Damit Beschäftigte eine Kündigungsschutzklage erheben können, gibt es noch weitere Voraussetzungen. So müssen sie bereits länger als 6 Monate im Unternehmen tätig sein und zudem mehr als 11 Mitarbeitende im Betrieb arbeiten.

Was versteht man unter einer Verdachtskündigung?

Der Kündigungsgrund basiert auf dem reinen Verdacht, nicht auf dem Beweis der Pflichtverletzung. Das Vertrauen des Arbeitgebers in den Beschäftigten muss erschüttert sein und dessen persönliche Eignung infrage gestellt werden. Dem Unternehmen ist es damit auch letztendlich unzumutbar, den Mitarbeitenden im Rahmen einer ordentlichen Kündigungsfrist zu entlassen. Eine Verdachtskündigung kann entweder als ordentliche oder außerordentliche Verdachtskündigung ausgesprochen werden. Der Unterschied besteht hier u.a. in den Fristen, die eingehalten werden müssen.

Sprachgewandt, neugierig und kreativ verfolgt unsere Autorin Marie-Louise Messerschmidt als SEO Content Writer die neuesten HR Trends. Als Teil des Content Marketing Teams arbeitet sie seit Mitte 2022 für Factorial HR. Nach ihrem Abschluss in Betriebswirtschaftslehre an der Georg-August-Universität Göttingen und Sprachwissenschaften an der Ludwig-Maximilians-Universität München befasst sie sich bereits seit 2017 mit Themen im Personalbereich. Ihr Fokus liegt dabei besonders auf rechtlichen und strategischen Themen. Zuletzt hat sie einen Gastbeitrag zum Thema Personalverwaltung im OMT Magazin veröffentlicht.

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