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Unternehmensvorschriften & Gesetze

Verhaltensbedingte Kündigung: Definition, Voraussetzungen, Rechtsgrundlage und Beispiele

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Neben der personenbedingten und der betriebsbedingten Kündigung ist die verhaltensbedingte Kündigung einer der drei zulässigen Gründe für eine Kündigung in Deutschland. Was genau unter einer verhaltensbedingten Kündigung zu verstehen ist, welche Beispiele es gibt und welche Voraussetzungen für ihre Rechtmäßigkeit erfüllt sein müssen, erfahren Sie im folgenden Artikel.

Das Wichtigste in Kürze

  1. Eine verhaltensbedingte Kündigung ist eine Kündigung (fristlos oder ordentlich), bei der die Ursache im Fehlverhalten der Arbeitnehmenden (selten auch der Arbeitgebenden) liegt.
  2. Dabei müssen bestimmte Voraussetzungen beachtet werden, wie:
  • Vorliegen eines Pflichtverstoßes
  • grobes Verschulden
  • Kündigung als letztes Mittel
  • Interessenabwägung

Gesetzliche Grundlage

  1. § 1 Abs. 2 des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) legt die drei zulässigen Kategorien für Kündigungen fest: personenbedingt, betriebsbedingt und verhaltensbedingt.
  2. Laut § 623 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) muss eine Kündigung immer schriftlich erfolgen; eine elektronische Form ist ausgeschlossen.

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Was ist eine verhaltensbedingte Kündigung?

Eine verhaltensbedingte Kündigung ist eine Kündigung, bei der der Grund im Verhalten der betroffenen Person liegt – also entweder der arbeitnehmenden oder auch der arbeitgebenden Partei. In der Regel handelt es sich um Verstöße gegen arbeitsvertragliche Pflichten, die eine verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen können.

Hinweis: Eine verhaltensbedingte Kündigung kann sowohl von Arbeitgebenden als auch von Arbeitnehmenden ausgehen.

Verhaltensbedingte Kündigung nach dem Kündigungsschutzgesetz

Das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) in Deutschland regelt genau, unter welchen Umständen Mitarbeitenden von ihren Vorgesetzten gekündigt werden darf. Es dient dem Schutz der Beschäftigten vor willkürlichen Kündigungen und bietet ihnen ein hohes Maß an Sicherheit am Arbeitsplatz.

Grundsätzlich unterscheidet man zwischen zwei Arten der Kündigung:

  1. Ordentliche (fristgerechte) Kündigung
  2. Außerordentliche (fristlose) Kündigung (Ältere Studien, wie etwa die von Ratis, weisen darauf hin, dass rund 14 % der Kündigungen in Deutschland fristlos erfolgen. Neuere Studien zu diesem Thema liegen leider nicht vor.)

Für die ordentliche Kündigung gelten gesetzlich festgelegte Kündigungsfristen sowie bestimmte Voraussetzungen. Ausschlaggebend sind unter anderem die Dauer der Betriebszugehörigkeit (mindestens sechs Monate) und die Größe des Betriebs (regelmäßig mehr als zehn Angestellte). Weitere Informationen hierzu finden Sie in unserem Artikel zur ordentlichen Kündigung eines Arbeitsverhältnisses. Dort erfahren Sie auch, welche Pflichten Arbeitgebende in diesem Zusammenhang beachten müssen.

Im deutschen Arbeitsrecht gilt: Eine Kündigung darf nur aus einem anerkannten Grund erfolgen.

Das Kündigungsschutzgesetz (§ 1 Abs. 2. KSchG) kennt dabei drei Hauptkategorien, unter die zulässige Kündigungsgründe fallen:

1. Betriebsbedingte Kündigung

Der Kündigungsgrund liegt im Unternehmen selbst, zum Beispiel durch wirtschaftliche Schwierigkeiten, Umstrukturierungen oder den Wegfall eines Arbeitsplatzes.

2. Personenbedingte Kündigung

Hier liegt der Grund in der Person der oder des Mitarbeitenden.

Beispiel: Arbeitnehmer X verliert im privaten Kontext seinen Führerschein und kann dadurch seine beruflichen Aufgaben als Fahrer nicht mehr erfüllen.

3. Verhaltensbedingte Kündigung

Hier liegt der Fokus auf dem Fehlverhalten der Mitarbeitenden, das gegen arbeitsvertragliche Pflichten verstößt. Diese Form der Kündigung sehen wir uns im Folgenden genauer an.

Verhaltensbedingte Kündigung: Voraussetzungen für eine verhaltensbedingte Kündigung

Damit eine verhaltensbedingte Kündigung rechtlich wirksam ist, müssen mehrere Voraussetzungen erfüllt sein:

1. Pflichtverletzung

Es muss ein konkreter Verstoß gegen arbeitsvertragliche Pflichten vorliegen oder das Vertrauensverhältnis muss irreparabel zerstört worden sein. Beispiele dafür sind:

  • wiederholtes unentschuldigtes Zuspätkommen
  • Arbeiten unter Alkoholeinfluss
  • Arbeitsverweigerung
  • Beleidigungen oder Mobbing gegenüber Kolleg*innen oder Vorgesetzten

2. Verschulden

Der Verstoß muss schuldhaft begangen worden sein – also vorsätzlich oder fahrlässig. Ein einmaliges Versehen oder ein unbeabsichtigtes Fehlverhalten reicht in der Regel nicht aus.

3. Verhältnismäßigkeit

Die Kündigung muss verhältnismäßig sein (z. B. § 626 BGB bei fristloser Kündigung).
Das bedeutet: Sie darf nur das letzte Mittel (Ultima Ratio) sein. Vorher sind mildere Maßnahmen zu prüfen – insbesondere eine Abmahnung, die das Verhalten rügt und eine Wiederholung sanktionieren würde.

Nur bei besonders schwerwiegenden Pflichtverstößen (z. B. Diebstahl, Gewalt, massive Beleidigungen) kann eine fristlose Kündigung auch ohne vorherige Abmahnung zulässig sein.

Wichtiger Hinweis: Die Arbeitsgerichte, vor allem das Bundesarbeitsgericht (BAG, Urteil vom 10.06.2010 – 2 AZR 541/09, „Emmely-Fall“), prüfen sehr genau, ob die Kündigung angemessen ist.

Im „Emmely-Fall“ wurde eine Kassiererin fristlos gekündigt, weil sie Pfandbons eingelöst hatte, die eigentlich Kund:innen zugestanden hätten. Da der Schaden gering war (ca. 1,30 €) und die Mitarbeiterin langjährig im Betrieb tätig war, entschied das BAG, dass die Kündigung unverhältnismäßig und somit unwirksam war.

4. Interessenabwägung

Es muss eine Interessenabwägung erfolgen: Wiegen die Interessen der Arbeitgebenden (z. B. Schutz des Betriebsfriedens, Vermeidung von Schäden) schwerer als das Interesse der Arbeitnehmenden am Erhalt des Arbeitsplatzes? Dabei werden Aspekte wie:

  • Dauer der Betriebszugehörigkeit
  • Alter
  • Unterhaltspflichten
  • bisheriges Verhalten mit berücksichtigt.

5. Schriftform & Anhörung des Betriebsrats

Die Kündigung muss schriftlich ausgesprochen werden, sonst ist sie unwirksam. Die elektronische Form ist dabei ausgeschlossen. (§ 623 BGB). Besteht ein Betriebsrat, muss dieser vorher angehört werden (§ 102 BetrVG). Ohne diese Anhörung ist die Kündigung ebenfalls unwirksam.

Wichtig: Diese Voraussetzungen sollten unbedingt eingehalten werden. Mitarbeitende, die gekündigt wurden, haben nämlich die Möglichkeit, eine Kündigungsschutzklage einzureichen und vor Gericht zu ziehen.

Verhaltensbedingte Kündigung – Beispiele: Was kann ein verhaltensbedingter Grund für eine Kündigung sein?

Grundsätzlich lassen sich die Gründe, die eine verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen können, in verschiedene Bereiche unterteilen. Dazu gehören beispielsweise:

Störung der betrieblichen Ordnung

Hierzu zählen Verstöße wie:

  • Mobbing
  • Alkohol- oder Drogenkonsum am Arbeitsplatz
  • Mehrfache Gehaltspfändungen

Störung des Vertrauensverhältnisses

Beispiele sind:

  • Diebstahl
  • Arbeitszeitbetrug

Störung des Leistungsbereichs

Dazu gehören:

  • Arbeitsverweigerung
  • Zu späte oder keine Krankmeldung
  • Wiederholtes Zuspätkommen
  • Privates Surfen im Internet oder über E-Mails während der Arbeitszeit

FAQs zu verhaltensbedingter Kündigung

Die wichtigsten Antworten auf die drängendsten Fragen rund um die verhaltensbedingte Kündigung finden Sie hier.

Verhaltensbedingte Kündigung ohne Abmahnung – Kann man verhaltensbedingt gekündigt werden, ohne zuvor eine Abmahnung erhalten zu haben?

Ja, grundsätzlich ist eine verhaltensbedingte Kündigung auch ohne vorherige Abmahnung möglich. Allerdings nur unter besonderen Umständen:

  • Wenn ein besonders schwerwiegender Pflichtverstoß vorliegt, zum Beispiel Diebstahl, Gewalt am Arbeitsplatz oder massive Beleidigungen, die das Vertrauensverhältnis irreparabel zerstören.
  • In solchen Fällen kann eine sofortige fristlose Kündigung gerechtfertigt sein.

Bei weniger gravierenden Pflichtverletzungen ist jedoch in der Regel eine Abmahnung erforderlich, um den Arbeitnehmenden die Chance zur Verhaltensänderung zu geben. Ohne Abmahnung ist eine Kündigung oft unwirksam.

Verhaltensbedingte Kündigung – Arbeitslosengeld: Kriegt man es trotz verhaltensbedingter Kündigung?

In der Regel haben Arbeitnehmende, die verhaltensbedingt gekündigt wurden, weiterhin Anspruch auf Arbeitslosengeld I. Allerdings kann die Agentur für Arbeit eine Sperrfrist von typischerweise 12 Wochen verhängen. Grund dafür ist, dass die Agentur davon ausgeht, dass die Kündigung durch eigenes Fehlverhalten verursacht wurde und somit grundsätzlich vermeidbar gewesen wäre.

Verhaltensbedingte Kündigung – Abfindung: Müssen Vorgesetzte eine Abfindung zahlen?

In der Regel besteht bei einer verhaltensbedingten Kündigung kein Anspruch auf eine Abfindung. Eine Abfindung wird eher bei betriebsbedingten Kündigungen gezahlt, da dort meist die Vorgesetzten die Kündigung veranlassen. Bei verhaltensbedingten Kündigungen hingegen wird davon ausgegangen, dass die Beschäftigten durch ihr Verhalten die Kündigung selbst verursacht haben, sodass ein Abfindungsanspruch normalerweise ausgeschlossen ist.

Verhaltensbedingte Kündigung in der Schwangerschaft – Darf man das?

Schwangere Personen unterliegen dem besonderen Kündigungsschutz nach § 17 Mutterschutzgesetzes (MuSchG). Das bedeutet, dass Kündigungen während der Schwangerschaft und bis zu vier Monate nach der Entbindung grundsätzlich nicht erlaubt sind. Unter sehr seltenen Umständen – beispielsweise bei betriebsbedingten oder verhaltensbedingten Gründen, die nicht mit der Schwangerschaft zusammenhängen – kann ausnahmsweise eine Kündigung erfolgen. Diese Kündigung muss jedoch unbedingt von der zuständigen Aufsichtsbehörde genehmigt werden.

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Julia Lehmann ist Schriftstellerin, Philosophin, Künstlerin und Übersetzerin. Seit über drei Jahren setzt sie sich intensiv mit aktuellen Entwicklungen im Bereich Human Resources und der Arbeitswelt auseinander. Mit ihrem interdisziplinären Hintergrund analysiert sie Themen wie Unternehmenskultur, Führung, Wandel in der Arbeitsorganisation und rechtliche Rahmenbedingungen – und liefert dabei Impulse, die sowohl in Fachkreisen als auch in der unternehmerischen Praxis Anklang finden.