Mit der Stoppuhr hinter Ihren Mitarbeitenden stehen? Keine gute Idee! Das schafft Misstrauen und schadet der Mitarbeitermotivation. Setzen Sie stattdessen auf flexible Arbeitszeiten, um das Vertrauen langfristig zu stärken.
Vertrauensarbeitszeit ist ein Modell der neuen und flexiblen Arbeitszeiten, bei dem sich die Mitarbeitende ihre Arbeitszeit selbst einteilen können. Das hat natürlich Vor- und Nachteile.
Welche das sind, und worauf Sie sonst noch achten müssen, erklären wir in diesem Artikel. Außerdem beantworten wir Fragen nach Überstunden, wer Mitbestimmungsrecht hat und für wen sich die Vertrauensarbeitszeit eignet.
Das Wichtigste in Kürze:
- Vertrauensarbeitszeit ist ein flexibles Arbeitszeitmodell, bei dem Mitarbeitende Beginn, Ende und Verteilung ihrer Arbeitszeit selbst bestimmen.
- Der Fokus liegt auf Zielerreichung statt Anwesenheitskontrolle.
- Seit dem BAG-Urteil 2022 gilt allerdings: Auch bei Vertrauensarbeitszeit muss die gesamte Arbeitszeit systematisch erfasst werden – Mitarbeitende können zwar selbst ihre Arbeitszeit dokumentieren, Arbeitgebende müssen diese allerdings kontrollieren.
Definition: Was ist Vertrauensarbeitszeit?
Bei der Vertrauensarbeitszeit handelt es sich um ein flexibles Arbeitszeitmodell, das auf dem Vertrauen der Arbeitgebenden gegenüber den Arbeitnehmenden basiert. Dabei geht es nicht darum, dass der Arbeitnehmende bestimmte Arbeitszeiten einhält. Stattdessen kann dieser selbst bestimmen, wann er arbeitet. Der Fokus liegt hierbei nicht auf der eingehaltenen Arbeitszeit, sondern stattdessen auf dem Arbeitsergebnis und der Erfüllung vereinbarter Ziele. Grundlage bilden dabei klare Zielvereinbarungen zwischen Vorgesetzten und Arbeitnehmenden.
Dabei kann die konkrete Umsetzung der Vertrauensarbeitszeit stark variieren:
Die zeitliche Gestaltung kann den Mitarbeitenden komplett frei überlassen sein, solange die gesetzliche Höchstarbeitszeit eingehalten wird und die Ergebnisse stimmen. Häufig wird die Freiheit jedoch eingeschränkt, indem eine sogenannte Kernarbeitszeit (hier spricht man dann von Gleitzeit) vereinbart wird. Diese Mischform stellt sicher, dass alle Mitarbeitenden zu festen Zeiten (z. B. für Meetings oder die Erreichbarkeit) anwesend sind, während die restliche Arbeitszeit flexibel gestaltet werden kann. In jedem Fall gilt: Es kommt darauf an, dass die Mitarbeitenden ihre vertraglich vereinbarten Stunden (zum Beispiel eine 40-Stunden-Woche) über die Woche oder den Monat erfüllen oder (je nach Vereinbarung) ein bestimmtes Ergebnis bis zu einem bestimmten Zeitpunkt liefern.
Und: Dieses Arbeitszeitmodell ist bei Mitarbeitenden besonders beliebt. Laut einer Bertelsmann-Studie von 2024 bevorzugen 45 Prozent der Beschäftigten in Deutschland vollständig flexible Arbeitszeiten ohne Kernzeiten gegenüber klassischer Gleitzeit.
Besteht eine gesetzliche Pflicht zur Aufzeichnung der Arbeitszeit bei der Vertrauensarbeitszeit?
Achtung:Es besteht auch bei Vertrauensarbeitszeit eine gesetzliche Verpflichtung aufseiten der Vorgesetzten zurArbeitszeiterfassung für Mitarbeitende. Dies geht auf das EuGH-Urteil vom 14. Mai 2019 (C-55/18) und das BAG-Urteil vom 13. September 2022 (Az. 1 ABR 22/21) zurück. Diese Urteile verpflichten Arbeitgebende in Deutschland, ein objektives, verlässliches und zugängliches System zur Erfassung der gesamten Arbeitszeit einzuführen – nicht nur wie zuvor die Aufzeichnung der Überstunden.
Mehr zum Thema Arbeitszeiterfassung und dem aktuellen rechtlichen Stand erfahren Sie auch in unserem Blogartikel „Arbeitszeiterfassungsgesetz 2025: Das gilt aktuell“.
Für wen eignet sich Vertrauensarbeitszeit?
Das Modell der Vertrauensarbeitszeit eignet sich insbesondere für die Berufe, bei denen es nicht auf die Anwesenheit der Beschäftigten ankommt. Stattdessen stehen die Ergebnisse im Vordergrund. Darunter fallen Berufe in kreativen Bereichen oder, da die Arbeitszeiterfassung im Außendienst teils schwierig festzuhalten ist, auch Mitarbeitende im Außendienst. Nichtsdestoweniger ist die Arbeitszeiterfassung im Außendienst genauso gesetzlich verpflichtend wie im Büro.
In diesen Jobs können Arbeitnehmende ihrer Arbeit weitestgehend eigenständig und eigenverantwortlich nachgehen.
Anders verhält es sich bei Berufen, in denen die Anwesenheit am Arbeitsplatz wichtig ist, um den Beruf ausführen zu können. Dazu gehören Mitarbeitende im Kundenservice, Verkäufer*innen in Geschäften und Supermärkten, die bestimmten Öffnungszeiten unterliegen, sowie Mitarbeitende am Empfang oder im Sekretariat oder natürlich auch Gastronomie und Hotellerie.
Voraussetzungen für erfolgreiche Vertrauensarbeitszeit
Nicht für alle Menschen, Unternehmen oder Branchen eignet sich Vertrauensarbeitszeit. Damit dieses Arbeitszeitmodell funktioniert, sind grundsätzlich folgende Voraussetzungen nötig:
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Mitarbeitende benötigen ein hohes Maß an Selbstorganisation, Eigenverantwortung und Disziplin. Das lässt sich zwar durch Schulungen fördern, hängt aber auch vom Persönlichkeitstyp ab. Daher sollten HR-Verantwortliche bereits im Bewerbungsprozess gezielt darauf achten.
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Führungskräfte müssen bereit sein, Kontrolle abzugeben und ergebnisorientiert statt über Präsenz zu führen.
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Eine ausgeprägte Vertrauenskultur im Unternehmen ist entscheidend.
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Außerdem braucht es eine passende technische Grundlage, also ein digitales Zeiterfassungssystem, das Mitarbeitende eigenständig und unkompliziert nutzen können. Mit dem Zeiterfassungssystem von Factorial schaffen Sie diese Grundlage ganz einfach – per App, am Desktop oder sogar über QR-Code.
Zeiterfassung bei Vertrauensarbeit: So funktioniert es rechtssicher
Aktuelle Rechtslage: EuGH und BAG zur Zeiterfassung
Die rechtliche Situation bei Vertrauensarbeitszeit hat sich durch zwei wegweisende Urteile grundlegend geändert. Das bereist erwähnte EuGH-Urteil vom 14. Mai 2019 (Az. C-55/18) verpflichtet alle EU-Mitgliedstaaten, Arbeitgebende zur systematischen Arbeitszeiterfassung zu verpflichten. Das Bundesarbeitsgericht bestätigte am 13. September 2022 (Az. 1 ABR 22/21), dass diese Pflicht auch in Deutschland gilt – unabhängig vom Arbeitszeitmodell. Arbeitgebende müssen demnach ein objektives, verlässliches und zugängliches System einführen, das Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit erfasst. Dies gilt ausdrücklich auch bei Vertrauensarbeitszeit. Die gute Nachricht: Vertrauensarbeitszeit bleibt möglich, nur die Dokumentationspflicht der Arbeitszeit kommt hinzu.
Weitere Rechte und Pflichten bei Vertrauensarbeitszeit
Darüber hinaus müssen Arbeitgebende einige weitere Regeln beachten und gesetzliche Vorgaben erfüllen. Denn: In Deutschland gilt das Arbeitszeitgesetz(ArbZG). Besonders im Hinblick auf die tägliche Höchstarbeitszeit (§ 3), Pausen (§ 4) sowie Ruhezeiten zwischen den Arbeitstagen (§ 5), als auch hinsichtlich der Aufzeichnung der Arbeitszeit (§ 16 (2)) ist dieses Gesetz wichtig.
In Bezug auf besondere Gruppen wie Jugendliche (JArbSchG) oder Schwangere und Stillende (§ 8 MuSchG) sollten Arbeitgebende unbedingt die entsprechende tägliche Höchstarbeitszeit einhalten.
Werden diese Vorgaben nicht eingehalten, kann dies rechtliche Konsequenzen für Vorgesetzte bedeuten. Weiterhin ist es wichtig, dass alle diese Regelungen schriftlich festgehalten werden – z. B. im Arbeitsvertrag.
Arbeitszeiterfassung leicht gemacht mit Factorial
Um die Compliance-Anforderungen – die durch die Urteile des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) und des Bundesarbeitsgerichts (BAG) eine verpflichtende Zeiterfassung vorschreiben – zu erfüllen, muss ein zuverlässiges, objektives und leicht zugängliches System zur Arbeitszeiterfassung eingeführt werden.
Mit der HR-Software von Factorial können Unternehmen genau diese objektive Arbeitszeiterfassung mühelos umsetzen. Mitarbeitende können die Arbeitszeit beispielsweise einfach erfassen und so Start, Ende, Pausen oder auch Überstunden lückenlos dokumentieren. Dies gewährleistet maximale Flexibilität und Rechtssicherheit für beide Seiten.
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Überstunden bei Vertrauensarbeitszeit
Es gibt eine gesetzliche Aufzeichnungspflicht bei Vertrauensarbeitszeit. Diese umfasst seit dem BAG-Urteil 2022 nicht nur Überstunden über 8 Stunden täglich, sondern die gesamte Arbeitszeit inklusive Beginn, Ende und Dauer jedes Arbeitstages. Normalerweise unterliegen Arbeitgebende der Pflicht, die Arbeitszeiten zu dokumentieren. Allerdings kann er diese Pflicht an die Arbeitnehmende abgeben und das ist bei der Vertrauensarbeitszeit auch notwendig. Schließlich kontrolliere Vorgesetzte nicht, wann und wie lange Beschäftigte an ihren Aufgaben sitzen. Die Aufzeichnung bei der Vertrauensarbeitszeit liegt deshalb in der Verantwortung der Arbeitnehmenden.
Können Überstunden abgegolten werden? Ja. Auch bei Vertrauensarbeitszeit können Mitarbeitende ihre Überstunden abbauen. Wann und in welcher Form der Überstundenabbau stattfinden kann, sollte bereits im Voraus oder bei Einführung der Vertrauensarbeitszeit vereinbart und schriftlich festgehalten werden. So können keine Missverständnisse entstehen.
Hat der Betriebsrat Mitbestimmungsrecht bei der Vertrauenszeit?
Laut § 87 Betriebsverfassungsgesetz hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht, was die Arbeitszeiten angeht. Beginn und Ende der Arbeitszeit, Pausen sowie Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage können vom Betriebsrat mitbestimmt werden. Auch die vorübergehende Verkürzung oder Verlängerung der betrieblichen Arbeitszeit gehören dazu. Somit hat der Betriebsrat auch ein Mitbestimmungsrecht bei der Vertrauensarbeitszeit.
Darüber hinaus darf der Betriebsrat Einsicht in die täglich ausgeführten Arbeitszeiten haben. Das inkludiert Beginn und Ende der tatsächlichen Arbeitszeiten sowie Überschreitungen dieser. Der Betriebsrat kann außerdem mit darüber entscheiden, ob und welche technischen Maßnahmen zur Überwachung des Verhaltens und der Leistung der Mitarbeitenden genutzt werden. Dazu zählt zum Beispiel auch die Arbeitszeiterfassung.
Was sind die Vor- und Nachteile der Vertrauensarbeitszeit?
Vorteile
Das Modell der Vertrauensarbeitszeit hat sowohl für Arbeitgebende als auch Arbeitnehmende gewissen Vorteile:
Für Vorgesetzte:
- Ausbalancieren von saisonaler Fluktuation und Auftragsschwankungen
- Sparen von Personalkosten
- Weniger bürokratischer und administrativer Aufwand
- Besseres Arbeitsklima durch Vertrauen statt Kontrolle
- Stärkere Mitarbeiterbindung
- Ergebnis- und lösungsorientiertes Arbeiten
- Steigerung der Motivation und Leistungsbereitschaft der Beschäftigung
Für Arbeitnehmende:
- Höchste Flexibilität bei Arbeitszeiten (im Gegensatz Gleitzeit ohne fixe Kernarbeitszeiten)
- Bessere Work-Life-Balance durch selbstbestimmtes Arbeiten und eigene Einteilung der Arbeitszeiten
- Unternehmerisches Denken und ein hohes Maß an Eigenverantwortung
- Mehr Freiheiten durch weniger bis gar keine Kontrolle durch Arbeitgebende
- Arbeitszeit muss nicht „abgesessen“ werden, wenn keine Arbeit da ist
Nachteile
Es können sich bei diesem Modell allerdings auch Nachteile für Unternehmen und Mitarbeitende ergeben:
Für Arbeitgebende:
- Kontrollverlust durch Übertragung der Verantwortung an Mitarbeitende
- Konflikte bei der Arbeitszeiterfassung und möglichen Überstunden oder nicht eingehaltenen Pausen und Absprachen
- Bessere Koordination ist gefragt, da Mitarbeitende i. d. R. unregelmäßiger am Arbeitsplatz sitzen und dadurch schlechter erreichbar sind
Für Arbeitnehmende:
- Zeiterfassung von Überstunden in Eigenverantwortung
- ggf. größerer Leistungsdruck
- Schwierigere Koordination und Planung von beispielsweise Meetings mit Kolleg*innen
FAQ: Häufige gestellte Fragen zur Vertrauensarbeitszeit
Ist Vertrauensarbeitszeit noch zulässig?
Ja, Vertrauensarbeitszeit ist auch nach dem EuGH-Urteil von 2019 und dem BAG-Urteil von 2022 weiterhin vollständig zulässig. Allerdings hat sich seitdem geändert, dass auch bei Vertrauensarbeitszeit die Dokumentation und Erfassung der Arbeitszeit verpflichtend ist. Mitarbeitende können ihre Arbeitszeiten also weiterhin flexibel gestalten, müssen sie jedoch aufzeichnen. Arbeitgebende sind zudem verpflichtet, diese Aufzeichnungen zu kontrollieren und ein Zeiterfassungssystem bereitzustellen, das den gesetzlichen Anforderungen entspricht.
Wie funktioniert die Vertrauensarbeitszeit?
Bei Vertrauensarbeitszeit entscheiden Beschäftigte selbst über Beginn, Ende und Verteilung ihrer Arbeitszeit. Grundlage sind häufig schriftliche Zielvereinbarungen, die innerhalb der vertraglich vereinbarten Wochenarbeitszeit erreichbar sein müssen. Mitarbeitende dokumentieren ihre Arbeitszeiten eigenständig in einem digitalen System. Vorgesetzte verzichten also auf laufende Kontrolle, führen aber gesetzlich vorgeschriebene Stichproben durch. Wichtig: Alle gesetzlichen Vorgaben zu Höchstarbeitszeiten, Pausen und Ruhezeiten müssen eingehalten werden.
Kann man bei Vertrauensarbeitszeit Überstunden aufbauen?
Ja, auch bei Vertrauensarbeitszeit können Überstunden entstehen. Denn trotz der freien Einteilung der Arbeitszeit gelten weiterhin alle gesetzlichen Vorgaben zu Höchstarbeitszeiten, Ruhezeiten und Pausen. Werden die vertraglich vereinbarten Arbeitsstunden überschritten, gelten diese Zeiten – je nach Regelung im Arbeits- oder Tarifvertrag – als Überstunden.
Ist Vertrauensarbeitszeit Gleitzeit?
Nein, Vertrauensarbeitszeit und Gleitzeit sind unterschiedliche Modelle. Bei Gleitzeit gibt es feste Kernarbeitszeiten mit Anwesenheitspflicht und minutengenaue Zeiterfassung über Arbeitszeitkonten. Vertrauensarbeitszeit verzichtet auf Kernzeiten – Mitarbeitende sind komplett frei in ihrer Zeiteinteilung. Der Fokus liegt auf Zielerreichung statt Anwesenheit. Beide Modelle ermöglichen Flexibilität, Vertrauensarbeitszeit bietet jedoch deutlich mehr Gestaltungsfreiheit, erfordert dafür aber mehr Eigenverantwortung.

