Im Alltag begegnen uns häufig unzählige Situationen, die eine kognitive Dissonanz in uns auslösen. Das bedeutet, dass wir einen Widerspruch und eine Spannung zwischen zwei verschiedenen Kognitionen oder Sachverhalten empfinden. Gerade im Berufsalltag kommen solche Situationen häufig vor. Im folgenden Artikel erklären wir das Phänomen genauer und erläutern, welche Strategien es zur Dissonanzreduktion gibt.
Key Facts
- Kognitive Dissonanz entsteht, wenn widersprüchliche oder unvereinbare Gedanken, Meinungen oder Verhaltensweisen einen inneren Konflikt bzw. einen Widerspruch verursachen.
- Die kognitive Dissonanz löst dabei ein unangenehmes Gefühl bei den Menschen aus. Um diesen Zustand aufzulösen, wenden wir Strategien der Dissonanzreduktion an.
- Langfristige kognitive Dissonanz kann zu erheblichem Stress und gesundheitlichen Problemen führen und beeinträchtigt die Zufriedenheit sowie Motivation von Mitarbeitenden am Arbeitsplatz.
- Was ist kognitive Dissonanz?
- Kognitive Dissonanz – Beispiele (Alltag und Berufsleben)
- Wie entsteht kognitive Dissonanz?
- Dissonanzreduktion – Auflösung der Dissonanz
- Darum kann kognitive Dissonanz zu einem Problem werden
Was ist kognitive Dissonanz? – Definition
Es ist ganz normal, dass uns im Alltag viele Situationen begegnen, die nicht frei von Widersprüchen sind. Der Mensch ist ein ambivalentes Wesen. Wir können das eine sagen und das andere tun. Manchmal sind diese Gegensätze nicht so schlimm, in anderen Fällen entstehen jedoch Spannungen zwischen Gefühlen, Überzeugungen, Meinungen oder Gedanken, die so widersprüchlich sind, dass ein innerer Konflikt entsteht – das nennt man kognitive Dissonanz. Da dieser Konflikt schwer auszuhalten ist, versuchen wir, ihn zu lösen, indem wir unser Verhalten rechtfertigen oder dieses ändern.
Theorie der kognitiven Dissonanz – Ursprung
Der amerikanische Sozialpsychologe Leon Festinger entwickelte die Dissonanztheorie in den 1950er Jahren. Im Rahmen seiner Forschungen zur menschlichen Entscheidungsfindung entwickelte er diese Theorie als Erweiterung der Konsistenz- und Gleichgewichtstheorien. Der zentrale Gedanke der Dissonanztheorie besagt, dass widersprüchliche Gedanken, Meinungen oder Verhaltensweisen ein unangenehmes Gefühl, die sogennante Dissonanz, verursachen.
In Bezug auf seine Untersuchungen zur Entscheidungsfindung war diese Erkenntnis besonders wichtig, da Festinger feststellte, dass Menschen nach einer Entscheidung bevorzugt solche Informationen aufnehmen, die ihre Wahl unterstützen, während sie Informationen, die diese in Frage stellen könnten, eher ignorieren. Dies tun sie, um genau diesen widersprüchlichen oder spannungsgeladenen Zustand zu entgehen.
Kognitive Dissonanz – Beispiele (Alltag und Berufsleben)
Das psychologische Phänomen der kognitiven Dissonanz begegnet uns weit häufiger im Alltag und Berufsleben als wir denken. Schauen wir uns zum besseren Verständnis einige Beispiele an.
Beispiel aus dem Alltag
Die meisten Menschen wissen, dass Rauchen ungesund ist. Trotzdem tun es viele. Zwischen ihrem Wissen und ihrem Verhalten entsteht also ein Widerspruch. Dieser löst eine innere Unruhe und einen inneren Konflikt bei den rauchenden Personen aus. Um dieses unangenehme Gefühl aufzulösen, können die Raucher*innen nun entweder ihre Meinung zum Rauchen ändern, indem sie sich beispielsweise einreden, dass es gar nicht so schädlich ist, oder sie geben das Rauchen auf.
Beispiele aus dem Berufsleben
Mitarbeiterin X arbeitet für ein Unternehmen, dessen Vorgesetzter sich öffentlich für eine rechtsradikale Partei ausspricht. Dies führt bei ihr zu einem inneren Konflikt, da sie ethische Bedenken hat. Sie möchte eine gute Mitarbeiterin sein, doch gleichzeitig kann sie es sich nicht mit sich selbst vereinbaren, für einen Chef mit solchen politischen Meinungen zu arbeiten. Um diesen inneren Konflikt aufzulösen, könnte sie entweder kündigen oder sich selbst einreden, dass es nicht so schlimm ist, da jeder eine freie politische Meinung haben darf.
Mitarbeiter X tritt in ein Unternehmen ein, das er für innovativ gehalten hat und das nach außen einen besonderen Schwerpunkt auf Diversity und Inklusion legt. Der Abgleich mit der Realität zeigt jedoch schnell, dass es sich dabei eher um Lippenbekenntnisse als um tatsächlich gelebte Unternehmenskultur handelt. Diese Tatsache löst beim Beschäftigten Unzufriedenheit, vor allem aber ein Gefühl innerer Spannung, aus. Um die Dissonanz zu verringern, könnte er entweder seine Wahrnehmung anpassen, versuchen etwas in der Firma zu verändern oder das Unternehmen verlassen.
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Wie entsteht kognitive Dissonanz?
Kognitive Dissonanz entsteht, wenn zwei widersprüchliche Sachverhalte aufeinandertreffen. Dies kann aus folgenden Gründen geschehen:
- Widersprüchliche Informationen: Neue Informationen stehen im Widerspruch zu bereits bestehenden Überzeugungen.
- Entscheidungen: Nach einer Entscheidung neigen wir dazu, mehr Informationen zu suchen, die die Vorteile unserer Wahl bestätigen, während wir negative Aspekte ausblenden.
- Verhalten: Auch wenn wir wissen, dass etwas ungesund ist (z. B. Zucker), handeln wir entgegen diesem Wissen, etwa indem wir Schokolade essen, und fühlen uns danach schlecht.
- Soziale Erwartungen: Es kommt vor, dass von uns etwas erwartet wird, das wir nicht mit unseren eigenen Überzeugungen oder Einstellungen in Einklang bringen können.
- Nicht erfüllte Erwartungen: Besonders häufig kommt es vor, dass Erwartungen, die wir hatten, nicht erfüllt werden. Das kann eine kognitive Dissonanz entstehen lassen.
Beispiel: Mitarbeiterin X hat jahrelang auf eine Beförderung in eine andere Abteilung gewartet. Die Arbeit dort hat sie sich abwechslungsreich und herausfordernd vorgestellt. Nach der Beförderung muss sie jedoch feststellen, dass die Aufgaben sehr monoton sind. Diese Diskrepanz zwischen Realität und ihren vorherigen Erwartungen führt zu kognitiver Dissonanz.
- Selbstbild: Unser Selbstbild gerät in Widerspruch zu neuen Informationen, die wir erhalten, was zu innerer Spannung führt.
Beispiel: Eine Person versteht sich selbst als umweltbewusste Person, kauft im Supermarkt aber dennoch oft in Plastik verpackte Produkte.
Dissonanzreduktion – Auflösung der Dissonanz
Da die wahrgenommene Dissonanz etwas sehr Unangenehmes ist, versuchen wir Menschen, dieses Gefühl aufzulösen. Diesen Vorgang bezeichnet man als Dissonanzreduktion. Dabei stehen uns unterschiedliche Möglichkeiten zur Verfügung, wie wir das tun können.
Verhaltensänderung
Eine typische Methode, um die Dissonanz aufzulösen, ist eine Verhaltensänderung unsererseits. So könnte eine Mitarbeiterin herausfinden, dass ihr Unternehmen, das nach außen hin mit seinen umweltbewussten Praktiken wirbt, in Wirklichkeit diese Werte nicht umsetzt. Bei der Mitarbeiterin löst dies einen starken Gewissenskonflikt aus. Die Dissonanz wird so groß, dass sie sich schließlich dazu entscheidet, zu kündigen, weil sie es nicht mit ihren eigenen moralischen Werten vereinbaren kann, für ein solches Unternehmen zu arbeiten.
Verharmlosung
Eine andere Möglichkeit ist die Verharmlosung eines bestimmten Sachverhalts, der die Dissonanz auslöst. So könnte ein Angestellter, der jahrelang versucht hat, eine Gehaltserhöhung im Betrieb zu bekommen und jedes Mal in seinem Wunsch abgewiesen wurde, sich einreden, dass viele andere noch weniger verdienen als er, um nicht an dieser Dissonanz zu zerbrechen.
Neue Kognitionen hinzufügen
Häufig versuchen wir, die Dissonanz auch durch das Hinzufügen einer weiteren Kognition aufzulösen. So könnte beispielsweise eine Mitarbeiterin, die für das Unternehmen mit fragwürdigen Umweltpraktiken arbeitet, anmerken, dass sie aber ein sehr gutes Gehalt verdient. Ihr hohes Einkommen könnte sie stattdessen für Fair-Trade-Produkte und andere nachhaltige Produkte ausgeben, um die Dissonanz zu reduzieren.
Ignorieren / nicht wahrhaben wollen
Mitarbeiter X arbeitet für ein Unternehmen, in dem behauptet wird, dass Beschäftigte einer bestimmten Abteilung angewiesen werden, Kolleg*innen, die sich krankgemeldet haben, einen Hausbesuch abzustatten, um zu kontrollieren, ob diese tatsächlich krank sind oder nur so tun. Der Mitarbeiter arbeitet gerne für das Unternehmen, weiß aber, dass er es mit sich selbst nicht vereinbaren könnte, wenn diese Informationen wahr wären. Um die Dissonanz aufzulösen, entschließt er sich, dies zu ignorieren, und redet sich ein, dass es sich nur um Gerüchte handelt, an denen nichts Wahres ist.
Projektion
Hierbei handelt es sich um eine besonders häufig angewandte Strategie. Mitarbeiter X kommt oft zu spät zur Arbeit und wird dafür von einem Kollegen kritisiert. Anstatt seinen Fehler einzugestehen, schiebt er seine Dissonanz beiseite, indem er auf eine andere Kollegin verweist, die ebenfalls immer zu spät kommt.
Darum kann kognitive Dissonanz zu einem Problem werden
Auch wenn die Dissonanzreduktion manchmal notwendig ist, um nicht an einer Situation zu zerbrechen, kann die kognitive Dissonanz – gerade im Berufsalltag – echte Schwierigkeiten mit sich bringen.
Wir wenden eine Strategie an, um unsere Überzeugungen über eine Sache aufrechtzuerhalten. So werden z. B. bestimmte Informationen, die eigentlich richtig und objektiv sind, ignoriert oder verleugnet. Dies führt dazu, dass wir Entscheidungen nicht auf der richtigen Grundlage treffen, was negative Konsequenzen nach sich ziehen kann.
Eine lange aufrechterhaltene kognitive Dissonanz, die nicht aufgelöst wird, kann zu enormem Stress und Unwohlsein unter den betroffenen Beschäftigten führen. Dies kann bis hin zu psychischen oder körperlichen Symptomen reichen.
Hinweis: Studien zeigen immer wieder, wie viele Menschen durch Überlastung und Unterforderung von Depressionen, Burnout oder ähnlichen Problemen betroffen sind. Die Unzufriedenheit der Beschäftigten am Arbeitsplatz ist in Deutschland sehr hoch. Arbeitgebende sind hier gefordert, für eine positivere Arbeitsatmosphäre zu sorgen, in der kognitive Dissonanzen reduziert werden. So stellte kürzlich eine Studie der AOK fest, dass Mitarbeitende, die in Unternehmen mit einer sozialen Unternehmensführung arbeiten, weitaus zufriedener, motivierter und gesünder sind. Dies führt auch zu weniger Fehlzeiten.