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Kündigung wegen Krankheit: Ein umfassender Überblick

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9 Minuten Lesezeit
Eine erkältete Frau schnäuzt sich.

Im Durchschnitt haben deutsche Arbeitnehmer*innen im Jahr 15 Fehltage aufgrund von Krankheit. Dass Arbeitnehmer*innen hin und wieder krank sind, ist natürlich normal. Doch es gibt Fälle, in denen die Krankheit eines Beschäftigten für den Betrieb so unzumutbar wird, dass sich Arbeitgeber gezwungen sehen, eine krankheitsbedingte Kündigung auszusprechen. Diese ist jedoch an strenge Hürden geknüpft. Im folgenden Beitrag erläutern wir daher, welche Voraussetzungen für eine zulässige Kündigung wegen Krankheit erfüllt sein müssen.

Key Facts

  1. Krankheitsbedingte Kündigungen durch den Arbeitgeber sind selten erfolgreich und erfordern strenge Voraussetzungen für ihre Zulässigkeit.
  2. Arbeitgeber sollten 30 Fehltage im Jahr akzeptieren.
  3. Eine Kündigung wegen Krankheit ist nur zulässig, wenn eine negative Gesundheitsprognose vorliegt und keine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit im Betrieb besteht. Es ist eine Interessenabwägung vorzunehmen.

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Krankheitsbedingte Kündigung: Die rechtlichen Grundlagen

Das Kündigungsschutzgesetz: Definition

Das Kündigungsschutzgesetz (KschG) in Deutschland stellt sicher, dass Arbeitnehmer*innen vor ungerechtfertigten Kündigungen seitens ihres Arbeitgebers geschützt sind. Es schränkt damit gleichzeitig die Kündigungsfreiheit von Arbeitgebern ein und legt die Grundlage dafür, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit eine Kündigung gerechtfertigt ist.

Kündigungsschutz: Arbeitsrecht

In unserem Artikel auf unserem Blog zum Thema Kündigungsschutzgesetz haben wir die wichtigsten Regeln für Arbeitgeber zusammengestellt. Dort erklären wir, was unter einer ordentlichen oder außerordentlichen Kündigung zu verstehen ist und welche Gründe für eine ordentliche Kündigung zulässig sind.

Krankheitsbedingte Kündigung

Ein Kündigungsgrund, der immer wieder zu Unklarheiten auf beiden Seiten führt, ist die krankheitsbedingte Kündigung. Im Folgenden werden wir uns daher diese Form der Kündigung wegen Krankheit genauer anschauen.

Ein Mann mit psychischer Erkankung liegt auf dem Sofa im Krankenstand.

Kündigung wegen Krankheit: Rechtsgrundlagen

Von einer krankheitsbedingten Kündigung spricht man, wenn Mitarbeiter*innen, die unter den Schutz des Kündigungsschutzgesetzes fallen, von ihrem Arbeitgeber wegen Krankheit, auch Arbeitsunfähigkeit genannt, ordentlich, d. h. fristgerecht gekündigt werden.

Wichtig: Diese Form der Kündigung kommt äußerst selten vor, da die Hürden für diese Art der Kündigung für Arbeitgeber äußerst hoch sind. In der Regel werden diese Fälle vor Gericht entschieden.

Krankheitsbedingte Kündigung: Form der personenbedingten Kündigung

Grundsätzliches zu Kündigungsgründen:

Das Kündigungsschutzgesetz kennt drei zulässige Kündigungsgründe für die ordentliche Kündigung eines Arbeitsverhältnisses seitens des Arbeitgebers. Diese sind:

  • Verhaltensbedingte Kündigung: Diese ist zulässig, wenn Arbeitgeber ihre Beschäftigten aufgrund eines Verstoßes gegen die Arbeitsvertragspflichten kündigen. Unter Arbeitsrechtspflichtverletzung gehören bspw. solche Vorfälle wie Arbeitsverweigerung, Diebstahl oder Störungen des Betriebsfriedens. Eine vorherige Abmahnung sollte vor dem Aussprechen der Kündigung erfolgt sein. In jedem Fall sollte eine Interessenabwägung vorgenommen werden. In schweren Fällen (wie Diebstahl bspw.) kann auch eine außerordentliche Kündigung erfolgen.
  • Betriebsbedingte Kündigung: Dies ist der häufigste Kündigungsgrund. Er kommt zur Anwendung, wenn dringende betriebliche Erfordernisse die Entlassung der Mitarbeitenden notwendig machen. Dringende betriebliche Erfordernisse können z. B. Rationalisierungsmaßnahmen, fehlende Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten, Umstrukturierungen oder auch Betriebsschließungen sein.
  • Personenbedingte Kündigung: Bei einer personenbedingten Kündigung liegt der Grund für die Kündigung in der Person der Arbeitnehmer*innen. Diese kann nötig sein, wenn Arbeitnehmer*innen über einen längeren Zeitraum ihre Arbeitsleistung nicht erfüllen können. Dies kann z. B. durch den Verlust bestimmter Fähigkeiten oder Qualifikationen der Fall sein. Dabei wird zwischen subjektiven und objektiven Leistungsmängeln unterschieden. Subjektive Leistungsmängel können bspw. Glaubenshindernisse oder Schwierigkeiten in der Zusammenarbeit im Team/mit Kolleg*innen sein. Unter die objektiven Leistungsmängel fällt bspw. der Entzug der Fahrerlaubnis, fehlende Arbeitserlaubnis, Haft oder eben eine Krankheit.

Die krankheitsbedingte Kündigung ist also eine Form der personenbedingten Kündigung, die auf objektiven Leistungsmängeln beruht.

Wann ist eine Kündigung wegen Krankheit zulässig? – Voraussetzungen

Damit eine krankheitsbedingte Kündigung seitens des Arbeitgebers zulässig ist, müssen verschiedene Voraussetzungen erfüllt sein:

  1. Negativprognose: Die Gesundheitsprognose ist eindeutig negativ. Es ist klar, dass der*die Arbeitnehmer*in seine*ihre Arbeitsleistung nicht vollumfänglich und nicht nur vorübergehend nicht mehr erbringen kann.
  2. Erhebliche Beeinträchtigung der Betriebsinteressen: Der Ausfall des erkrankten Mitarbeitenden auf der Arbeit bedeutet eine unzumutbare Einschränkung bspw. im Betriebsablauf.
  3. Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten nicht vorhanden: Es besteht keine Möglichkeit den erkrankten Mitarbeitenden an einer Position im Betrieb einzusetzen, die trotz Krankheit noch ausführbar wäre. Beispiel: Eine Arbeitnehmerin hat starke Rückenprobleme, sodass sie ihre Tätigkeit, bei der sie ständig schwere Lasten tragen muss, nicht mehr ausüben kann, könnte aber an einen anderen Arbeitsplatz im Betrieb versetzt werden, z. B. in die Verwaltung. In diesem Fall wäre eine Weiterbeschäftigung möglich. Natürlich muss die Arbeitnehmerin auch die entsprechenden Qualifikationen für die andere Stelle im Unternehmen mitbringen.
  4. Interessenabwägung: Nach einer durchgeführten Interessenabwägung ist klar, dass eine Weiterbeschäftigung des erkrankten Arbeitnehmers*der erkrankten Arbeitnehmer*in eine unzumutbare Belastung für den Arbeitgeber und seinen Betrieb darstellen würde.

Formen der krankheitsbedingten Kündigung

In der Regel werden verschiedene Arten von Erkrankungen unterschieden, bei denen eine krankheitsbedingte Kündigung durch den Arbeitgeber zulässig sein kann.

Kündigung wegen häufiger Kurzerkrankungen

Von häufigen Kurzerkrankungen spricht man, wenn Arbeitnehmer*innen innerhalb der letzten 2-3 Jahre häufig mindestens 6 Wochen wegen einer Erkrankung auf der Arbeit gefehlt haben.

Der Arbeitgeber muss jedoch nachweisen, dass die Erkrankung und der Arbeitsausfall zu erheblichen Einschränkungen im Betriebsablauf oder zu hohen Entgeltfortzahlungen führen. Sinnvoll ist es hier, alle krankheitsbedingten Abwesenheiten in einer HR Software festzuhalten.

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Kündigung wegen dauernder Arbeitsunfähigkeit

Von einer dauernden Arbeitsunfähigkeit spricht man, wenn ein*e Arbeitnehmer*in aufgrund einer Krankschreibung über einen längeren Zeitraum dem Betrieb fernbleibt und keine Aussicht auf ein Ende der Krankheit besteht. In diesem Fall ist eine Kündigung durch den Arbeitgeber möglich.

Typische Beispiele für andauernde Erkrankungen sind bspw.:

  • psychische Krankheiten wie Burn-out oder Depressionen
  • Arbeitsunfähigkeit oder voraussichtlich lang andauernder Arbeitsausfall bspw. nach schweren Unfällen
  • Chronische Krankheiten wie Rückenbeschwerden oder Arthrose oder Rheuma

Kündigung wegen langandauernder Krankheit

Die Krankheit des*der Arbeitnehmer*in führt zu einer Leistungsminderung von mindestens einem Drittel. Gleichzeitig besteht keine Möglichkeit einer Versetzung auf einen anderen Arbeitsplatz oder einer Stundenreduzierung. (d. h. eine Weiterbeschäftigung im Betrieb ist nicht möglich)

Fazit und Ausnahmen:

Eine Krankschreibung schützt nicht vor einer Kündigung.

Es gibt jedoch bestimmte Gruppen, bei denen eine krankheitsbedingte Kündigung ausgeschlossen ist, da für diese Gruppen ein spezieller Kündigungsschutz besteht.

Sonderfälle: Zu diesen Gruppen gehören

  • Schwangere
  • Schwerbehinderte
  • Eltern in der Elternzeit

Eine Frau liegt im Krankenstand im Bett und riskiert eine Kündigung wegen Krankheit.

Kündigungsfristen und Kündigungsschutz bei krankheitsbedingter Kündigung

Kündigungsfristen

Auch bei einer krankheitsbedingten Kündigung muss der Arbeitgeber die gesetzlichen Kündigungsfristen einhalten. Diese sind in § 622 BGB geregelt. In unserem Blog haben wir einen eigenen Artikel nur zum Thema Kündigungsfristen verfasst, in dem wir für Sie Grundsätzliches zum Thema erklären.

Häufig gestellte Fragen zu Kündigung wegen Krankheit

Was passiert, wenn man wegen Krankheit gekündigt wird?

In der Regel haben Beschäftigte nach einer Kündigung wegen Krankheit Anspruch auf Arbeitslosengeld, da keine Eigenkündigung vorliegt und das Arbeitsverhältnis vom Arbeitgeber beendet wurde.

Kann man fristlos gekündigt werden, wenn man krank ist?

Grundsätzlich ist eine krankheitsbedingte Kündigung durch den Arbeitgeber sehr selten, da die Hürden und Beweispflichten sehr hoch sind. Dennoch ist es in seltenen Fällen möglich, dass eine fristlose Kündigung, also außerordentliche Kündigung ausgesprochen wird.

Dies kann z.B. der Fall sein, wenn

  • Beschäftigte die Meldepflichten verletzten (also keine Krankschreibungen einreichen oder diese nicht rechtzeitig einreichen). In der Regel muss der Arbeitgeber in diesen Fällen aber zunächst eine Abmahnung aussprechen und kann nicht direkt fristlos kündigen.
  • Beschäftigte krankfeiern. Arbeitnehmer*innen, die sich krankmelden, sind in Wirklichkeit nicht krank. Auch hier gilt jedoch, dass der Arbeitgeber zunächst eine Abmahnung aussprechen muss. Außerdem ist ein solches Verhalten schwer nachzuweisen.

Kann man in der Probezeit wegen Krankheit gekündigt werden?

Grundsätzlich müssen auch während der Probezeit die gleichen Voraussetzungen für eine krankheitsbedingte Kündigung vorliegen wie bei einem Arbeitsverhältnis außerhalb der Probezeit. Allerdings gelten während der Probezeit flexiblere Kündigungsfristen.

Kann man abgemahnt werden, wenn man krank ist?

In der Regel macht eine Abmahnung bei krankheitsbedingter Kündigung wenig Sinn, da es sich nicht um ein abmahnfähiges Fehlverhalten des*der Arbeitnehmer*in handelt. Ausnahmen können jedoch in den oben genannten Fällen (Krankfeiern/Verletzung der Meldepflicht) bestehen.

Lässt man sich rückwirkend krankschreiben und der Arzt bzw. die Ärztin verweigern die Ausstellung einer entsprechenden Bescheinigung, fehlt man unentschuldigt. Kommt dies häufiger vor, kann der Arbeitgebende den Mitarbeitenden abmahnen.

Haben Arbeitnehmende Anspruch auf Abfindung bei krankheitsbedingter Kündigung?

Diese Frage kann nicht pauschal beantwortet werden. Grundsätzlich ist der Arbeitgeber nicht verpflichtet, eine Abfindung zu zahlen, er bietet sie aber häufig an, insbesondere bei langjährig Beschäftigten oder auch, um eine mögliche Klage zu vermeiden. Im Allgemeinen gelten für die Abfindung bei Krankheit die gleichen Regeln wie unter normalen Umständen.

In unserem Artikel zum Thema Abfindung haben wir alle Regelungen auf einen Blick zusammengefasst.

Wie viele Tage im Jahr krank ist normal?

Laut Statistischem Bundesamt waren deutsche Arbeitnehmer*innen im Jahr 2022 durchschnittlich 15,0 Tage krankgemeldet.

In der Regel sollten Arbeitgeber 30 Tage Fehltage pro Jahr. Alles, was darüber hinausgeht, kann bereits als unzumutbar angesehen werden. Es gibt jedoch keine allgemeine Richtlinie für solche Fälle. Es handelt sich immer um Einzelfälle, die individuell geprüft werden müssen.

Wann ist eine krankheitsbedingte Kündigung unwirksam?

Zu den typischen Gründen für eine unwirksame Kündigung (wegen Krankheit) gehören

  • die Kündigung wurde nicht schriftlich übermittelt
  • die Kündigungsfrist ist nicht rechtens
  • fehlende Nachweisbarkeit einer betrieblichen Einschränkung oder Unzumutbarkeit für den Arbeitgeber
  • Betriebsrat (sofern vorhanden) wurde nicht konsultiert
  • gekündigte*r Beschäftigte gehört zu einer unkündbaren Gruppe (Schwangere etc.)

Was können Arbeitnehmer*innen gegen eine krankheitsbedingte Kündigung tun?

Arbeitnehmer*innen haben in der Regel sehr gute Chancen, dass eine krankheitsbedingte Kündigung unwirksam ist. Dazu sollten Arbeitnehmer*innen alle Unterlagen und Dokumente zu ihrer Erkrankung sammeln, die sie im Falle einer Klage zusammenstellen können.

Arbeitnehmer*innen haben das Recht, eine Kündigungsschutzklage einzureichen. Diese muss nach spätestens 3 Wochen beim zuständigen Arbeitsgericht eingereicht werden.

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Maria Macher ist Content Managerin bei Factorial und lebt hier ihre Liebe für die deutsche Sprache und HR-Themen aus. Bereits während ihrer Studienzeit in Wien und Barcelona sammelte sie unterschiedlichste Arbeitserfahrungen: beim Early-Stage-Startup bis hin zum multinationalen Konzern. Dabei lernte sie insbesondere, was verschiedene Unternehmenskulturen ausmacht und welche Rolle die wichtigste Ressource in Unternehmen spielt: die Menschen.

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